Inhalt
Die Begrüßungsfloskeln „Grüß Gott meine lieben Buben und Madeln”, „Grüß Gott Kinder” und „Grüß Gott alle miteinand’” bestätigen, dass das Format primär für Kinder konzipiert ist, sich aber durchaus auch an erwachsene (Mit-)zuschauende richtet. Inhaltlich zeugen die Episoden von einer großen thematischen Vielfalt. Einen Schwerpunkt stellen Trenkers Kindheit und Jugend in den Grödner Dolomiten dar, aber auch Geschichten über seine Filmarbeiten oder seine Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg finden ihren Platz im Programm. Dabei achtet Trenker stets auf einen anekdotenhaften Erzählstil. Dadurch erhalten die Geschichten eine heitere Färbung, insbesondere durch die durchwegs positive gestimmte Pointe. Dennoch berichtet Trenker auch regelmäßig von ernsten oder gar tragischen Ereignissen, die er mit mitreißender Dramatik inszeniert, sodass die Zuschauenden mit den Protagonist*innen seiner Erzählungen regelrecht mitfiebern.
Die Sendung folgt einem für die 1950er und 1960er Jahre üblichen, sehr einfach gehaltenen Produktionsprinzip des Fernsehens (Eßer/Mattusch 1994, S. 364), das besonders für die „damals junge und finanziell nicht sonderlich gut ausgestattete Abteilung” (Emrich 1993, S. 1) des Familienprogramms galt. Die Szenerie erinnert vage an die eines Bauerntheaters. Die billige Kulisse umfasst drei Zimmer: links eine alpine Stube mit Esstisch, in der Mitte ein Kamin und rechts eine Art Arbeitszimmer. Vor den Fenstern sind Malereien alpiner Landschaften angebracht, um den Eindruck einer Südtiroler Alpenstimmung zu verstärken. Die Dekoration, die je nach Thema der Folge variieren kann, beinhaltet Bergfotographien und alpine Heimatmalereien, sowie die für Gröden typischen Holzfiguren, die auch eine Assoziation mit Trenkers Familiengeschichte ermöglichen, war doch sein Vater Holzschnitzer und eröffnete im Grödnertal eine Schule für Holzschnitzerei.
Luis Trenker fungiert in der Sendung gleichzeitig als Präsentator, der Karten oder Bilder zeigt, als Erzähler und als Protagonist seiner Geschichten. Die Kameraführung ist relativ statisch, folgt Trenker jedoch, wenn er sich im Raum bewegt. Bisweilen zoomt die Kamera an die Fotos und Karten heran, die Trenker dem Publikum präsentiert. Da die Folgen live gedreht und übertragen werden, gibt es keinen Schnitt. Weil Trenker nach eigener Aussage kein festes Manuskript verwendet, wirkt jede Folge für sich chaotisch und frei improvisiert. Er selbst beschreibt die Erfahrung in einem seiner zahlreichen autobiographischen Texte wie folgt:
Ich hatte ja nie ein Manuskript, überlegte mir jedesmal [sic!] vorher beiläufig, was ich bringen wollte, aber dann fiel mir zwischendurch etwas ein, was ursprünglich gar nicht vorgesehen war, ja, und dann stand der Aufnahmeleiter neben der Kamera und zeigte die fünf Finger seiner ausgestreckten Hand: Das hieß also, noch fünf Minuten Zeit. (Trenker 1982, S. 135)
Dennoch gelingt es Trenker stets am Ende der 20-30 Minuten seine angekündigte Geschichte zu beenden und zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Dadurch, dass er immer wieder von seiner ‚Hauptgeschichte‘ abschweift, beinhaltet jede Folge mehrere kleine Höhepunkte, was die kurzweilige Erzählatmosphäre entscheidend prägt. Lediglich zwei Regieanweisungen werden ihm vorgegeben: An jeder der drei statischen Kameras ist ein rotes Lämpchen befestigt, dessen Aufleuchten anzeigt, in welche Richtung er sprechen soll. Fünf Minuten vor Ende der Sendezeit gibt ihm der Regisseur durch Handzeichen zu verstehen, dass er nun zu einer „gute[n] Schlusspointe” (Trenker 1982, S. 135) kommen muss. Dass es Trenker unter diesen Bedingungen gelingt, jede Folge spontan in eine abgerundete und kurzweilige Erzählung zu verwandeln, zeugt von seinem rhetorischen wie performativen Geschick.
Auf den ersten Blick scheint die Narration im Vordergrund zu stehen. Die spezifisch televisuelle Komponente wirkt auch deshalb beinahe irrelevant, da viele Sendungen der 1950er/60er Jahre noch sehr stark auf dem Vorbild der Radio-Vorgänger aufgebaut sind (vgl. Monaco 1985, 30). Bei genauerer Betrachtung muss man jedoch eingestehen, dass Trenkers Erzählungen und Anekdoten gerade durch dessen mimische und gestische Performance an Wirkkraft gewinnen. Trenkers Auftritten im Radio fehlt die visuelle Dimension, „weil der nur die Hälfte erlebt hat, der Luis Trenker beim Erzählen nicht zuschauen konnte“, bestätigt auch Ernst Emrich, ehemaliger Hörfunkdirektor des BR (Emrich 1993, S. 4). Mit emphatischen Ausrufen und ausladenden Gesten inszeniert er im Fernsehen seine Geschichten, spielt Dialoge mit unterschiedlichen Tonlagen und Lautstärken nach, ahmt Bewegungen nach oder skizziert durch begleitende Handbewegungen Täler und Gipfel sowie andere Gegenstände der erzählten Kulisse. Die ungewöhnlich wirkmächtige Performativität der Trenker’schen Geschichten fasst Emrich treffend zusammen: „Da erstanden beim hörenden Zuschauer Bilder, die keine Kamera je aufgenommen hatte.” (Emrich 1993, S. 2)
In ihrem Beitrag zu den Anfängen des Kinderfernsehens verweisen Kerstin Eßer und Uwe Mattusch darauf, dass das Medium Fernsehen „in der medialen Reproduktion der alten Vorlesesituation […] die Rolle des Betreuers und Unterhalters [übernimmt]” (Eßer/Mattusch 1994, 366). Diese Zweigleisigkeit ist für das mediale Auftreten Luis Trenkers besonders interessant. Um diese Rolle zu erfüllen, rekurriert Trenker, sein Alter bietet es an, auf die in der Literaturgeschichte schon damals etablierte topische Figur des Großvaters, bzw. der Großmutter. Der Pressetext zu der am 21.11.1972 ausgestrahlten Folge „Der Meisterringer” resümiert die Erfolgsstrategie der Sendung: „[Mit seinen Geschichten] erschließt [Luis Trenker] Kindern von heute die Kinderzeit ihrer Großeltern und trifft dennoch mit seinen Erinnerungen kleinere und größere Probleme, die sich unabhängig von den Generationen zu jeder Zeit in gleicher Weise von neuem stellen.” (BR FS/6835.1) Dabei inszeniert sich Trenker als einer, der in der Jugend gerne einmal den ein oder anderen Streich ausgeheckt oder mitausgeführt hat – natürlich immer nur im Rahmen des menschlich ‚Anständigen’ und auch nie, ohne nicht dafür die gerechte Strafe zu erhalten oder Lehre daraus zu ziehen, die dann auch an die Kinder vor dem Fernseher weitergegeben wird. So schließt Trenker geschickt an das literarische Model des Großvaters als Vorbild und Komplize an, der die Verwandtschaft von witzig und gewitzt verkörpert und so verschiedene Formen von Humor geschickt miteinander verknüpft (vgl. Çetin 2014, 138-143).
Schwerpunktanalyse – Einzelepisoden
Die alte Lederhose und die neue Tante
Ein in Bezug auf Aufbau und Inhalt der Serie repräsentatives Beispiel ist die am 25.10.1966 gesendete Episode, in der Luis Trenker erzählt, wie er als Junge seine erste Lederhose erhalten hat. Der Aufhänger für die Geschichte ist Trenkers Begegnung wenige Tage zuvor mit einem etwa zehnjährigen Jungen in Lederhosen. Dadurch wirkt die Geschichte nicht nur spontan und ›aus dem Leben gegriffen‹, sondern es wird auch eine Verbindung zu den Zuschauer*innen vor dem Fernseher hergestellt. Denn der Moderator wird auf den Jungen aufmerksam, weil dieser ihn so fröhlich anstrahlt – „vllt. kannte er mich aus dem Fernsehen”, führt Trenker als Erklärung an und leitet zur eigentlichen Geschichte aus seiner Kindheit über. Eine solche Lederhose zu bekommen, sei damals „Goar ned so anfach [gewesen] wie heit”, erklärt Trenker und baut dadurch aus narratologischer Perspektive Spannung auf. Gleichzeitig ist es eines der Leitmotive der Sendung, immer wieder den Unterschied zwischen damals und heute zu betonen. So wird auch im Anschluss erklärt, dass Lederhosen für die normalen Familien aus dem Grödnertal zu teuer waren und hauptsächlich von den Kindern der reichen Sommerfrischler getragen wurden. Außerdem, integriert Trenker ein wenig Regionalkunde, sei die Lederhose als typische Tracht vor allem in Bayern und Nordtirol verbreitet gewesen.
Nach dieser Captatio Benevolentiae folgt bereits der erste Exkurs über den Bach, der das Grödnertal durchquert. Der Ausspruch „Mein Freund der Bach“ unterstreicht Trenkers Heimatgefühl, während der Flusslauf gleichzeitig zu einer Metapher für Trenkers Erzählstil avanciert: Jede Station steht sinnbildlich für eine Anekdote, die er bereits in vorigen Folgen erzählt hat und bringt so die lose, vor sich hin plätschernde Serialität des Formats zum Ausdruck. Zunächst werden die Turbinen des Elektrizitätswerks erwähnt, in dem Luis als Jugendlicher lernt und die Trenker bereits in einer Geschichte über einen Fußball erwähnt hatte. Dann erinnert er seine Zuschauer an das Sägewerk, von dem er in einer anderen Folge erzählt hat und das auch durch den Bach betrieben wird. Zum Schluss erzählt er von der örtlichen Schmiede: Mit ausladenden Gesten und Lautmalereien („Bick-Back”) inszeniert Trenker das Spektakel von Wasserrad und Schmiedehammer, das ihn als Kind beeindruckt hat. Erst zum Schluss des Exkurses wird die Verbindung zur eigentlichen Geschichte klar, da der Sohn des Schmieds der einzige Junge in der Region war, der eine Lederhose besaß.
Anschließend kehrt Trenker zu seiner eigentlichen Geschichte zurück. Dem Typus des bayerischen Lausbuben entsprechend, erweist sich auch der kleine Luis als ‚findiger’ und unternehmungslustiger Bursche. Er erinnert sich daran, dass der sogenannte „Niß-Bauer” noch eine alte Lederhose besitzen soll. Es folgt eine visuell eingängliche, unheimliche Beschreibung des alten, dem Almöhi ähnelnden Bauern. Das Publikum fiebert so mit dem Jungen zwischen Hoffnung und Angst mit. Schließlich gelingt es diesem, die Hose im Tausch gegen einen alten Brotständer zu erhalten. Es folgt ein zweiter Exkurs über das Südtiroler Brot und den Nutzen der Brotständer (vgl. Abb. 2). Dieser Diskurs ist offensichtlich vorbereitet, da Trenker mehrere Brotlaibe zur Demonstration zur Verfügung stehen. Aus der alten Hose, die den Jungen „fast a bisserl erschrocken” (00:09,50-00:09,52) zurücklässt, zaubert die Mutter dann ein ideales Gewand für den kleinen Abenteurer.
Die Geschichte bedient mehrere Leitlinien der Sendung. Zunächst den bereits erwähnten Gegensatz zwischen vorindustrieller Moderne und Nachkriegszeit. Dieser wird auch dadurch noch einmal hervorgehoben, dass Trenker betont, dass man die heiß ersehnte Lederhose damals nicht einfach in einem Geschäft erwerben konnte (dass wenige Jahre später seine Tante Loldi vorschlägt, ihm in Brixen eine neue Hose zu kaufen, steht im Gegensatz zu dieser Aussage, den die Zuschauenden im lebhaften Erzählfluss jedoch wohl kaum als Paradox wahrnehmen). Darüber hinaus bauen Trenkers Erzählungen auf bereits etablierten Stereotypen auf, die auch in dieser Folge herausgearbeitet werden: der grantige Bauer, der strenge Vater, der den Brotständer zunächst nicht hergeben möchte, die gute Mutter, die dem Jungen den Traum von der Lederhose erfüllt. Im Zentrum der Folge jedoch steht das Porträt des kleinen Luis. Entscheidend hierbei ist der Wunsch nach einer Lederhose, ein robustes Kleidungsstück, auf das man nicht aufpassen muss und mit der man über die Holzplanken hinter dem Elternhof rutschen kann, ohne sich Schiefer einzuziehen. Die Lederhose als Kleidungsstück für den liebenswerten Lausbub bereitet Trenker aus der Retrospektive noch einmal für die Eltern auf, wenn er sie als ideales Kleidungsstück für Kinder beschreibt: „Für Kinder, für Bub’n, auch a Mädel kann a Lederhos’n tragen und es ist immer nett und kleidsam. Die Knie werden schön braun.” (00:11,29-00:11,36) Trenker unterstreicht hier ein genderloses Ideal des ‚Naturburschen’, der weniger männlich als vielmehr naturverbunden und gesund ist.
Zum Schluss der Episode folgt ein dritter, sehr knapper, Exkurs über seine Fotografie, die einige Jahre später, noch immer in derselben Lederhose, aufgenommen wurde. Da Trenker noch einige Minuten Sendezeit verbleiben, nutzt er das Motiv der braungebräunten Knie zu einer weiteren Anekdote über Tante Isolde, die Berliner Gattin seines Onkels Leo – deren Hochdeutsch er im Dialog nachahmt – und deren Reaktion auf seine äußere Erscheinung. Der Gegensatz damals/heute wird dadurch durch einen weiteren Gegensatz zwischen vornehmer Stadt und lebenspraktischem Land ergänzt.
„Bei den Indianern Nordamerikas“
Die Folge „Bei den Indianern Nordamerikas” (auch „Die Indianer” oder „Indianergeschichten”) wurde am 12.08.1964 erstmalig ausgestrahlt und am 31.10.1972 wiederholt. Mit keinem Wort geht Trenker auf die in Deutschland zu einem riesigen Hit avancierten Winnetou-Filme ein: Der Schatz im Silbersee (Harald Reinl. DEU/SFRJ 1962), Winnetou I (Harald Reinl. DEU/SFRJ 1963), Old Shatterhand (Hugo Fregonese. DEU/IT 1964), Winnetou II (Harald Reinl. DEU/SFRJ 1964) – weitere Filme sollten folgen. Dennoch ist zu vermuten, dass der geschickte Medienakteur mit dieser Folge über seine Erfahrungen mit den nordamerikanischen Ureinwohnern während der Dreharbeiten zu seinem Western Der Kaiser von Kalifornien (Luis Trenker. DEU 1936) an der Erfolgsgeschichte der Karl May Saga teilhaben wollte – war er doch 1938 selbst als Regisseur für eine letztlich nicht realisierte Winnetou-Verfilmung im Gespräch gestanden. Dementsprechend liegt der Fokus der Folge auch weniger auf der Produktion seines erfolgreichen Western als auf den indigenen Statisten, deren Lebensweise, Kultur und Mentalität.
Das Bild der indoamerikanischen Bevölkerung oszilliert zwischen kritischem Kommentar und stereotyper Idealisierung (vgl. Abb. 3). Zunächst stellt Trenker seine persönliche Erfahrung in den Mittelpunkt der Erzählung, macht sich gewissermaßen zum Karl May des 20. Jahrhunderts, der die Zuschauer*innen vor dem Fernseher mit einem authentischen Erlebnisbericht mitreißen kann – hat er die USA, im Unterschied zu Karl May, im Zuge seiner Filmarbeiten doch immerhin besucht. Um die Echtheit seiner Anekdoten über die Indigene Bevölkerung zu untermauern, skizziert er Charlie, den Häuptling der Navajos als Protagonisten seiner Geschichten. Ob es sich dabei wirklich – oder nur bei Charlies Rolle im Kaiser von Kalifornien – um einen Häuptling handelt, bleibt unklar. Denn schon wenige Momente später, beschreibt Trenker, wie er Charlie zufällig am Wegrand getroffen habe. In diesem Sinn beschreibt auch Ernst Emrich Luis Trenker als „große[n] Fabulierer”, in dessen Geschichten sich Pointen stetig ändern und „Wahrheit und Dichtung” mischen (1993, S. 2), was auch die Authentizität und den Wahrheitsgehalt seiner ‚Indianergeschichten’ zumindest teilweise in Frage stellt.
So verwundert es nicht, dass Trenker einerseits die Lebenszustände in den Reservaten des 20. Jahrhunderts thematisiert, andererseits sein Porträt von Charlie (ein Foto mit dem in Deutschland als charakteristisch bekannten Federschmuck, der wahrscheinlich Teil der Filmrequisite war, inklusive) und der indigenen Filmcrew ganz nach dem etablierten ‚Mythos vom edlen Wilden’ ausrichtet. Die Autochthonen werden als edelmütig, großmütig, heimatverbunden und strapazierfähig, als gute Reiter (wie sie in den Massenszenen für Trenkers Western unter Beweis stellen) und „Naturvolk” (00:01,32) dargestellt. Immer wieder bedient Trenker so etablierte Stereotype, die sprachlich auch durch die Formulierung „Der Indianer” im Singular hervorgehoben werden. Zusätzlich integriert Trenker auch neuere Ansichten über die indigene Bevölkerung, wie z.B. die Tatsache, dass die Irokesen die besten Bauarbeiter seien, da sie das Gefühl der Höhenangst nicht kennen und daher für den Bau der modernen Wolkenkratzer eingesetzt wurden. Auch mehrere Anekdoten, die auf persönlichen Erlebnissen oder Erzählungen aufbauen, bestätigen im Deutschland der 1960er Jahre bereits etablierte Gemeinplätze über die indigene Bevölkerung Nordamerikas. So z.B. die Idee von den herausragenden Sinnen der ‚Naturvölker’. Bei Trenker wird diese durch eine Anekdote über die Dreharbeiten zu Der Kaiser von Kalifornien bestätigt, in dem das übermenschlich gute Gehör ‚des Indianers‘ herausgestellt wird. Als Charlie seinem 300 Schritt entfernt stehenden Bruder in seiner Muttersprache eine Regieanweisung geben soll, brüllt er diese nicht über den Platz, sondern übermittelt sie in normaler Gesprächslautstärke, – was Trenker den Zuschauer*innen vor dem Fernseher zur Veranschaulichung demonstriert und dabei leiser spricht als in vielen anderen Momenten seiner Auftritte. Trenker zeigt sich skeptisch, doch die Szene gelingt einwandfrei. Über das „scharfe[]” und „fein[e] […] Ohr” der Indianer „wunder[t]” sich Trenker noch zum Zeitpunkt der Sendung so sehr, dass er die Lautstärke der von Charlie gesprochenen Regieanweisungen (als lautmalerische Silbenfolge imitiert) gleich nochmals vorführt (00:05,49-00:06,04).
Auch die zähe Natur, die sich im deutschen Erziehungsmotto ‚Indianer kennen keinen Schmerz‘ widerspiegelt, bedient Trenker durch eine persönliche Anekdote – diesmal aus zweiter Hand: Charlie erzählt Trenker, dass zu seiner Zeit, die Jungen, gewissermaßen als Initiationsprüfung, zu einem vier Kilometer langen Marsch durch die Wüste geschickt wurden. Dabei durften sie den Schluck Wasser, der ihnen beim Aufbruch in den Mund gegeben wurde, nicht aufbrauchen.
Diese gelungene Inszenierung beliebter Gemeinplätze ergänzt Trenker jedoch um kulturelle und gesellschaftliche Beobachtungen, die den Kindern vor dem Fernseher ein differenzierteres Bild der indigenen Kultur und der aktuellen Lebensbedingungen der Native Americans vermitteln. Immer wieder knüpft er dabei implizite und explizite Verbindungen zu seiner Herkunftsregion, dem Grödnertal. So leben auch die Navajos „weit oben in den Bergen” (00:00,41-00:00,42). Zu Beginn der Folge lobt Trenker zudem das traditionelle Kunsthandwerk und das weltweit einzigartige handwerkliche Geschick der indigenen Bevölkerung in diesem Bereich, wodurch sich ein unausgesprochener Vergleich zu der in der Sendung allgegenwärtigen Grödner Holzschnitzerei anbietet. Die Schilderungen der persönlichen Eindrücke lassen Platz für eine relativ genaue sozio-ökonomische Beschreibung der Lebenszustände in den indianischen Reservaten, die auch eine gewisse Kritik an den Folgen des Kolonialismus einschließt. So bedauert Trenker die Situation der Native Americans und die „furchtbar[e]” Armut (00:01,21), in der sie leben. Er stellt sie als Verlierer des amerikanischen Traums dar: Vertrieben von den weißen Großfarmern „hausen” (00:03,50) sie nun, ohne Rechte, in der Wüste. Ihre Armut erklärt Trenker durch den fehlenden Geschäftssinn, der sie den Weißen eindeutig unterlegen macht. Dies stellt er jedoch nicht als Faulheit dar, sondern vielmehr als Resultat ihrer Großmütigkeit und ihrer einfachen Lebensweise.
Thematisiert er einerseits die Missstände in der amerikanischen Gesellschaft, ist Trenker andererseits darum bemüht, getreu seinem Motto „Alles gut gegangen”, einen versöhnlichen Ausblick für seine Erzählung zu finden. So betont er die Bemühungen der amerikanischen Regierungen seit Roosevelt, die Situation der indigenen Bevölkerung zu verbessern, Schulen in den Reservaten zu bauen und den indigenen Bewohnern zumindest innerhalb ihrer Reservate eine gewisse monetäre und territoriale Souveränität zuzusprechen. Das Angebot, vollwertige US-Bürgerrechte zu erhalten, lehnten die amerikanischen Ureinwohner laut Trenker jedoch ab, da sie „ihre Eigenart behalten” (00:10,17-00:10,18) möchten. „Und ich kann’s auch gut verstehen” (00:10,20-00:10,21), fügt Trenker hinzu, wodurch es ihm gelingt, eine weitere Brücke zu den Dolomiten zu schlagen, zu denen die Menschen auch eine besondere Verbindung hätten, die spezielle Gepflogenheiten mit sich brächte. Für die erwachsenen Zuschauer*innen mag hier gar ein subtiler Verweis auf die Optionsfrage mitschwingen.
Populärrezeption
„Trenker erreichte durch seine Erzählkunst eine höhere Popularität als durch seine großen Filme vorher”, konstatiert Ernst Emrich (1993, S. 2). Tatsächlich feierte die Sendung, v.a. in Bayern aber auch deutschlandweit, einen großen und langanhaltenden Erfolg. Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass sie sich im beliebten Genre der Lausbubengeschichten verorten lässt, wie man sie aus der Till Eulenspiegel Tradition oder den 1964 verfilmten Lausbubengeschichten (Helmut Käutner. DEU 1964) kennt, die auf Ludwig Thomas’ gleichnamiger Erzählung aus dem Jahr 1905 aufbauen. Viele der Geschichten, die Trenker zum Besten gibt, handeln von den Streichen und abenteuerlichen Einfällen des kleinen Luis oder anderer jugendlicher Figuren, wie Trenkers zum Zeitpunkt der Erzählung etwa siebzehnjähriger Onkel Leo. Verknüpft Trenker seine Anekdoten meist mit einer lehrreichen Moral, so ist der pädagogische Zeigefinger doch weniger präsent als in Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter (1844) oder Wilhelm Buschs Max und Moritz (1865), die in deutschen Kinderzimmern der Nachkriegszeit ein regelrechtes Come-Back erlebten.
Interessiert man sich für den Erfolg der Serie, lohnt ein Blick auf die Held*innen der in Deutschland beliebten Kinder- und Jugendmedien der 1950er und 1960er Jahre: 1949 wurde Astrid Lindgrens Pippi Langstrumpf erstmals ins Deutsche übersetzt, 1964 folgte Michel aus Lönneberga; die erste Pippi-Verfilmung wurde in Form einer Fernsehserie 1968 von der ARD koproduziert, ab 1962 wurde Ellis Kauts Meister Eder und sein Pumuckl im Bayerischen Rundfunk als Hörspiel ausgestrahlt. Wie in der Forschung wiederholt betont, wird mit diesen Figuren der Grundstein gelegt für eine Tradition subversiver und bisweilen anarchischer Energien als charakteristisches Kennzeichen der KJL. Auch wenn es sicherlich zu weit gegriffen wäre, Trenker als Medienakteur und Geschichtenerzähler für Kinder ein rebellisches Potenzial zuschreiben zu wollen, so ist nicht von der Hand zu weisen, dass Trenker die Trends seiner Zeit geschickt aufgreift, bisweilen auch vorweg nimmt und diese gekonnt mit dem Heimatgenre verknüpft – ein weiterer Publikumsliebling der 1950er und 1960er –, wodurch er sie für ein stärker regional geprägtes Publikum einerseits, für eine breiter gefasste Alterspanne andererseits aufarbeitet (vgl. Simmerding 1990).
Wie aufgrund der nicht gegebenen Auswahlmöglichkeit im Fernsehprogramm häufig, richtete sich das Format nicht ausschließlich an Kinder, sondern auch an Familien generell. Dank des großen Erfolgs bot man Trenker schon nach wenigen Jahren zudem einen Platz im Abendprogramm an, was den Zuschnitt und die Themen der Sendung beeinflusste. Die im Abendprogramm erschienenen Folgen umfassen drei Themenbereiche: Zunächst wurden mehrere Sendungen zur Landeskunde der Dolomiten ausgestrahlt, wodurch Trenker gezielt das Tourismusphänomen Südtirol aufgreift. Es folgten mehrere Folgen zu seinen eigenen Filmen (z.B. Berge in Flammen [DEU 1931] oder Liebesbriefe aus dem Engadin [DEU 1938]) sowie eine aus neunzehn Episoden bestehende, chronologisch aufgebaute ‚Autobiographie‘ seiner Jugend- und Studienjahre, die unter dem Titel Alles gut gegangen zusammengefasst wurde. Zwar ändern sich Begrüßungsfloskel („Grüss Gott meine lieben Fernsehfreunde”) und die Ansprache (Trenker wechselt vom „ihr” zu einem förmlicheren „Sie”), sowie auch die Studioeinrichtung, die weiterhin alpine Töne enthält, jedoch auch Elemente einer zeitgemäßen Inneneinrichtung aufnimmt; dennoch kann die Sendung weiterhin als geeignetes Unterhaltungsprogramm für Familien angesehen werden.
In den folgenden Jahren dient die Sendung zudem als Grundlage für mehrere von Luis Trenker verfasste autobiographische Texte mit den Titeln Luis Trenker erzählt (1966), Luis Trenker erzählt aus seinem Leben (1973) oder Das große Luis Trenker Buch (1974). Umgekehrt übernahm er, nach eigener Aussage, die chronologische Struktur seiner 1965 erschienenen Biographie Alles gut gegangen: Geschichten aus meinem Leben für die gleichnamige ‘Staffel’ von Luis Trenker erzählt (vgl. Trenker 1982, 137).
Der Erfolg der Serie lässt sich auch in zahlreichen Populärmedien rund um Südtirol ablesen, in denen Luis Trenker erzählt bis heute als Referenz für Bergeschichten oder als Beispiel für die begnadeten Entertainer-Künste Luis Trenkers zitiert wird (Abend 2019, S. 515; Gruber/Eickhoff 2015, Eintrag 93; Kluthe/Kohl 2019, S. 360). Der Comedian Georg Koeniger berichtet in seiner ‚Kletter-Komödie’ vom großen Einfluss, den Luis Trenker auf seine Kindheit hatte. Aufgewachsen in der „flache[n] Welt” von Münster imaginiert sich der Junge beim Spielen in der urbanen Landschaft in ein alpines Universum, das er aus Luis Trenker erzählt kennt:
Mein großes Vorbild in jener Zeit war Luis Trenker. Atemlos verfolgte ich abends die Vorträge des österreichischen Alpinisten und Bergfilm-Regisseurs im Fernsehen. Keine Folge von Luis Trenker erzählt durfte ich verpassen. Die kurzen Schwarz-Weiß Filme von Kletterern in den Dolomiten, die er nach langer, prustender Rede zeigt, versetzten mich in eine andere Welt. Trenker war meine Verbindung zu den Bergen, und wenn ich tags darauf am Löschteich die Betonplatten heraufkraxelte, sah ich mich selbst an einer schwierigen Stelle in der Marmolata, dem höchsten Berg der Dolomiten, stecken. (Koeniger 2017, S. 6)
Es ist hier zu erwähnen, dass sich der Junge offensichtlich an die späteren, im Abendprogramm ausgestrahlten Folgen erinnert, die sich nicht mehr ausschließlich an ein kindliches Publikum richten. Dies wird durch seine Erinnerung an Dokumentarsequenzen aus den Dolomiten bestätigt, die in den reinen Kindergeschichten fehlen. Gerade diese visuellen Impulse sind es jedoch, die die kindliche Fantasie anregen und dazu veranlassen, die im Fernsehen entdeckte Bergwelt im Spiel performativ, physisch und imaginativ nachzustellen.
Wissenschaftliche Rezeption
In der Forschung wurde die Sendung Luis Trenker erzählt bislang wenig beachtet, da weder Luis Trenkers Medienschaffen noch die Anfänge des Kinderfernsehens eingehend erforscht sind. Einige Beiträge zu Trenkers Werk erwähnen die Serie, gleichsam um Trenkers vielseitige und weit bis in die 1970er Jahre anhaltende Medienpopularität zu verdeutlichen (vgl. Eppler 2018, S. 231 f.; Kingsley/Rentschler 1996, S. 334). Dabei wird insbesondere Trenkers Bemühen, sich durch eine geschickte Vermarktung in den Nachkriegsjahrzehnten von seiner problematischen Beziehung zum NS-Regime zu lösen, hervorgehoben. So „kombiniert [Luis Trenker erzählt] Anliegen der Tourismuswerbung mit Formen der verharmlosenden ‚Wiederaneignung’ seines (deutschen) Werks und Lebens im Zeichen einer kommerziellen Medienproduktion.” (Friehs/Winkler/Yazdanpanah 2010, 68).
Kerstin Eßer und Uwe Mattusch nehmen in ihrem Beitrag zur Geschichte des Kinderfernsehens auf die Sendung Bezug. Dabei betonen sie den Ereignischarakter, den das Fernsehen in seinen frühen Jahren genießt und der den Erfolg der Trenker’schen ‚Performance’ mitbegründet (1994, S. 365). Die performativen Elemente sind jedoch eingebettet in statische Erzählformate nach dem Vorbild der Vorlesestunde, die Ruhe vermitteln und die „nervöse Gehetztheit” (Schmidbauer 1987, S. 18) von Kindern senken, sowie dem jungen Publikum nützliche Lehrformeln vermitteln sollen. In diesem Kontext zitieren Eßer und Mattusch eine 1957 verfasste Stellungnahme der Nachmittagsredakteure der ARD:
Der Erzähler, der über die verschiedenen Dinge plaudert und sie eventuell zeigt, sollte ein Ersatz für all die Mütter sein, die nicht mehr erzählen können, und eine Persönlichkeit darstellen, die möglichst im freien Gespräch die Kinder an die Hand nimmt und durch die Sendung führt. (1994, S. 365)
Als Prototyp dieses Medienformats wird Dr. Ilse Obrigs Kinderstunde gesehen, die ab 1952 gesendet wird, aber auch die Kommunikationsstrategie Luis Trenkers fällt noch weitestgehend unter diese Kategorie des Kinderfernsehens. Dass dieses statische Format bis in die 1970er Jahre als pädagogische wertvoll wahrgenommen wird, bestätigt die Tatsache, dass noch 1973, also bereits nach Erscheinen der ersten Pippi Verfilmungen, im BR eine sechsteilige Sendung ausgestrahlt wird, in der die Schauspielerin Margot Trooger (1923-1994) aus den Büchern vorliest. In der dazu erschienenen Pressemitteilung erklärt die Redaktion das „Experiment, den jungen Zuschauern keine wechselnden Bilder zu zeigen, sondern nur einen einfachen Text zu bieten“ als gelungen. Weiter hebt sie Troogers performative Künste hervor, ähnlich wie auch Emrich sie bei Trenker beobachtet hatte:
Durch die Stimme der Vorlesenden und den wechselnden Ausdruck ihres Gesichts gewann Pippi, dieses merkwürdige, schrullige und doch so unternehmungslustige Mädchen Gestalt. Viele Kinder erlebten ihre Abenteuer kaum weniger intensiv mit, als wenn sie sie leibhaftig auf dem Bildschirm gesehen hätten. (BR, Mappe FS/6839)
Einige weitere Beiträge zur Geschichte des deutschen Kinderfernsehens liefern hilfreiche Kontextualisierungen zu Format und Ausgestaltung der Serie. Dirk Ulf Stötzel und Bernhard Merkelblach bestimmen für das Kinderfernsehen der 1950er Jahre drei Präsentationsformen, das Puppenspiel, den Spielfilm und „Demonstrationen im Studio: die erzählende Kinderstundentante, der anregende Bastelonkel” (1991, S. 132), wozu sie auch Luis Trenker erzählt zählen. Dabei unterstreichen sie die „thematische[..] und inhaltliche[..] Orientierung an traditionellen Erzählmustern” (S. 133) als Erfolgsmodell, das erst Mitte der 1960er Jahre langsam durch innovativere Formate abgelöst wird, die bewusst mit dem neuen Medienformat spielen.
Literatur
Abend, Bernhard: Baedekers Beste Europäische Regionen. Ostfildern: Mairdumont, 2019.
Çetin, Stefanie: „Ohne Spaß gibt’s nichts zu lachen”: Humor in Erich Kästners Kinderliteratur. Marburg: Tectum-Verlag, 2014.
Emrich, Ernst: Luis Trenker und die Medien. Anmerkungen bei der Einweihungsfeier des Luis-Trenker-Zentralarchivs in Utting/Ammersee am 19. September 1993, BR 25929.
Eppler, Christoph: Söldner, Schädel und Soldaten. Kritische Anmerkungen zur Militärgeschichte von der Antike bis Afghanistan. München: C.H. Beck, 2018.
Eßer, Kerstin/Mattusch, Uwe: Zur Entwicklung des Kinderfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. In: Handbuch Medienerziehung im Kindergarten. Hrsg. von Deutsches Jugendinstitut. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1994. S. 362-371.
Friehs, Julia/Winkler, Daniel/Yazdanpanah, Marie-Noëlle: Südtirol/Trentino, Heimatfilm und Nachkriegskino. Prigioniero della montagna/Flucht in die Dolomiten von Luis Trenker, Pier Paolo Pasolini und Giorgio Bassani (1955). Zibaldone No. 49 (2010). S. 61-72.
Gruber, Sabine/Eickhoff, Peter: 111 Dinge in Südtirol, die man gesehen haben muss. Köln: Emons Verlag, 2015.
Kingsley, Arthur/Rentschler, Eric: Ministry of Illusion. Nazi Cinema and its Afterlife. Cambridge: Harvard University Press, 1996.
Kluthe, Dagmar/Kohl, Margit: Baedeker Reiseführer Südtirol. Ostfildern: Mairdumont, 2019.
Koeniger, Georg: Cliffhänger: Kletter-Comedy für Schwindelfreie. München: Piper, 2017.
Monaco, James: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache. Geschichte und Theorie des Films. Reinbek: Rowohlt Verlag, 1985.
Schmidbauer, Michael: Die Geschichte des Kinderfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Dokumentation. München u.a.: Saur, 1987.
Simmerding, Gertrud: Kinderfernsehen beim Bayerischen Rundfunk. In: Geschichte des Kinderfernsehens in der Bundesrepublik Deutschland. Entwicklung und Trends. Hrsg. von Hans D. Erlinger und Dirk U. Stötzel. Berlin: Spiess, 1990. S. 207-212.
Stötzel, Dirk Ulf/Merkelbach, Bernhard: Periodisierung des Kinderprogramms. 40 Jahre Kinderfernsehen in der Bundesrepublik. In: Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland: Perioden – Zäsuren – Epochen. Hrsg. von Helmut Kreuzer und Helmut Schanze. Heidelberg: Winter, 1991. S. 129-153.
Trenker, Luis: Mutig und heiter durchs Leben. München: C. Bertelsmann, 1982.