Explikat
Bei der filmischen Adaption entsteht ein Film auf der Basis einer Vorlage aus einem anderen Medium, meist auf der Grundlage eines Buches.
Erfolgreiche literarische Werke werden häufig filmisch adaptiert, da es versucht wird, an den vorangegangenen Erfolg anzuknüpfen (Erlinger 2008, S. 233).
Literatur und Film befinden sich unabhängig von jeglicher Hierarchie und sind als autonome Zeichensysteme zu betrachten. Sie sind in der Lage aneinander anzuknüpfen, verfügen jedoch über unterschiedliche ästhetische Strukturen (Payrhuber 2007, S. 62). Demnach kommt es bei der filmischen Adaption von Literatur zu einem „doppelte[n] Medienwechsel“ (Payrhuber 2007, S. 62). Zunächst unterläuft das Original einen technischen Wechsel, indem es von einem Buch in einen Film transformiert wird. Dem folgt im Anschluss eine formale Wandlung, indem der Transfer in eine andere Kunstgattung gewährleistet wird (Payrhuber 2007, S. 62).
Filmisch adaptiert werden meistens Bücher, doch auch andere Medien können auf diese Weise adaptiert werden. In jüngerer Zeit sehr erfolgreich sind Verfilmungen von Comics (z.B. Spiderman, Batman, Fantastic Four, etc.) oder Computerspielen (z.B. Resident Evil oder Tomb Raider).
Besonderheiten hinsichtlich der Kinder- und Jugendmedien
Mit der Historie des Kinderfilms geht auch die der Literaturverfilmung einher. In Deutschland ist der Kinderfilm eingangs noch mit der Verfilmung von Märchen deckungsgleich. Die filmische Adaption innerhalb der Kinder- und Jugendliteratur beinhaltet immer auch den „Aspekt einer integrativen Medienerziehung“ (Payrhuber 2007, S. 63).
Ein Großteil der in der heutigen Gesellschaft lebenden Kinder macht seine ersten literarischen Erfahrungen im Bereich der audiovisuellen Medien und lernt das Medium Buch erst zu einem späteren Zeitpunkt kennen. Es kommt demnach auf den pädagogischen Gehalt der Erziehung des einzelnen Kindes an. Je nach dessen Ausprägung erfährt das Kind den Umgang mit literarischen Texten entweder in der Variante des Vorlesens, oder später beim selbst lesen während der Schulphase.
Die "audiovisuelle Sozialisation der Kinder" (Payrhuber 2007, S. 63) zielt darauf ab, mittels des Kontaktes mit Verfilmungen den Leseantrieb der Kinder zu optimieren und ein verbessertes Gefühl für literarische Texte zu entwickeln. Als eine Problematik erweist sich die filmishche Adaption eines literarischen Werkes, wenn zu viele Erwartungen in die Neugestaltung der Literatur gesetzt werden. Häufig kommt es zu einer veränderten Wahrnehmung und die bereits in den Köpfen der Kinder aufgebauten Phantasiewelten werden im Zuge der filmischen Adaption zerstört, da eine gegensätzliche Konstruktion dessen aufgebaut wird (Erlinger 2008, S. 233).
Beispiele
Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Arten der filmischen Adaption von Kinder- und Jugendliteratur. Als Bedeutsamste stellen sich Adaptionen von Sagen, Bilderbüchern, Kinderbüchern sowie von Jugendbüchern heraus.
Die mitunter gängigste Sage in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur bildet Der Rattenfänger von Hameln. Bereits in diversen literarischen Werken wird das Leitmotiv des Rattenfängers aufgegriffen (Sahr 2004, S. 114). Die erfolgreichste filmische Adaption dieser Vorlage ist im Jahre 1980 erschienen: ein britischer Puppentrickfilm dar, welcher mithilfe der spezifischen Möglichkeiten die der Erstellung eines Trickfilms dienen, in nachvollziehbarer Art und Weise transformiert werden konnte. Die Aufmachung der Puppen als auch die Gestaltung jeglicher Kulissen wird medienspezifisch angepasst, wodurch eine für Kinder und Jugendliche faszinierende Atmosphäre entsteht (Sahr 2004, S. 119).
Der filmischen Adaption von Bilderbüchern kommt eine ebenso wesentliche Bedeutung zu. Als gängiges Beispiel dient hierbei das Märchen der Stadtmusikanten. In einem Zeitraum der letzten zehn Jahren kommt es zu insgesamt acht verschiedenen filmische Adaptionen dieser Sage. Zuvor sind weitere erschienen. Die erfolgreichste und zudem mit dem deutschen Jugendliteraturpreis ausgestattete Sagen-Adaption ist die auf der Basis des Bilderbuches erstellte Version aus dem Jahre 1995. Die Zeichentrickverfilmung aus dem Jahre 2000 hat sich nicht durchsetzen können und gilt als umstrittene Transformation (Sahr 2004, S. 218).
Die filmische Adaption von Kinderbüchern kann als gesonderte Kategorie aufgeführt und gewichtet werden. Als Beispiel dient das Buch Die Vorstadtkrokodile. Diese Adaption gilt insofern als äußerst gelungen, da vorrangig die Auswahl der Kinderschauspieler von großer Bedeutung für den Ursprung des daraus entstehenden Erfolges gewesen ist. Diese zeichnen sich in erster Linie durch eine natürliche Ausstrahlung und eine kindgemäße, realitätsnahe Sprache aus (Sahr 2004, S. 143). Zudem ist die veränderte Gewichtung der im Roman angesprochenen Problematiken ein weiteres Kriterium für die erfolgreiche filmische Adaption. Diese veränderte Gewichtung schließt jedoch keine Themen aus, die kinderspezifischen Probleme werden nur in einer veränderten Bedeutungsdimension wiedergegeben (Sahr 2004, S. 144).
Im Gegensatz zum Buch unterliegt die filmische Adaption einer höheren Brisanz. Es kommt in höherer Zahl zu Spannungsmaximen, wodurch die Anforderungen an ein digitales Medium Berücksichtigung erfahren. Die zentralen Inhalte des Romans werden in der Buchfassung in ausführlicher Kleinstarbeit wiedergegeben und schaffen eine ruhige Leseatmosphäre. Im Film dagegen kommt es zu einer gegensätzlichen Erläuterung dieser Motive. Auf die Hauptprobleme Kurts wird lediglich kurz am Rande der Geschehnisse eingegangen, die Verbildlichung dient hierbei in erster Linie der Aufklärung, sodass die Wortebene nicht mehr in einem dem Roman ähnlichem Ausmaß gegeben sein muss. Die dem Roman zugrunde liegende Detektivgeschichte wird dafür mit einer höheren Relevanz behaftet und in einer größeren Dimension beleuchtet (Sahr 2004, S. 146).
Ebenso wie die Verfilmung von Kinderbüchern als isolierte Kategorie aufgeführt werden kann, verfügt die filmische Adaption von Jugendbüchern über eine eigene Klassifikation. Als Beispiel ist an dieser Stelle das von Otfried Preußler verfasste Jugendbuch Krabat aufzuführen. Von größter Bedeutung ist die im Jahre 1977 erschienene 80-minütige filmische Adaption des Jugendbuches, welches aus einer Verknüpfung von Zeichentrickelementen und Puppentrickfilmelementen besteht. Der Film schöpft die ästhetischen Möglichkeiten des Mediums aus und schafft dadurch eine vom Buch verschiedene Form der Narration. Er agiert mit unterschiedlichen perspektivischen Sichtweisen, welche von einer Normalsicht bis zu einer Froschperspektive reichen und in der literarischen Vorlage nicht umzusetzen sind. Auch die Tonebene führt im Film zu einer Verzerrung der Erzählebene. Der dem Buch zugrundeliegende Erzähler der dritten Person Singular wird in der Verfilmung durch Krabat ersetzt. Dieser schildert die Geschehnisse nun aus seiner Perspektive. Zudem liegt im Laufe des Films kaum eine Szene vor, welche nicht durch eine musikalische Unterlegung gekennzeichnet ist. Bei der Verfilmung werden demnach wesentliche Problematiken sowie Handlungsstränge und Dialoge, diese jedoch in einer kurzen Ausführung, übernommen. In Anlehnung an den Spannungsaufbau werden indes Verschiebungen der Erzählperspektive vorgenommen und eine der literarischen Vorlage abweichende zeitliche Rechnung verwendet.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass bei filmischen Adaptionen fast zwangsläufig Fragen nach den Parallelen und Unterschieden zwischen Buchvorlage und Film aufgeworfen werden. Viel wichtiger als diese sind jedoch Fragen nach der ästhetischen Inszenierung und der Form der Narration unter Berücksichtigung der spezifischen Ästhetik des jeweiligen Mediums.
Literatur
- Medientheoretische Analysen und ästhetische Konzepte. Hrsg. von Andy Blättler, Doris Gassert, Susanna Parikka-Hug und Miriam Ronsdorf. Bielefeld: transcript Verlag, 2010.
- Märchen-Kinder-Medien. Hrsg. von Kurt Franz und Walter Kahn. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2000.
- Verfilmte Kinderliteratur. Gattungen, Produktion, Distribution, Rezeption und Modelle für den Deutschunterricht. Hrsg. von Petra Josting und Klaus Maiwald in Zusammenarbeit mit der AJuM der GEW. München: kopaed, 2010.
- Mediengeschichte, Intermedialität und Literaturdidaktik. Hrsg. von Bodo Lecke. Frankfurt am Main: Lang, 2008 (=Beiträge zur Literatur- und Mediendidaktik, Band 15).
- Inspiriert von… Literaturadaption im praktischen Vergleich: Annäherungen und Möglichkeiten. Hrsg. von Angelika Mieth. Berlin: VISTAS, 2002.
- Intermediale Inszenierungen im Zeitalter der Digitalisierung. Lesen-Hören-Sehen. Kinder- und Jugendbücher in anderen Medien und Vorschläge zur Unterrichtsgestaltung. Hrsg. von Franz-Josef Payrhuber und Gudrun Schulz. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2007 (=Schriftenreihe der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, Band 36).
- Rutenfranz, Maria: Götter, Helden, Menschen. Rezeption und Adaption antiker Mythologie in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Frankfurt am Main: Lang, 2004.
- Sahr, Michael: Verfilmte Kinder- und Jugendliteratur. Der literarische Kinderfilm – ein vernachlässigtes Unterrichtsmedium. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 2004.