• Dita Zipfel und Bea Davies: Brummps. Sie nannten ihn Ameise
    Carl Hanser Verlag, München, 2022
    136 Seiten – 15,00 € – ab 8 Jahren

Jonny passt aufgrund seiner Größe nicht durch die Gänge des Ameisenhügels, ist zu schwach und gleichzeitig zu dick für eine Ameise und mag keinen Läusesaft. Er leidet sichtlich unter seiner Andersartigkeit und bemüht sich umso mehr, alles richtig zu machen - mit fatalen Folgen. Im Waaf, das ist der Übergang zwischen Wachsein und Schlaf, findet er Zuflucht. Der Waaf wird zur Fantasiewelt, in denen Jonny alle Sorgen, seine Selbstzweifel und die innere Zerrissenheit hinter sich lassen kann. Doch leider hält dieser Zustand nie dauerhaft an. Im Hier und Jetzt quälen ihn außerdem Cheffe und die anderen Bossis, auf die er mit seiner Gutgläubigkeit wiederholt hereinfällt. Als Jonnys Körper auf unerklärliche Weise zu brummen beginnt und bei ihm die hochansteckende Krankheit Brummps diagnostiziert wird, lässt er sich erneut von ihnen täuschen. Schweren Herzens verlässt er den Hügel und damit auch Butz, seine einzige, ihm treue Freundin. Noch ahnt Jonny nicht, dass er sich damit auf den Weg zu seiner wahren Identität begibt.

Erzählungen mit ähnlichem Plot gibt es bereits, dennoch ist die Umsetzung in dieser Form dank innovativer Aspekte hervorragend gelungen. Allen voran sei die Erzählinstanz genannt, die sich selbst mehrfach geheimnisvoll beschreibt. "Also ich, ich schlafe ja nicht. Nie." (S. 14) "Ich bin der Stein und ich bin die Assel. Gleichzeitig. Ich bin der Pilz und tausend Tonnen Humus. Ich bin groß und unsichtbar, ich bin stumm und zwitschere. Ich bin nicht zu fassen, aber wenn du die Augen zumachst, kannst du mich fühlen, ganz sicher." (S. 27) Allwissend, mitunter fast schon überheblich und stolz, dann wieder frech und gefühlvoll, ist die Erzählinstanz auf beinahe tragische Weise in ihrer eigenen Beobachterrolle gefangen und wird neben Jonny und Butz zu einer wichtigen Figur. Indem sie sich selbst erklärend die Lesenden direkt anspricht, eignet sich das Buch im Sinne der Lehrpläne von Klassenstufe 5 und 6 besonders gut zur Auseinandersetzung über Fiktionalität. "Woher ich das alles weiß, willst du wissen? Ist gut, ich erklär’s dir." (S. 27)

Die Bilder mit auffallend reduzierter Farbgebung in rot, blau-schwarz und weiß visualisieren eindrucksvoll die Stimmung und Situation der Protagonisten. Es ist der Illustratorin Bea Davies und allen weiteren Mitwirkenden gelungen, Text und Bild überzeugend aufeinander abzustimmen. Mittels comicartiger Elemente unterstreichen die Illustrationen den humorvollen Charakter der Erzählung.

Die sprachliche Virtuosität wird in den zahlreichen Dialogen, klanghaften Wortneuschöpfungen und bildhaften Vergleichen sichtbar. Der Text irritiert mit einer Mischung aus saloppem Umgangston und poetischen Passagen. Form und Inhalt gehen somit Hand in Hand, denn das Buch ist keine einfache Lektüre, es stellt durchaus Anforderungen an die Lesenden, die mit Leerstellen zur eigenständigen Interpretation herausgefordert werden. Damit verbunden ist die Frage nach der Altersempfehlung. Sicherlich bietet es sich als gemeinsames Vorleseerlebnis von Eltern und Kindern ab 8 Jahren an und kann insbesondere im schulischen Kontext bis ins frühe Jugendalter hinein Verwendung finden.

Autorin und Illustratorin

Dita Zipfel schreibt Kinderbücher, Theaterstücke und Drehbücher. 2019 erschien ihr Jugendbuch Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte im Hanser Verlag, das u.a. 2020 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde.

Bea Davies arbeitet als freie Illustratorin und Comiczeichnerin für Zeitschriften und Buchverlage. Sie studierte Illustration und Visuelle Kommunikation an der School of Visual Arts of New York und an der Weißensee Kunsthochschule in Berlin. Brummps ist ihr erstes Kinderbuch.

[Quelle: Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien (AJuM) der GEW]