Titel des Projekts/Title: Videospiel-Narrationen und literarisches Lernen. Eine explorative, qualitativ-experimentelle Fallstudie zu interaktiver Literatur in digitalen Medien

VerfasserIn/Author: Stefan Emmersberger (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

Sprache/Language: Deutsch

Art des Projekts/Type: Habilitation

Projektlaufzeit/Duration: 2021-

Universität/University: Universität Augsburg

Keywords: Literarisches Lernen, Digitale Spiele, Narration, Digitalität, Interaktivität

 

Beschreibung/abstract:

Wie schon zuvor bei der Erfindung des Buchdrucks und des Films erweitert sich mit der Digitalität noch einmal das Spektrum von Literatur. Anders als in analogen Medien ist mit ihr eine elaborierte Simulation von "dramatic agency" (Murray 2017, 189) möglich und damit "new expressive power" (ebd., 112) verbunden. So verwundert es nicht, dass interaktive Literatur in digitalen Medien in der Literaturdidaktik aktuell verstärkt Aufmerksamkeit erfährt (vgl. v. a. Kepser / Abraham 2016, Kepser 2019 und Kepser 2023). Insbesondere Videospiel-Narrationen ermöglichen es Rezipient:innen, mit ihren Handlungen und den damit verbundenen Entscheidungen unter anderem auf die Storyworld und die Handlung Einfluss zu nehmen und individuelle Geschichten zu erleben (vgl. z. B. Rauscher 2018, Boelmann 2020 oder Emmersberger 2022).

Sowohl aus theoretisch-konstruktiver als auch empirisch-rekonstruktiver Perspektive wirft dies viele Fragen auf: Welche Ausprägungen von dramatic agency gibt es und wie werden diese zum Beispiel in Videospiel-Narrationen realisiert? Wie verändert interaktive Literatur in digitalen Medien literarisches Lernen? Besteht ein besonderes medienspezifisches Potential? Bedarf es folglich eigener Unterrichtsprinzipien?

Das hier vorgestellte Projekt versucht, diese Fragen mithilfe einer qualitativ-experimentellen Fallstudie zu den fünf Videospiel-Narrationen Life Is Strange (Dontnod Entertainment 2015/22), Until Dawn (Supermassive Games 2015), The Awesome Adventures of Captain Spirit (Dontnod Entertainment 2018), Detroit: Become Human (Quantic Dream 2018/19) und Tell Me Why (Dontnod Entertainment 2020) genauer zu explorieren. Dazu werden in einem ersten Schritt die ausgewählten Videospiel-Narration erzähltheoretisch analysiert und hinsichtlich der Ausprägung von dramatic agency unterschieden. In einem zweiten Schritt werden Literaturbiografien und Spielverlaufsprotokolle von Lehramtsstudierenden, die im Kontext von Seminaren zu forschendem Lernen entstehen, auf der Basis des speziell für Videospiel-Narrationen entwickelten 3Plus1-Ringe-Modells literarischen Lernens ausgewertet.

Die empirischen Ergebnisse versprechen, näheren Aufschluss über das besondere medienspezifische Potential zu geben, das digitale Medien für literarisches Lernen bieten, und stellen damit eine gute Grundlage für weiterführende didaktisch-methodische Überlegungen (vgl. u. a. Boelmann / Stechel 2020 und Boelmann / König / Stechel 2022) dar. Zudem verschaffen sie einen guten Eindruck davon, wie nah die zukünftigen Lehrer:innen den verschiedenen literarischen Medienangeboten stehen.

Boelmann, Jan M. (2020): Das Unfassbare greifen, Handlungsstrukturen von nicht-linearen Computerspielen im Deutschunterricht analysieren. In: Engelns, Markus / Voßkamp, Patrick / Bräuer, Christoph (Hg.): Sprechende Pixel – Computerspielphilologie in Schule und Hochschule (OBST 96), S. 35-56.
Boelmann, Jan M. / Stechel, Janek (2020): Erfahrungsbasiertes Lernen mit Computerspielen in formalen Bildungskontexten. In: Informationen zur Deutschdidaktik (ide) 44, Heft 2, S. 9-21.
Boelmann, Jan M. / König, Lisa / Stechel, Janek (2022): Warum Computerspiele eine eigene Didaktik brauchen. In: Standke, Jan (Hg.): Spiele(n) in der Gegenwartskultur: Medien und Praktiken des Spiel(en)s im literatur- und mediendidaktischen Kontext. Trier: WVT, S. 109-128.
Emmersberger, Stefan (2022): Digitales Erzählen geht anders! Ein Systematisierungsversuch zur Textdynamik interaktiver Literatur. In: Lehndorf, Helen / Pietsch, Volker (Hg.): Literatur- und medienästhetisches Lernen im Deutschunterricht – Konstruktionen und Rekonstruktionen. Berlin u. a.: Lang (= Beiträge zur Literatur- und Mediendidaktik), S. 211-237.
Kepser, Matthis / Abraham, Ulf (42016): Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 4., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Schmidt (= Grundlagen der Germanistik, Band 42).
Kepser (2019): Computerspielbildung als Auftrag für die sprachlichen Fächer der Schule. Versuch eines neuen Kompetenzmodells. In: Informationen zur Deutschdidaktik (ide) 43, Heft 1, S. 104-122.
Kepser, Matthis (2023): Gaming: Sprachlich-literarästhetisches Lernen im kulturellen Handlungsfeld digitaler Spiele. In: Praxis Deutsch 50, Heft 298, S. 4–13. Murray, Janet H. (22017): Hamlet on the Holodeck. The Future of Narrative in Cyberspace. Updated Edition. Cambridge, Massachusetts / London: The MIT-Press. Rauscher, Andreas (2018): Story. In: Beil, Benjamin; Hensel, Thomas; Rauscher, Andreas (Hg.): Game Studies. Wiesbaden: Springer VS (= Film, Fernsehen, Neue Medien), S. 63-85.

 

As before with the invention of the printing press and film, the spectrum of literature is once again expanding with digitality. Unlike analog media, it makes an elaborate simulation of "dramatic agency" (Murray 22017, 189) possible and is associated with "new expressive power" (ibid., 112). So it is not surprising that interactive literature in digital media is currently attracting more attention for learning with literature (see especially Kepser / Abraham 42016, Kepser 2019 and Kepser 2023). In particular, video game narrations enable recipients to influence the story world and the plot with their actions and the associated decisions, and to experience individual stories (see e. g. Rauscher 2018, Boelmann 2020 or Emmersberger 2022).

From both a theoretical-constructive and an empirical-reconstructive perspective, this raises many questions: What types of dramatic agency are there and how are they realized, for example, in video game narrations? How does interactive literature in digital media change learning with literature? Is there a particular media-specific potential? Do you therefore need specific teaching principles?

This project attempts to answer these questions using a qualitative-experimental case study on the five video game narrations Life Is Strange (Dontnod Entertainment 2015/22), Until Dawn (Supermassive Games 2015), The Awesome Adventures of Captain Spirit (Dontnod Entertainment 2018), Detroit: Become Human (Quantic Dream 2018/19) and Tell Me Why (Dontnod Entertainment 2020). In a first step, the selected video game narrations are analyzed in terms of narrative theory and differentiated with regard to the types of dramatic agency. In a second step, literary biographies and game logs from student teachers, which arise in the context of seminars on research-based learning, are evaluated on the basis of the 3Plus1-Rings model of learning with literature, which was specially developed for video game narrations.

The empirical results promise to provide more detailed information about the media-specific potential that digital media offer for learning with literature, and thus provide a good basis for further methodical considerations (see e. g. Boelmann / Stechel 2020 and Boelmann / König / Stechel 2022 ). They also give a good impression of how familiar the future teachers are with the various literary media offerings.

 

Biographische Informationen/CV:

Dr. Stefan Emmersberger examinierte 2008 für das Lehramt an Gymnasien in den Fächern Deutsch und Sport mit der Zusatzqualifikation Erlebnispädagogik. Von 2008 bis 2010 absolvierte er das Referendariat und unterrichtete bis 2015 als Studienrat am Gymnasium. Seit 2015 ist er als wissenschaftlicher Assistent bzw. Akademischer Rat am Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Augsburg tätig. Forschungsschwerpunkte sind Medien- und Texttheorie (Digitalität), didaktisch-empirische Schreibforschung, literarisches und medienästhetisches Lernen mit Kinder- und Jugendmedien sowie Professionalisierungsforschung und Forschungstransfer.

 

Weitere Informationen/Additional information:

Dr. Stefan Emmersbergers Internetseite an der Universität Augsburg