Inhalt

Die Geschwister Hannes und Tammi hecken zwar in ihren Banden Pläne gegeneinander aus, doch ansonsten halten die beiden zusammen. Tammis Lieblingsbuch, das Hannes ihr immer vorliest, ist das der Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn.

Als Hannes und seine Freunde Nino und Leon eines Tages auf dem Spielplatz im Rutschenturm sitzen, bemerkt Hannes einen Jungen, der auf dem Spielhäuschen sitzt und in ein Buch vertieft ist.

Kurz darauf fährt ein Auto mit lautem Knallen am Spielplatz vorbei. Da sieht Hannes den Jungen, den er wegen seiner Jacke mit den Vögeln drauf, den 'Vogeljungen' nennt, mit zugehaltenen Ohren im Sand neben dem Spielhäuschen hocken. Plötzlich nimmt er sein Buch und reißt die Seiten heraus. Wie sich später herausstellt, ist es die Geschichte von Tom und Huck. Es enthält jedoch fremde Buchstaben und Zeichnungen, der Junge hat es mit Bildern vollgemalt. Brücken, die im Wasser enden, Schwalben in jedem Bild und Inseln aus Buchstaben.

Am nächsten Tag sieht Hannes den Jungen mit der Glitzerjacke am Schulzaun stehen. Auf die Frage, was er dort mache, antwortet dieser nur "Schuuhle" (S. 30) und gibt Hannes ein Gruselauge. Dieser hat seins, welches er für das jährlich stattfindende Gruselkabinett mitgebracht hat, verloren. Später stellt Leon jedoch fest, dass sein Gruselauge fehlt, woraufhin Hannes den Vogeljungen für einen Dieb hält.

Hannes und Tammi beschließen deshalb, dem fremden Jungen zu folgen. Nach einiger Zeit bleibt dieser vor einem hellgelben Haus stehen und setzt sich davor. Bald darauf steht er auf, läuft zu einem Gemüseladen und stiehlt einen Apfel, was Hannes in seiner Meinung bestärkt, der Junge sei ein Dieb.

Als die Kinder am nächsten Tag weiter im Kabinett arbeiten wollen, finden sie ein Bild von einer Hexe und Salim, dessen Namen sie mittlerweile kennen, im Schrank. Daraufhin lassen sie ihn Bilder für das Kabinett malen und versuchen sich mit ihm zu unterhalten, doch er nickt nur oder sagt fremde Wörter wie "Mayada" (S. 65) oder "Shukran" (S. 78)

In der folgenden Woche kommt Salim nicht zur Schule. Hannes und Tammi gehen deswegen zu dem Haus, vor dem Salim während der Verfolgung stehen geblieben war. Dort treffen sie Julian, Hannes‘ Klassenkameraden. Er erzählt, dass in dem Haus nur "Problemkinder […] deren Eltern sie nicht mehr wollten“ wohnen oder „solche […] die in ihrem eigenen Land keiner mehr haben wollte." (S. 91)

Später, in der Schule verkündet der Lehrer die Nachricht es sei in das Kabinett eingebrochen worden. Als Hannes und die anderen daraufhin alles noch einmal durchgehen, finden sie heraus, wer der wahre Täter ist, was es mit dem hellgelben Haus auf sich hat und wo Salim ist.

Kritik

Mein Freund Salim ist eines der Kinder- und Jugendbücher, welche aktuelle, wichtige Themen aufgreifen und sie in einer spannenden Geschichte verpackt an Kinder und Jugendliche vermitteln. Marmon beschreibt ihr Buch um Salims Reise als eine der "Geschichten, die man erst einmal hervorlocken muss." (S. 157) Den Lesern wird in diesem Roman, welcher Marmons einziger zum Thema ist, die Flüchtlingsthematik näher gebracht. Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile machen eine zusammenhaltende Gesellschaft unmöglich. Auf diesen Umstand, und auf den, dass jeder zu uns Kommende seine eigenen Geschichte, Wünsche und Ziele hat, macht Marmons Roman aufmerksam.

Aus der Perspektive des neugierigen, unvoreingenommenen Jungen Hannes wird eine traurige Abenteuergeschichte erzählt. Im Unterschied zu anderen Werken, welche Geschichten von Menschen mit Fluchterfahrung erzählen, wie zum Beispiel Im Meer schwimmen Krokodile oder Der Russe ist einer, der Birken liebt oder, auch aus der Kinder- und Jugendliteratur, Neben mir ist noch Platz von Paul Maar, ist hier nicht der Flüchtling selbst der Erzähler. Es ist ein noch Außenstehender oder ein Freund des Flüchtlings, welcher die Ereignisse aus unwissenden Augen betrachtet und beschreibt, sowie auf die durch kulturelle und sprachliche Unterschiede entstandenen Konflikte eingeht.

Außerdem schafft Marmon eine positive Atmosphäre, wogegen ähnliche Werke die Thematik in ihrer Tragik noch sachlicher und düsterer erzählen. Auch deswegen ist Mein Freund Salim für Kinder und Jugendliche zur Heranführung an das Thema gut geeignet. Da es sich um eine aus der Ich-Erzählperspektive geschriebene Geschichte handelt, kennt der Leser nur die Gedanken der Figur Hannes. Trotz fehlender Innensicht gibt es im Text zahlreiche Hinweise auf Salims tragische Situation, wie zum Beispiel eine zu kleine 'Mädchenjacke', eine dürre Gestalt, sowie Angstzustände und ein unerklärliches Verhalten. Welche Missverständnisse, zum Beispiel über die Situation der Geflüchteten entstehen können, wird in der bereits erwähnten Szene klar, in der Kinder wie Salim als "Problemkinder[…], welche niemand mehr haben wolle" (S. 91), bezeichnet werden.

Doch als Salim den Nachmittag mit den anderen Kindern verbringt und seine Ängste und Sorgen kurz hinter sich lassen kann, lacht er: "Ich mochte es, wenn Salim lachte. Weil es so ein besonderes Lachen war." (S. 78)

Die Offenheit und Wärme, welche die anderen Kinder Salim vermitteln, geben ihm kurzzeitig das Gefühl von Heimat. Außerdem zeigt die Situation Salim als einen ganz normalen Jungen, der bloß versucht glücklich zu sein.

Hannes und die anderen Kinder sind nach anfänglichem Misstrauen, Salim gegenüber sehr verständnisvoll und nennen ihn, trotz fehlender Sprachkenntnis und daraus resultierender, oberflächlicheren Kommunikationsfähigkeit, ihren Freund. Die Verständigung gelingt durch Zeichnungen, das Herantasten an die jeweils fremde Sprache und einige englische Passagen, außerdem durch die Empathie von Tammi. Die sich entwickelnde Verbindung und das zu spürende Vertrauen bringen Salim zum Ende des Romans dazu, den anderen seine Geschichte und Reise zu offenbaren.

Den Kindern wird klar, was Salims zunächst unverständliche Zeichnungen bedeuten. Er malt sich seine eigene Welt auf Buchseiten, Papierbögen oder an Bootswände, um die erlebten Schicksalsschläge zu verarbeiten. Die Zeichnungen stellen Salims Eindrücke auf seine Art und Weise dar, welche er in seine Lieblingsgeschichte, die von Tom und Huck, einbaut. Dabei fungiert der tapfere, Abenteuer erlebende Huckleberry Finn als Vorbild für Salim, und in Hannes sieht er dessen treuen Begleiter, Tom Sawyer. Durch seine Zeichnungen schafft er sich einen Weg in ihre Welt und mischt sie mit seiner eigenen, um selbst ein tapferer Held zu werden.

Der Roman bringt den Lesern Menschen mit Fluchterfahrung und ihre Geschichten näher, macht sie verständlich und sympathisch. Kinder bekommen erste Eindrücke und Denkanstöße, um offen auf Neues und Fremdes zugehen zu können. Außerdem können sie sich durch den gleichaltrigen Erzähler (Hannes) gut in die Erzählung hineinfühlen und -denken. Aber nicht nur sie sind Zielgruppe des Romans; jugendliche Leser können die Thematik und die Situation reflektieren und auf ihr Verhalten und ihre Einstellung adaptieren. Die Geschichte um Salims Abenteuer ist keine bloß unterhaltende Geschichte, sondern eine, wie sie in vielen verschiedenen Variationen erlebt und vielleicht auch gezeichnet wurde…

Fazit

Der spannend geschriebene Roman Mein Freund Salim fesselt diejenigen Kinder, Jugendlichen und Erwachsene, welche sich für aktuelle Themen interessieren, sowie für verschiedene Sichtweisen auf diese. Er bietet allen Altersklassen durch seine sympathischen Figuren, die durch die Kinderaugen reflektierten Ereignisse und die positive Atmosphäre in einer eigentlich tragischen Geschichte eine neue Art des Lesegenusses.

Titel: Mein Freund Salim
Autor/-in:
  • Name: Marmon, Uticha
Erscheinungsort: Bamberg
Erscheinungsjahr: 2016
Verlag: Magellan
ISBN-13: 978-3-7348-4010-4
Seitenzahl: 155
Preis: 13,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Marmon, Uticha: Mein Freund Salim