Inhalt

Die Geschichte um Davids Dilemma ist in den 1980er Jahren in Schweden angesiedelt. Der Protagonist und Ich-Erzähler wächst in einer jüdischen Familie auf, die aber nicht religiös ist. Darum weiß in der Schule auch niemand, dass er Jude ist. Er ist eher zurückgezogen und hat nur wenige Freunde - die engste Beziehung pflegt er zu einem Außenseiter namens Micke. Von seiner heimlichen Verliebtheit in die links-politisch engagierte Maja, deren Markenzeichen ein Palästinensertuch ist, weiß auch niemand etwas. Als er eines Tages einen jüdischen Feiertag vorschiebt, um den Sportunterricht schwänzen zu können, wird durch eine latent rücksichtslos agierende Lehrerin bekannt, dass er Jude ist. Das ist das handlungsauslösende Moment für Davids titelgebendes Dilemma. Er gerät unfreiwillig zwischen die Fronten, die Neonazis und Palästinenseranhänger*innen gegeneinander aufbauen, die alle ihre eigenen Zwecke verfolgen.. Im Grunde interessieren ihn selbst die politischen Motive beider Gruppen kaum. Er ist vor allem auf Maja aus, schläft aber zunächst nur halb freiwillig mit der "Dicken Cissi", die sehr verliebt in David ist. Doch damit nicht genug der halbgaren Entscheidungen, die David trifft. Um Maja und die Aktivist*innen zu beeindrucken, beginnt er sich wie ein orthodoxer Jude zu kleiden, auf der anderen Seite lässt er sich von Neonazis instrumentalisieren, die damit drohen, ihm und seiner Familie Gewalt anzutun, wenn er nicht mitspielt. Sie wollen ihn als Juden präsentieren, der sich gegen die Einwander*innen stellt: "Deshalb ist es an uns, dem Volk die Wahrheit zu zeigen, damit sie begreifen, dass die Einwanderer keine Opfer sind, sondern Täter. Und dass es schon so weit gekommen ist, dass der Jude uns bittet, ihn zu beschützen," (S. 197) argumentiert die Nationalsozialistin Eva auf einer öffentlichen Veranstaltung.

Nun agiert David zunehmend planlos zwischen den Fronten und es kommt zu "eine[r] unglückliche[n] Verkettung nicht ganz so weiser Entscheidungen" (so der Untertitel des Romans). David verleugnet seinen Freund Micke, der brutal von Nazis zusammengeschlagen wird, und am Ende stecken die Neonazis das Haus von Davids Familie in Brand, die Polizei kann nicht helfen, und Eltern und Kinder müssen erst die Stadt verlassen, dann das Land. Schließlich wandern sie nach Israel aus ...

Kritik

... so ist das Dilemma perfekt. Der Jugendroman lebt von seiner mitreißenden Spannungsstruktur, die den Text zu einem wahren Pageturner macht. Die Handlung basiert auf einer wahren Begebenheit, ist hier aber sicherlich überspitzt dargestellt, zumal es unglaubwürdig erscheint, dass Davids Doppelidentität, die er den verschiedenen Gruppierungen gegenüber einnimmt, nicht eher auffliegt. Durch den Blick ins Innere von David, den der Text einem durch die interne Fokalisierung gewährt, fühlt man als Leser*in die dilemmatische Verstrickung seiner zahlreichen Fehlentscheidungen aber fast schmerzhaft mit, die er ganz offen darlegt und reflektiert (hier in Bezug auf seinen Verrat am Freund Micke):

Und dann begann ich mit dem Versuch, mich gut darzustellen, von Mickes seltsamen kleinen Eigenheiten zu erzählen, von seinen Fantasien über verheiratete Frauen und den lächerlichen Lügen, die er erfand, um cool zu wirken. Je mehr ich redete, desto mehr fühlte ich mich wie Judas, der Jesus für dreißig Silberlinge verkaufte, oder wie Brutus, als er das Messer in Caesar rammte. (S. 142)

Wattin gelingt es, diese aus jugendlicher Sicht erzählte Dilemma-Geschichte mit komischen Elementen zu verbinden, die sich aus ironisch-lustigen Beschreibungen von Details und Einzelheiten speisen, etwa wenn es heißt, in der Schule gebe es "einen Berufsberater, dessen einzige Aufgabe zu sein schien, uns zu erzählen, wie langweilig und sinnlos alle Jobs waren. Und einen Berater, mit dem man reden konnte, wenn man nicht in den Unterricht wollte." (S. 151)

Auf der anderen Seite ist die Geschichte erschütternd und bitter, sie erzählt von Antisemitismus in den 1980er Jahren in Schweden und brutal agierenden Neonazis, die David und seine Familie schließlich so stark bedrohen, dass sie die Stadt verlassen muss, bedient sich aber stellenweise antijudaistischer Klischees, wie das obige Zitat zeigt. So leistet der spannende Jugendroman einen Teil an politischer Aufklärung, wenngleich, zum Beispiel in Bezug auf die Diskriminierung der "Dicken Cissi" aufgrund ihres Übergewichts, auch klischeebildende Muster fortgeschrieben werden (allerdings erweist sich Cissi am Ende auch als einzig stabile Freundin Davids).

Fazit

Ein aufwühlender, spannender und lesenswerter Jugendroman, der schwere Themen mit komischen und satirischen Elementen zu verbinden weiß. Er ist empfehlenswert für Jugendliche ab 14 Jahren und ist wegen der dynamischen Handlungsstränge auch relativ leicht lesbar.

Autor/-in:
  • Name: Danny Wattin
Originalsprache: Schwedisch
Originaltitel: David den mindre vises protokoll
Übersetzung:
  • Name: Susanne Dahmann
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2024
Verlag: Loewe
ISBN-13: 978-3-7432-1655-6
Seitenzahl: 288
Preis: 14,95
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Wattin, Danny: Davids Dilemma