Inhalt

Der 14-jährige Jackson Crowler lebt mit seiner Familie in Ocean City. Diese auf dem Meer schwimmende, futuristische Stadt funktioniert durch eine ausgeklügelte Kreislaufwirtschaft gewissermaßen autark. Um das System aufrechtzuerhalten und die Metropole vor unerwünschter Einwanderung zu schützen, werden alle Bürgerinnen und Bürger über ein Bezahlsystem überwacht: Dessen Währung ist Zeit, die über Decoder am Handgelenk getrackt wird. Geht jemandem die Zeit aus, müssen Sozialstunden geleistet werden oder die betreffende Person wird auf das rückständige, gefährliche Festland abgeschoben.

Im ersten Teil werden Jackson und sein Freund Crockie auf dem Schulweg vom Geheimdienst verfolgt. Die Abteilung Z hat von ihrem Transponder-Bau mitbekommen, mit dem sie ihre Zeitkonten auf illegale Weise auffüllen wollten. Beim Versuch, ihren Verfolgern zu entkommen, wird Crockie angeschossen. Jackson geht vom Tod seines Freundes aus und flieht. Er schlussfolgert, dass Crockie das Gerät ohne sein Wissen an das Zeitkonten-Netz angeschlossen haben muss – nur weiß er nicht, wo. Für Jackson steht fest, dass er das Gerät vor der Abteilung Z finden muss.

Während seiner Suche lernt er Lou kennen, die Mitglied des illegalen Kommando Matt Fuller ist. Die Widerstandsgruppe fordert die Freigabe aller Zeitkonten. Als Jackson erfährt, dass sein Freund noch lebt und von der Abteilung Z gefangen gehalten wird, schließt er sich der Widerstandsgruppe an. Gemeinsam befreien sie Crockie und finden mit dessen Hilfe den Transponder. Anschließend tauchen sie unter und organisieren ein Boot, das sie ungesehen aus der City herausbringen soll.

Im zweiten Band wird die gefahrenreiche Suche nach Matt Fuller beschrieben, von dessen Unterstützung die Gruppe sich einen schlagkräftigen Widerstand verspricht. Auf dem Weg zum Festland treffen sie auf Bucks, der sich dort gut auskennt. Sie gehen einen Deal ein: Bucks hilft ihnen, Matt ausfindig zu machen. Dafür soll er einen gefälschten Decoder und damit Zugang zu Ocean City erhalten.

Parallel heuert Lydia Tremont, die Generalsekretärin der Zentralbank, den Kommissar Ambrose di Gallo an, der die Jugendlichen ausfindig machen und verhaften soll. Die Jugendlichen werden an Land von der Polizei, vom Warlord Aristide und von örtlichen Banden verfolgt und bedroht. Sie kommen in Berührung mit massiver Armut und Brutalität. Als die Gruppe Matt findet, geraten sie allesamt in die Hände von Aristide. Tremont unternimmt daraufhin den erfolglosen Versuch, die Gruppe freizukaufen. Dabei wechselt der Kommissar die Seite und beschließt, fortan gegen Tremont zu arbeiten. So kooperiert er mit den Jugendlichen und hilft ihnen dabei, unerkannt nach Ocean City zurückzukommen.

Zu Beginn des dritten Teils werden Jackson und Crockie mit Clark Kellington III., dem Haupteigentümer der City, bekannt gemacht. Es stellt sich heraus, dass er der Gruppe schon mehrfach inkognito begegnet ist und die jüngsten Ereignisse geplant und verantwortet hat. Er beobachtete und testete Jackson und Crockie über Jahre hinweg, um zu prüfen, ob einer von ihnen als sein Nachfolger taugt. Die Jungen sind schockiert von Kellingtons Gleichgültigkeit gegenüber möglichen Gefahren. Das Angebot, seine Nachfolge anzutreten, lehnen die zwei daher empört ab. Kellington akzeptiert die Entscheidung, lässt sie offiziell rehabilitieren und wieder zu ihren Familien zurückkehren. Parallel dazu lässt die Statik einzelner Gebäude in Ocean City nach. Es stellt sich heraus, dass es in der Stadt schwerwiegende Sicherheitsprobleme gibt, die Tremont zu vertuschen versucht.

Ein rechtliches Verfahren, zu dem Jackson als Zeuge vorgeladen wird, soll zur Aufklärung von Gebäudeeinstürzen beitragen. Gut vorbereitet kann er dort mithilfe seiner Freundinnen und Freunde Tremonts Vergehen offenlegen: Das Material, aus dem einzelne Module der City bestehen, hat Tremont mitentwickelt und patentieren lassen. Sie kennt deren Risiko, verdient jedoch an jeder Lieferung. Während der Verhandlung erklärt sich Jackson öffentlich dazu bereit, Kellingtons Nachfolge anzutreten. Noch bevor der Richter ein Urteil fällen kann, beginnt auch das Gerichtsgebäude einzustürzen und alle versuchen zu fliehen.

Drei Wochen später sitzen die Jugendlichen beim Radiosender der Stadt, wo Jackson bekannt gibt, die Führung von Ocean City nicht allein übernehmen zu wollen. Stattdessen möchte er ein demokratisches System mit Gewaltenteilung und Kontrollinstanzen einführen und den Geheimdienst abschaffen.

Schwerpunktanalyse

Die Trilogie wird nachfolgend zunächst hinsichtlich der enthaltenen Gesellschaftskritik mit Fokus auf die Rolle, die Zeit in der Dystopie spielt, analysiert. Anschließend wird herausgearbeitet, welchen Platz diskriminierende Sprache und Exotismus in der Reihe haben.

Zeit als gesellschaftskritisches Motiv

Die totalitären Strukturen, mit denen Jackson aufwächst, visualisieren die Relevanz von individueller Freiheit und demokratischer Gewaltenteilung. Die Ocean City Inc. ist nicht nur eine Stadt, sondern ein eingetragenes Unternehmen. Geführt wird sie vom Ältestenrat, vom Haupteigentümer der City, Clark Kellington III., und der Generalsekretärin der Zentralbank, Lydia Tremont. Weitere relevante Institutionen stellen auf Ebene der Exekutive die Polizei und der Geheimdienst Abteilung Z dar. Gewählte Regierungen gelten als nicht mehr zeitgemäß. Das Zeitkontensystem speichert sämtliche Warentransfers und Personenbewegungen und ermöglicht somit eine umfassende Überwachung aller Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Die Verbindung aus Zeit und Überwachung wird auf dem Cover des ersten Bandes in Form einer verblassten Brille visualisiert, deren Gläser aus Uhren bestehen (vgl. Acron, 2018, Bd. 1). Die zugehörige Person ist kaum erkennbar, steht jedoch wachend über allen anderen abgebildeten Personen und über der Stadt. Auch anhand der Untertitel des ersten und dritten Bandes wird deutlich, welche Relevanz das Zeitnarrativ für die Reihe besitzt: “Jede Sekunde zählt” und “Stunde der Wahrheit”. Die Nutzung von Zeit als Währung erinnert an den Film In Time – Deine Zeit läuft ab. Anders als im Film, in dem die Menschen sterben, sobald ihnen die Zeit abläuft, drohen in Ocean City Sanktionen. Zunächst gilt Zeit als fälschungssicher und unmanipulierbar, was sich im Laufe der Handlung als Irrtum herausstellt: Zeit suggeriert, eine klar definierte Einheit aus Sekunden, Minuten und Stunden zu sein. In Ocean City ist sie jedoch keine feste mathematische Größe mehr, sondern willkürlich abrufbar. So verfügt Tremont über mehr Zeit auf ihrem privaten Zeitkonto, als sie realistisch verleben kann (Acron, 2019, Bd. 3, S. 246). Sie kann unbegrenzt Decoder aufladen und hält damit eine der mächtigsten Positionen der Stadt inne.

Die Kritik am totalitären System, die über alle drei Teile hinweg vor allem in Bezug auf Überwachung und brutale Zugriffe des Geheimdienstes sichtbar wird, erfährt auf den letzten drei Seiten des dritten Teils ihren Höhepunkt. Dort verkündet Jackson, der die Nachfolge von Kellington III. und damit das Erbe der City antritt, kurz und prägnant seine Pläne: Seine Eigentumsanteile möchte er gleichsam unter allen Bürgerinnen und Bürgern aufteilen, den Geheimdienst auflösen, eine Machtkonzentration verhindern und entsprechende Kontrollinstanzen etablieren. Darüber hinaus soll den Menschen außerhalb der City geholfen werden. Er will ein demokratisches System mit gewählten Vertreterinnen und Vertretern etablieren. "Aber die Demokratien sind gescheitert. Sie haben die Umwelt zerstört und sie sind am eigenen Wohlstandsanspruch erstickt" (Acron, 2019, Bd. 3, S. 254), entgegnet die Radiomoderatorin, die Jackson interviewt. "So haben wir alle es in der Schule gelernt", antwortet Jackson, der motiviert ist, es nun besser zu machen (ebd.). Ob Zeit weiterhin die Währung von Ocean City bleiben soll, bleibt dabei offen.

In der Dystopie stehen Freundschaften und Vertrauen im Vordergrund. Verstrickt in die gefährlichen Abenteuer, die Jackson mit dem Kommando Matt Fuller erlebt, lässt sich jedoch immer wieder deutliche Gesellschaftskritik vernehmen. Die Führungsebene staatlicher Institutionen, die Regierung, der Geheimdienst und die subjektiv entscheidende Judikative verlieren jegliche Glaubwürdigkeit und Akzeptanz. Dabei verschwimmt die Grenze zwischen der städtischen Staatsform mit dem dahinterstehenden Unternehmen Ocean City Inc. Die Macht halten einige wenige Personen inne, die Transparenz und Mitbestimmung verhindern. Zeit wird dabei zum Mittel von Machtmissbrauch und Demokratiefeindlichkeit.

Diskriminierende Sprache & Exotismus

In Bezug auf Demokratie und Pluralismus fällt beim Lesen auf, dass die Darstellung von Vielfalt nicht ohne die Reproduktion diskriminierender Stereotype und Narrative auskommt, die unterschiedliche Diskriminierungsebenen betrifft und sich durch alle drei Bände hindurch zieht.

Auffallend ist beispielsweise die sexistische Abbildung von Mädchen und Frauen. Weibliche Charaktere werden wiederkehrend vor allem auf Basis ihres Aussehens, ihrer schönen Augen, Haare oder Blicke beschrieben. Als Lou erstmals auftaucht, wird sie als "klein, drahtig, sportlich" mit einem "wilden, dunklen Lockenkopf" beschrieben (Acron, 2018, Bd. 1, S. 74). Weiter heißt es: "Die Schuluniform perfekt sitzend. Makellose kakaobraune Haut, die immun gegen jeden Pickel zu sein schien" (ebd.). Samantha Bekham, die Assistentin von di Gallo, hat "eine samtweiche Stimme", ihr "Gesicht […] war sanft, makellos, seidige kakaobraune Haut, eine kleine Stupsnase […]" (Acron, 2018, Bd. 2, S. 86-87). Für di Gallo ist sie "im wahrsten Sinne atemberaubend. Atemberaubend schön" (ebd.). Eine weitere weibliche Figur, Megan Montgomery, wird folgendermaßen dargestellt: "Sie übte ihren Hüftschwung […]. In den vielen Spiegelflächen konnte sie kontrollieren, ob ihr Look perfekt war. Weniger als perfekt kam für ein Mädchen wie sie nicht infrage" (Acron, 2019, Bd. 3, S. 65). Aussehen und Stimme sind gleichzeitig bei der Beschreibung der männlichen Hauptfiguren weniger relevant. Lediglich di Gallo wird bezüglich seines Erscheinungsbildes durchgängig abwertend beschrieben, beispielsweise als "schwitzende[r] Koloss" (Acron, 2018, Bd. 2, S. 180). Sein Körperumfang und hohes Gewicht werden immer wieder betont und belustigend erwähnt: "Der dicke Ermittler räusperte sich" (ebd.). "Er quetschte seinen massigen Körper in einen der schmalen Stühle am Tisch" (ebd., S. 191). Jackson und Crockie hingegen werden eher auf Basis ihrer Charaktereigenschaften und Fähigkeiten beschrieben. So sind die beiden clever und mutig und kommen deshalb für Clark Kellington als potenzielle Nachfolger infrage: "Du hast etwas, was ich gesucht habe: Ideen, das Gespür für die richtigen Entscheidungen. Du bist zuverlässig, treu und letztlich zu allem bereit" (Acron, 2019, Bd. 3, S. 62). Hier stellt sich die Frage, weshalb keines der Mädchen, die während der Reise durch das Festland nicht weniger Mut und Intelligenz bewiesen haben, eine Chance auf die Nachfolgeposition erhalten (vgl. ebd., S. 76).

Weitere auftretende Diskriminierungen betreffen ethnische und kulturelle Stereotype, die besonders deshalb so unpassend erscheinen, weil es in der von R. T. Acron erschaffenen dystopischen Welt keine Nationen mehr gibt. Zwei Mitglieder der Widerstandsgruppe, Fjodor und Grischa, tragen russische Namen und sind ausgerechnet die "Jungs fürs Grobe" (Acron, 2018, Bd. 1, S. 204), von denen Lydia Tremont denkt, dass sie durch "irgendwelche illegalen Tricks" als "Späteinwanderer" nach Ocean City kamen (ebd., S. 256). Außerhalb der City kämpfen zwei Personen um das Festlandterritorium: der Warlord Aristide und Li Shenmi, die bei fast jeder Erwähnung attributiv als "die Chinesin" (vgl. bspw. Acron, 2018, Bd. 2, S. 77) bezeichnet wird. Auch bei dem Laboranten Dr. Wang, der erst im dritten Teil auftaucht, wird attributiv "Asiate" (Acron, 2019, Bd. 3, S. 189) verwendet. Wenn es keine Nationen mehr gibt, weshalb werden dann ausgerechnet diese beiden Charaktere als asiatisch markiert? Die wohl augenscheinlichste Diskriminierung, die besonders aufgrund der Neuheit der Trilogie irritiert, betrifft Rassismus gegenüber den Menschen vom Festland und unkritische Whiteness. Letztere meint, dass nicht-schwarze Haut als Norm betrachtet und entsprechend nicht benannt oder markiert werden müsse, während Schwarzsein als anders gesehen und entsprechend stets benannt wird (vgl. Albrecht, 2017, S. 232). In der Trilogie werden Hautfarben nur dann benannt, wenn sie von der vermeintlichen weißen Norm abweichen, wie in Bezug auf Lou und Samantha bereits deutlich wurde. Auch die Beschreibung von Bucks, der von der Widerstandsgruppe als Flüchtling auf dem Meer treibend gefunden wird, kommt nicht ohne Bezug auf seine Hautfarbe aus: "Der Junge steckte in zerfetzten Lumpen. Seine Haut glänzte tiefschwarz, die krausen Haare klebten an seinem Kopf" (Acron, 2018, Bd. 2, S. 47). Er kommt vom Kontinent, der an verschiedenen Stellen immer wieder als wild dargestellt wird: "In den staatenlosen Regionen kämpft jeder ums Überleben, das Recht des Stärkeren gilt, wenn man überhaupt noch von Recht sprechen kann" (Acron, 2018, Bd. 1, S. 203). Bei ihrer Ankunft auf dem Festland sehen die Jugendlichen „notdürftige Unterstände, in denen schmutzige Menschen in zerfetzten Klamotten schliefen, hockten, lauerten“ (Acron, 2018, Bd. 2, S. 81). Sklavenhändlern auf dem Festland wird nachgesagt, dass Blondinen dort Ausnahmen und daher besonders gefragte Sklavinnen seien (ebd., S. 143). Koloniale, an Haut- und Haarfarben geknüpfte Vorstellungen von (Un-)Zivilisiertheit werden hier deutlich. Im zweiten Teil geht es darum, wie die Gruppe aus sechs Personen wieder zurück in die City geschleust werden kann. Es gibt genau vier Anwerber und Anwerberinnen, die sich offiziell zur Immigration beworben und das Testverfahren bestanden haben, und einen Mentor. Der Plan ist es, sie verschwinden zu lassen und deren Identitäten zu stehlen, um so unerkannt zurückzukommen (ebd., S. 211-212). Deutlich steht bei der fehlenden sechsten Identität die Hautfarbe als Problem im Vordergrund: Die Fünf aus Ocean City, diejenigen, die das Testverfahren bestanden haben, und auch deren Mentor sind scheinbar weiß. Obwohl Lous Haut im ersten Band noch als "kakaobraun" (Acron, 2018, Bd. 1, S. 74) beschrieben wird, steht im dritten Teil lediglich Bucks aufgrund seiner Hautfarbe im Fokus. Ihm hatte Jackson versprochen, ihn auch in die City zu bringen: "Kontaktlinsen und Haarfarbe sind kein Problem" – "Und die Hautfarbe?" – "Müssten wir eben riskieren" (Acron, 2018, Bd. 2, S. 226-227). Sie riskieren es nicht und Bucks bleibt vorerst zurück.

Der Gegensatz der fortschrittlichen Stadt und der unzivilisierten, gefährlichen Wildnis, durch die die Figuren sich bewegen müssen, entspricht nach Alexander Pommer typischen Raummerkmalen dystopischer und post-apokalyptischer Jugendliteratur (Pommer, 2020, S. 17). Jedoch wird diese Ambivalenz durchweg in Form stereotyper Lebensweisen an Hautfarben gekoppelt. Einen solchen "stereotypisierende[n] und symbolische[n] Entwurf fremder Welten als ästhetische Gegenbilder der europäischen Moderne" bezeichnet Dirk Göttsche als "Exotismus" (Göttsche, 2017, S. 306). Er hält fest, dass postkoloniale Perspektiven zwar zunehmend an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig sei Exotismus jedoch weiterhin "in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur lebendig und eine Herausforderung postkolonialer Kritik" (ebd.). Das Narrativ von weißer Überlegenheit und vor allem auch das Kolonialnarrativ schwarzer Unzivilisiertheit wird in der Trilogie durchgehend reproduziert. Hierzu passt auch Jacksons Forderung, den Menschen auf dem Festland zu helfen (Acron, 2018, Bd. 2, S. 253). Anstatt Grenzen zu überwinden und Eigenständigkeit zu fördern oder auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, wird hier Entwicklungshilfe in Form von White Saviorism assoziiert. Ein solches weißes Rettertum bedeutet, "dass weiße Menschen sich in unterschiedlichen Kontexten dazu berufen fühlen, Menschen im globalen Süden ‘zu helfen’" (Arndt/ Belz/ Feldbein, 2021, S. 65). Die wohltätige Absicht präge dabei jedoch "das Bild vom unterentwickelten, hilflosen ‘Anderen’", also das Bild, "mit dem bereits der Kolonialismus gerechtfertigt wurde" (ebd.).

Populärrezeption

Rezipiert wird die Ocean City-Trilogie bislang vorrangig auf Kinder- und Jugendleseblogs. Positiv hervorgehoben wird dabei ausnahmslos die actiongeladene Spannung der Geschichte (vgl. Cronenberg, 2018 und 2019a; Hundertmorgenwald, 2018 und 2019; Lass mal lesen!, 2018). Vereinzelt werden die stereotypischen Charaktere und die oft unrealistischen Actionsequenzen kritisiert, die die Figuren meist unbeschadet überstehen (Cronenberg, 2018). Im zweiten Band wird vor allem der unübersichtliche Handlungsverlauf bemängelt (Cronenberg, 2019a & Hundertmorgenwald 2019). Außerdem werden die häufigen Szenenwechsel und das gestauchte Ende des letzten Bandes als verwirrend empfunden (Cronenberg, 2019b). Die Reihe wird auf den Blogs Jugendbuchtipps und Lass mal lesen! für 10- bis 14-Jährige empfohlen (Cronenberg, 2018 und 2019a; Lass mal lesen!, 2018).

Der erste Teil der Reihe, Ocean City – Jede Sekunde zählt, wurde 2018 mit dem Leipziger Lesekompass zum Schwerpunktthema Mut ausgezeichnet (Buchmarkt, 2018). Die Auswahl erfolgte aufgrund des hohen Unterhaltungsfaktors, sowie der unerschrockenen Romanfiguren, die sich gefährlichen und kniffligen Aufgaben stellen und unerwartete Freundschaften knüpfen (Börsenblatt, 2018).

Wissenschaftliche Rezeption

Die Trilogie wird in der fachdidaktischen Zeitschrift Praxis Deutsch als "eine der wenigen Dystopien für Kinder" und als "Genremix" beschrieben (Reidelshöfer, 2021, S. 14). Im literaturwissenschaftlichen Diskurs findet sie bislang keine konkrete Erwähnung, dennoch wird auch hier deutlich, dass der Übergang der Genres fließend ist: So hält Pommer für deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur fest, dass keine klare Trennung zwischen Postapokalypse und Dystopie vorgenommen werden könne (Pommer, 2020, S. 16-17). Vielmehr sei die in der Vergangenheit liegende Apokalypse gleichzeitig Zäsur und Grundlage zur Herausbildung einer neuen dystopischen Gesellschaftsform (ebd.). Für die Einordnung als Dystopie sprechen nach der Typologie von Schweikart (2014, S. 16) folgende Merkmale der Trilogie:

  • Kriege, die rücksichtslose Bereicherung Einzelner und Folgen der Klimakrise werden als Ursachen zur Herausbildung neuer Lebensweisen benannt.
  • Die technologisch fortschrittliche City wird beherrscht von einer Person, die sich als das personifizierte Böse entpuppt und ihre Macht durch exzessive Kontrolle sichert.
  • Vermeintlich gewöhnliche Jugendliche durchdringen das Übel und werden zu Heldinnen und Helden, die für individuelle Freiheit und demokratische Gleichberechtigung kämpfen.

Die Postapokalypse findet sich jedoch ebenfalls in der Erzählung zur Floating City, die nach einem Klimakollaps und dem Zusammenfall der Staaten mit weiteren autarken, schwimmenden Städten "wie Enklaven" (Pommer, 2020, S. 21) in der sie umgebenden Wildnis umhertreibt.

Nach Pommer gehe mit den dystopischen Zukunftsbildern, geprägt von Autorität, Kriegen, technologischen oder Umweltkatastrophen stets Kritik an gegenwärtigen Gesellschaftsformen und Ignoranz gegenüber potenziellen Gefahren einher (Pommer, 2020, S. 27). Ralf Schweikart wiederum grenzt neuere dystopische Kinder- und Jugendliteratur klar von klassischen Titeln wie Huxleys Schöne neue Welt oder Orwells 1984 ab, bei denen der gesellschaftspolitische Bezug im Vordergrund stehe (Schweikart, 2014, S. 17). Warum es zur Apokalypse kam und wie die jeweils neuen Formen des Zusammenlebens entstanden, werde nur in dem Maße dargestellt, wie es für das Leseverständnis relevant ist (ebd.). Gesellschaftskritik stehe eher im Hintergrund, während vor allem die Geschichte rund um die Hauptfiguren, ihr Erleben der Gefahr und ihre Emotionen fokussiert würden (ebd.). Ähnliches konstatiert Barbara Reidelshöfer für Ocean City. Sie hält fest, dass es "vordergründig eher um elementare Phänomene wie Freundschaft, Verrat und Zusammenhalt" (Reidelshöfer, 2021, S. 14) gehe. Der "schaurig-schöne Kitzel" (Schweikart, 2014, S. 15), der Apokalypsen und Dystopien für Kinder und Jugendliche so reizvoll macht, funktioniere nach Schweikart nur mit der Fiktivität eines "literarischen Gedankenspiels" (ebd.).

Dabei orientieren sich die Problembereiche der Lebenswelt von Jackson Crowler weniger an Fiktion als an realen Herausforderungen: Das System der totalitären Überwachung ist in Ocean City omnipräsent und auch der Grund für die Rebellion. Gesellschafts- und Systemkritik berührt in der Trilogie auch mangelndes Umweltbewusstsein, Folter und Mordbereitschaft von Geheimdiensten, sowie Bestechlichkeit in höchsten politischen und judikativen Rängen. Auch illegale Geschäfte mit Warlords, deren Macht durch Rohstofftausch mit der City und Abfallentsorgung in der Wüste aufrechterhalten wird, werden thematisiert. All diese Kritik verliert nicht durch die im Vordergrund stehende Erzählung rund um Vertrauen und Freundschaftsentwicklung, sondern viel eher im Kontext der diskriminierenden Stereotype und Exotisierung an Aussagekraft. Glaubwürdige Kritik an Abhängigkeiten und Verstrickungen zwischen der fortschrittlichen Stadt und der rückständigen Wüste, zwischen Tremont und Aristide kann gegenwärtig nur noch in Form von postkolonialen Erzählmustern erfolgen.

Bibliografie

Primärliteratur

  • Acron, R. T.: Ocean City, Bd. 1: Jede Sekunde zählt. München: dtv, 2018.
  • Acron, R. T.: Ocean City, Bd. 2: Im Versteck des Rebellen. München: dtv, 2018.
  • Acron, R. T.: Ocean City, Bd. 3: Stunde der Wahrheit. München: dtv, 2019.

Forschungsliteratur

  • Albrecht, Monika (2017): Whiteness. In: Handbuch Postkolonialismus und Literatur. Hrsg. von Dirk Göttsche, Axel Dunker und Gabriele Dürbeck. Stuttgart: Metzler, S. 232-234.
  • Arndt, Noomi / Belz, Susanne / Feldbein, Anna (2021): Antirassistische Bildungsarbeit. In: Bürger und Staat 1-2/2021: Rassismus – Geschichte, Spuren, Kontinuitäten. Hrsg. von Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. S. 58-65.
  • Göttsche, Dirk (2017): Gegenwartsliteratur. In: Handbuch Postkolonialismus und Literatur. Hrsg. von Dirk Göttsche, Axel Dunker und Gabriele Dürbeck. Stuttgart: Metzler, S. 297-312.
  • Pommer, Alexander (2020): Düstere Städte und gefährliche Wälder, Die Konzeption von Raum in dystopischen und postapokalyptischen Jugendromanen. In: kids+media, Zeitschrift für Kinder- und Jugendmedienforschung, 10. Jg., Heft 1/2020, S. 16-33.
  • Reidelshöfer, Barbara (2021): Ocean City – sieht so das Leben in der Zukunft aus? Eine Lesereise in eine dystopische Stadt der Zukunft. In: Praxis Deutsch, 48. Jg., Heft 287, S. 14-21.
  • Schweikart, Ralf (2014): Wenn die Welt in Schutt und Asche fällt. In: JuLit “Bis ans Ende der Zeit”, 40. Jg., Heft 1/2014, S. 14-21.

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