Inhalt und Gameplay

In Crusader Kings III (CK III) steuern die Spieler*innen über den Zeitraum des Hoch- und Spätmittelalters auf historischen Vorbildern basierende oder individuell erstellte fiktive Dynastien, die mittels einer ausgewählten Spielfigur vertreten werden.

Als Einstiegszeitpunkt eröffnet das Spiel die Jahre 867 und empfiehlt u. a. das Steuern eines Karolinger-Herrschers im fraktionierten ehemaligen Fränkischen Reich. Überdies wird die Gelegenheit geboten, im Jahre 1066, zur Zeit der normannischen Eroberung Englands, in ein weiteres historisches Konfliktszenario einzutauchen. Neben einem Fokus auf zentral- und westeuropäische Geschichte, der mit dem Erweiterungspack Northern Lords (2021) das Spielerlebnis als nordisch-skandinavischer Herrscher erweitert, steht den Spieler*innen bislang nur eine vom Spiel empfohlene außereuropäische, afrikanische Spieloption zur Verfügung. Wenngleich Spieler*innen also zahlreiche Reiche außerhalb Europas steuern können, rahmen die angesprochenen Empfehlungen der Entwickler*innen das Spielerlebnis (bislang) eurozentrisch.

In einer mittelalterlichen Spielwelt stehen Spieler*innen zahlreiche Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung: Durch geschickte Heirats- und Bündnispolitik, Intrigen gegen konkurrierende Dynastien und das Examinieren sowie Entwickeln der Einflusssphäre durch Krieg soll das Fortbestehen der gesteuerten Blutlinie gesichert werden. Neben dem Bekanntmachen einer ausgewählten Dynastie bietet das Spiel jedoch weitaus mehr Spielziele. So laden zum Beispiel zahlreiche formbare Nationen bzw. Reiche dazu ein, gezielt bestimmte Landstriche zu erobern, um historisch und mythisch inspirierte Reiche zu gründen.

Das Gameplay des Spiels grenzt sich vom klassischen Strategiespiel dadurch ab, dass zusätzlich das Steuern einer Spielfigur verbunden ist mit klassischen Rollenspielaspekten wie dem Herausbilden einer Identität durch zahlreiche erwerbbare Eigenschaften. Hierbei simulieren sich in narrativen Settings erlebbare und teils humoristische, teils makabre Geschichten in Form von Ereignissen, auf die die Spieler*innen per Mausklick reagieren und Entscheidungen treffen. Crusader Kings III, welches in Anbetracht dieser durchaus dominanten Rolle von durch Textblöcken erzählten Geschichten zu einem Genre-Hybrid avanciert, lädt die Spieler*innen zu einem (pseudo-)historischem Reenactment ein, eröffnet ihnen jedoch gleichzeitig zahlreiche dezidiert ahistorische Pfade, die allerdings stets Fantasyelementen entbehren und so bestrebt sind, ein historisch authentisches Bild der Zeit zu wahren.

Paradox Interactive Abb.1Abb. 1: Ein Komplott zur Ermordung einer Spielfigur ist erfolgreich. Crusader Kings III (2020).

Kritik

Aspekte wie prädominante Kulturen und Religionen von Gebieten und Spielfiguren müssen bei den individuellen Aktionen und Spielzielen mitgedacht werden, um das gespielte Reich beispielsweise nicht zu überdehnen und damit in einem zu heterogenen Gebiet Revolten und Konflikte zwischen Untertanen und deren Interessen zu provozieren. Den Spieler*innen stehen vor dem Hintergrund dieser Aufgabe verschiedenste Spielmechaniken zur Verfügung, um die Stabilität des eigenen Besitzes zu wahren. Gebiete können kulturell sowie religiös konvertiert werden, wobei jedoch auch hier mit Konflikten und Aufständen gerechnet werden muss, die es (meist gewalttätig) niederzuschlagen gilt. Die Spieler*innen werden durch diese Konfliktszenarien quasi provoziert, zum Erreichen eines Spielziels imperialistisch zu agieren und die Eigenschaften des eigenen Reiches den eroberten Gebieten gewaltsam aufzuzwängen. Die Spieler*innen führen als handelndes bzw. spielsteuerndes Subjekt damit letztendlich dezidiert gewalttätige Prozesse aus, die je nach Spielsituation vom Unterdrücken eines lokalen Bauernaufstandes bis hin zum de facto Genozid einer Kultur- oder Religionsgemeinschaft reichen.

Ästhetisch geschieht dieser Akt der Gewaltausübung jedoch ohne jede explizite visuelle Darstellung. Sowohl bei individuellen Attentaten als auch bei Massenschlachten reduzieren sich Repräsentationen auf abstrakte Abbildungn, die etwa kämpfende Figuren oder ein erschrocken dreinblickendes ermordetes Ziel darstellen. Erscheint diese Art der Gestaltung auf der einen Seite durchaus als problematisch, weil sie Gewalt und archaische Praktiken verschleiern, laden die angesprochenen Spielmechaniken der Kultur- und Religionskonvertierung andererseits dazu ein, die Bedeutung ebensolcher Konzepte zur Zeit des Mittelalters zu reflektieren. Auch die im Spiel omnipräsenten Strukturen mittelalterlicher Feudalsysteme, die samt ihrer Konflikte um Macht und Einfluss am Hof von Herrscher*innen das Spielgeschehe bestimmen, lassen das Nachdenken über historische Herrschaftssysteme zu.

Bereits angesprochene Herrschaftssysteme thematisiert das Spiel in Form unterschiedlicher Nachfolgesysteme und Geschlechterrechte, die somit auch historische Geschlechterrollen beleuchten und hinterfragen lassen. So sind Frauen zu Beginn des Spiels bis auf wenige Ausnahmen unter besonderen Umständen in sämtlichen europäischen Reichen von der Nachfolge auf eine Herrscherrolle kategorisch ausgeschlossen, was sich vom jeweiligen Herrscher eines Reiches zwar prinzipiell ändern lässt, wofür er jedoch die Zustimmung mächtiger Vasallen benötigt. Diese wiederum sind selbstredend computersimuliert am eigenen Machterhalt interessiert und würden einer Änderung der Geschlechterrechte nur unter bestimmten, zuweilen äußerst schwer herbeizuführenden Bedingungen zustimmen. Spielmechanisch ‚eignen‘ sich Frauen hingegen, um sie zum Zwecke neuer Bündnisse an fremde Herrscher zu verheiraten, worüber hinaus es sich anbietet, männliche Erben antizipierend mit Partnerinnen zu verheiraten, die versprechen, viele neue Erben zu generieren.

Zentral für das Spielerlebnis ist darüber hinaus eine Meinungs-Mechanik, über die Spieler*innen Einfluss auf das Verhältnis ihrer Spielfigur zu computergesteuerten Charakteren nehmen kann.

Um mächtige Vasallen des Reiches in etwa von Revolten abzuhalten, müssen die Spieler*innen zuweilen Konzessionen machen und eigene Macht abtreten, was sie mit der Herausforderung konfrontiert, diese Macht, im mittelalterlich-feudalen Sinne, geschickt auszubalancieren. Die Spieler*innen merken an dieser Stelle schnell, dass feudale und aus heutiger Perspektive de facto ‚undemokratische‘ Systeme keineswegs generisch in tyrannischer Alleinherrschaft resultieren, denn dann erheben sich Vasallen in aller Regel in großer Zahl und stürzen die gespielten Herrscher*innen.

Paradox Interactive Abb.2Abb. 2: Komplott am Hofe – Vasallen möchten den gespielten Herrscher in einer offenen Revolte durch einen Thronanwärter ersetzen. Crusader Kings III (2020).

Das Spiel eignet sich auch, um historische Vorgänge exemplarisch zu illustrieren, wie Houghten 2014 für den Vorgänger Crusader Kings II feststellte. Verglichen werden kann dieses Beispiel, in dem es um Macht und Machterhalt geht, in etwa mit der Herrschaft Karls IV., der im Zuge seiner Hausmachtpolitik und dynastischer Rivalitäten Zugeständnisse wie Titel, besondere Rechte oder Land vergeben musste, wie es auch Spieler*innen in CK III können, um Vasallen im Zuge der eigenen Machterweiterung bzw. des eigenen Machterhalts zu beschwichtigen.

CK III arbeitet jedoch wie alle Games gezwungenermaßen mit markanten Simplifizierungen und ausgeprägten Reduzierungen abgebildeter Systeme. Soll anhand oder mithilfe des Spiels also gelernt bzw. über Geschichte z.B. im schulischen Kontext reflektiert werden, ist eine Kontextualisierung angesprochener Spielinhalte unabdingbar.

Insgesamt empfiehlt es sich, historisierende Spiele, die den Anspruch erheben, Geschichte nachspielbar oder erlebbar zu machen, in Lernszenarien aufzuarbeiten oder zumindest darauf hinzuweisen, dass Geschichte in Form von Games nie authentische Quelle, sondern stets artifizielle Darstellung ist, um dem Trugschluss einer ‚authentischen‘ Zeitreise durch das Spielen von Videospielen vorzubeugen.

Fazit

Insgesamt bietet sich Crusader Kings III nicht zuletzt aufgrund einer ansprechenden Ästhetik an, um Aspekte mittelalterlicher Geschichte anschaulich und immersiv zu illustrieren. Wenngleich CK III keineswegs als archaische Gewaltsimulation zu deuten ist, kann problematisiert werden, dass Spieler*innen in ihrer Rolle als feudale Herrscher*innen eine nahezu omnipräsente Gewalt ausüben, die sich hinter zahlreichen Klicks und Spielmechaniken verbirgt: Die Tochter wird zum Zwecke eines Bündnisses an einen „wahnsinnigen“ „Säufer“ verheiratet, der unliebsame Rivale wird ermordet, die Küsten Englands werden gebrandschatzt, Bauernaufstände niedergeschlagen, ein Barbarenvolk im Osten erobert und kulturell-religiös eingegliedert.

Die Abstraktheit dieser Vorgänge und die visuell reduzierte Darstellung nivelliert die Sichtbarkeit der Gewalt jedoch deutlich. Die USK-Altersfreigabe, die das Spiel ab zwölf Jahren freigibt, ist daher zu hinterfragen, denn der abwesenden Darstellung expliziter Gewalt steht die ihr implizit inhärente Bedeutungsebene gegenüber. An dieser Stelle soll erneut darauf hingewiesen werden, dass eine Kontextualisierung o.g. Mechaniken und Spielvorgänge, die für viele Zwölfjährige äußerst komplex zu bewältigen sein dürften, im Zuge des Spielens als äußerst sinnvoll erscheint. Es ergeben sich hierbei insbesondere für formelle Lernarrangements Chancen, eine oft durch das Spiel evozierte Wissbegierigkeit bzw. Lernmotivation im weiteren Sinne (Dussarps 2020, 20f.) zu nutzen, um intermedial in etwa geschichtskulturelle Lerndimensionen zu eröffnen und die in Grundzügen im Game implementierten historisierenden Rückgriffe aufzugreifen.

 

Literatur

Dussarps, Clément: Le jeu vidéo médiateur de savoirs en histoire: l’exemple de Crusader King 2 et Europa Universalis 4. In: Sciences du jeu 13 (2020). S. 1–27. Hier online abrufbar.

Houghton, Robert: It’s What You Do With It That Counts: Factual accuracy and mechanical accuracy in Crusader Kings II. (Abruf: 30.09.2014). Hier online abrufbar.

Titel: Crusader Kings III
Plattformen: Mac OS, Microsoft Windows (PC), Microsoft Xbox Series s/x, Microsoft Xbox One
USK: 12 Jahre
Entwicklungsstudio: Paradox Interactive
Erscheinungsjahr: 2020
Altersempfehlung Redaktion: 16 Jahre
Paradox Interactive: Crusader Kings III