Inhalt

Die drei Brüder Mojtaba, Masoud und Milad haben eine unbeschwerte Kindheit, spielen gerne auf der Farm eines Bekannten, mit Schulfreunden oder miteinander und sind fleißige Schüler. Ihre Mutter führt hingegen kein unbeschwertes Leben. Sie und ihr Mann engagieren sich, neben ihrem Beruf als Lehrer, für Demonstrationen, Flugblattaktionen und Aufklärung über das Regime und die patriarchale Gesellschaftsstruktur im Iran. 

Als sie jedoch von einer ehemaligen, inhaftierten Schülerin verraten wird, verlässt sie nachts mit ihren Söhnen das Haus und taucht mit ihnen bei Bekannten unter. Die Brüder beginnen sich um die Mutter zu sorgen, wollen Hilfe suchen und wieder nach Hause. Als sie ihnen dann von der geplanten Flucht nach Deutschland erzählt, reagieren die Jungen empört.

In Deutschland angekommen leben sie jahrelang ohne Freunde und Verwandte in einer Asylunterkunft, bis sie eines Tages ihre erste eigene Wohnung zugeteilt bekommen. Das Leben der Familie ist nun geprägt von der Angst vor der Abschiebung, sowie dem Hoffen auf eine dauerhafte Aufenthaltsbescheinigung und der damit einhergehenden zweiten Chance auf ein glückliches Leben. Außerdem gibt es Spannungen durch die Besuche des mittlerweile ebenfalls in Deutschland lebenden Vaters, denn die Mutter trennt sich von ihm, da er ihre neue Lebensweise nicht akzeptieren kann und es immer wieder zum Streit kommt.

Die häufigen Behördengänge und der Kampf um die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis enden mit dem bewilligten Asylantrag des Vaters, der dank eines Beschlusses auch den Brüdern und der Mutter Asyl gewährt.

Die drei Brüder entwickeln sich im Laufe der Zeit von unglücklichen, in sich gekehrten Flüchtlingskindern zu selbstbewussten, gesellschaftskritischen Elite-Studenten. Deutschland ist am Ende ihre neue Heimat geworden und sie blicken kritisch auf ihr Herkunftsland Iran und die dort herrschenden Zustände.

Kritik

Unerwünscht erzählt eine Geschichte, wie sie viele Menschen erleben. Die Brüder, die zugleich die Autoren des autobiographischen Romans sind, geben das Erlebte aus der Ich-Perspektive abwechselnd wieder, sodass die Lesenden durch die multiperspektivische Anlage noch tiefer in die Geschehnisse eintauchen können. Auch wird dadurch deutlich, welchen Ereignissen welcher Bruder Relevanz zuspricht und auch persönliche, individuelle Erlebnisse werden geschildert. So berichtet der jüngste Bruder vom Seifenkistenbauen und der damit verbundenen Freude auf das Rennen, während dem ältesten Bruder die Lage der Mutter zu denken gibt.

Die Familie flieht 1996 aus dem Iran und immigriert im selben Jahr nach Deutschland. Der Kampf um die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis dauert 12 Jahre. Erst 2008 wird ihnen endgültig Asyl in ihrer neuen Heimat gewährt. Weitere sieben Jahre später beginnt die sogenannte 'Flüchtlingswelle' In Europa. Der Roman erscheint 2012, im Kontext einer vermehrten Migration, gerade von Menschen aus islamischen Ländern, nach Deutschland.

Der Roman trägt zudem zur Aufklärung über die Situation von Asylbewerbern in Deutschland bei, legt ihre Ängste und Sorgen, aber auch ihre Wünsche, offen. So werden an einigen Stellen Behördengänge beschrieben, an anderen die Anweisungen in das Heimatland zurückzukehren und die Folgen der psychischen Belastung, unter anderem anhand eines Suizidversuchs der Mutter. Aber auch die Motivation Arbeit zu finden und auf das Gymnasium zu wechseln, werden thematisiert. Beim Lesen der Geschichte, werden kulturelle Unterschiede bezüglich des Auftretens von Männern und Frauen in der Öffentlichkeit, Wohlstand, Religion und Politik, gesellschaftliche Hierarchien, sowie Sprache, Herkunft, Heimat und Fremdheit deutlich thematisiert.

Es ergeben sich beispielsweise Probleme aus dem unterschiedlichen Umgang mit Nacktheit. Diese ist im Iran außerhalb des eigenen Hauses und somit vor Fremden zu vermeiden, weswegen die drei Brüder mit den Gemeinschaftsduschen im Asylantenheim überfordert sind und sich nachts zum Duschen raus schleichen.

Auch spricht einer der Brüder beim Verlassen des Herkunftslandes davon, dass sie nun "Fremde ohne Heimat" (S. 57) seien. Am Ende des Romans jedoch, als die Großmutter von Heirat im Iran spricht, denkt sich einer der Brüder, dass er nie wieder in den Iran zurückkehren oder dort heiraten wird, sondern in Deutschland seine neue Heimat gefunden hat. Auch die Spracherfahrung der drei Brüder, die am Anfang zur Ausgrenzung führt, verstärkt schließlich das Heimatgefühl. Bei den anfänglichen Behördengängen fühlte sich die Familie wie ein bearbeiteter Gegenstand, passiv und wehrlos, doch mit der Zeit wird die Sprache zur Integrationshilfe und wichtigem Bestandteil im Freundeskreis oder auch im Studium und der Arbeit.

Anfangs kommt es für die Familie zum Beispiel aufgrund von gebrauchten Klamotten, einer schäbigen, kleinen Wohnung oder der versehentlichen Kränkung anderer zu unangenehmen Situationen. Der Familie geht es trotz aller Unterdrückung und Verboten darum, ihre Würde und die der anderen zu bewahren.

Die Säkularität in ihrem neuen Heimatland ist für die Familie von Anfang an ein positiver Aspekt, da die Religion keine große Rolle mehr in ihrem alltäglichen Leben spielt. Dem gegenüber stellt die Behandlung und Einschränkung durch die Behörden eine Herausforderung für die Familie dar. Die kritische Schilderung der Arbeit eben dieser lässt den Lesenden empört zurück.

Unerwünscht ist daher als gesellschaftskritischer, aufklärender, aber auch Mut machender Roman zu verstehen. Er verschafft einen Einblick in das Leben der Asylsuchenden und rüttelt den Lesenden wach. Er sensibilisiert ihn, die Umstände von beiden Seiten zu betrachten, macht aber auch denjenigen Mut, die sich in einer ähnlichen Lage befinden und versuchen unter den beschrieben Umständen eine neue Heimat in Deutschland zu finden oder zu erkämpfen. Aber auch aus literarischer Hinsicht ist der Roman ein gelungenes Werk, da die Szenen mit ästhetischen Beschreibungen, wie etwa die der Farm im Iran oder der Kindheit der Jungen, ausgeschmückt sind. So findet sich dort eine literarisch-ästhetische Passage zur Kindheit der drei Brüder:

Milad war gerade mit Leuchten an der Reihe gewesen. Dazu hatte er sich auf die breite Fensterbank am hinteren Ende des Wohnzimmers gesetzt, seine Füße auf der Heizung unterhalb der Fensterbank abgestützt und den Lichtkegel der Taschenlampe auf die gegenüberliegende Wand geworfen. Masoud und ich mussten den Kreis fangen, während Milad ihn tanzen ließ. Die Kunst bestand darin, Milads Bewegung vorauszuahnen und blitzschnell mit der Hand auf den Kreis zu schlagen. Doch das gelang uns recht selten. Milad hatte einen Riesenspaß, wenn wir danebenhauten. Er war zwei Jahre jünger als wir, aber konnte uns bei diesem Spiel so lange hin und her laufen und hüpfen lassen, bis wir völlig außer Atem auf dem Boden lagen. Dieser Anblick brachte ihn jedes Mal so zum Lachen, dass seine Apfelbäckchen erröteten und seine hellen Augen tränten. (S. 16)

Es handelt sich nicht um einen rein dokumentierenden, sondern um einen dokumentierend-erzählerischen Stil, durch welchen der Romancharakter entsteht. Jedoch liegt der Fokus auf der biographischen Ebene.

Fazit

Die Geschichte der drei Brüder ist eine Geschichte über das Kämpfen gegen die Angst vor dem Fremden, gegen die Behörden und für ein glückliches, freies Leben, zudem eine Geschichte über den Wunsch dazuzugehören, aber auch über den starken Zusammenhalt einer Familie. Es ist die Schilderung eines individuellen Schicksals und zugleich eine Darstellung vieler, ähnlich tragischer Geschichten. Die von den Autoren empfohlene Altersbeschränkung liegt bei 12 Jahren.

Titel: Unerwünscht. Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte
Autor/-in:
  • Name: Sadinam, Mojtaba
  • Name: Sadinam, Masoud
  • Name: Sadinam, Milad
Erscheinungsort: Berlin
Erscheinungsjahr: 2012, 2. Aufl.
Verlag: Bloomsbury Verlag GmbH,
ISBN-13: 978-3-8270-1079-7
Seitenzahl: 256
Preis: 16,99 €
Altersempfehlung Redaktion: 16 Jahre
Sadinam, Mojtaba; Sadinam, Masoud; Sadinam, Milad: Unerwünscht. Drei Brüder aus dem Iran erzählen ihre deutsche Geschichte.