Erstmals in der bald 40-jährigen Geschichte des Luchs-Preises haben wir als Jury entschieden, gleich zwei Bücher mit dem Jahres-Luchs auszuzeichnen. Nicht etwa, weil wir uns nicht auf einen Gewinner einigen konnten, sondern weil die Bücher etwas eint und sie sich aufs Beste ergänzen: Michèle Fischels und Eva Rottmann erzählen beide auf bemerkenswerte Art für Jugendliche und von Jugendlichen – die eine in Bildern, die andere in Texten. Jeder gelingt es auf ihre Art, die Intensität dieses Lebensabschnitts einzufangen, die Ängste und Sehnsüchte von Heranwachsenden ernst zu nehmen, ohne dabei die Leichtigkeit zu verlieren. Zwei Bücher, die einfühlsam, zärtlich und berührend zeigen, was es bedeutet, erwachsen zu werden. Fischels und Rottmann bauen beide Brücken in diese oft seltsam anmutende und überfordernde Welt. Sie ermutigen ohne zu schönen, geben Ängsten genauso viel Raum wie der Zuversicht – und tarieren all das gekonnt mit Humor aus.
Fischels Comic fängt von der ersten Seite an das Gefühl von Aufbruch und Abschied ein, diesen Schwebzustands des Dazwischen, der so köstlich wie angsteinflößend ist. Fischels treibt die Handlung über knappe Dialoge voran, es findet sich kein einziger gestelzter Dialog, kein aufgesetzter Erklärsatz. Streckenweise erzählt sie auch ganz ohne Worte und schafft Bilder von ungeheurem Sog und einer jugendlichen Leidenschaft – bemerkenswert, dass diese Arbeit ein Debüt ist! Dass sie in ihren Zeichnungen oft mehr andeutet, als auszumalen, passt nicht nur perfekt zum Titel Outline, also Skizze, Entwurf, sondern ist zugleich eine Einladung an jede und jeden, sich selbst in die Handlung hineinzuspiegeln.
Auch Eva Rottmanns Texte leben von einer großen Nähe zu den Leserinnen und Lesern. Schon mit dem Buchtitel Fucking fucking schön setzt die Autorin den Ton, den sie über die mehr als 150 Seiten konsequent durchhält: lässig und rotzig und direkt, als habe Rottmann ihn ihren jugendlichen Figuren abgelauscht. Sie beleuchtet in den Kurzgeschichten die facettenreiche Gefühlspalette, ihre Charaktere wachsen einem unmittelbar ans Herz, vermutlich auch deshalb, weil sie keine Vorbilder sind. Sie machen Fehler, verletzen andere, belügen und verraten sich selbst. Dieses "Aufklärungs-Buch", das eben keine plumpen Ratschläge gibt, wünscht man jedem Teenager, dazu ist es in seiner innovativen Erzählform ein echter Solitär. In einem Jahr, in dem so viel und so befremdlich über Jugendliche gesprochen wurde – Alle rechts? Alle depressiv? Alle faul? – kann man sich als Gegenpol keine besseren Bücher als Outline und Fucking fucking schön wünschen.
Der LUCHS-Preis
Radio Bremen und DIE ZEIT stellen alle vier Wochen ein Kinder- oder Jugendbuch vor, das aus dem Gros der Neuerscheinungen herausragt und vergeben den LUCHS-Preis für Kinder- oder Jugendliteratur. Aus den zwölf Monatspreisträgern wird der Jahres-LUCHS gekürt.
Zur Jury gehören die Übersetzerin Brigitte Jakobeit, Benno Hennig von Lange vom Jungen Literaturhaus Frankfurt, die Radio Bremen-Redakteurin Ziphora Robina und Autor und Philosoph Jörg Bernardy. Den Vorsitz hat Katrin Hörnlein, die bei der "Zeit" das Ressort Junge Leser und die Kinder- und Jugendliteratur verantwortet.
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[Quelle: Pressemitteilung]