Titel des Projekts/Title: Kinderliterarische Wertungsvorgänge im Gespräch. Eine qualitativ-explorative Untersuchung in der Grundschule
VerfasserIn/Author:
Ines Storch
(
Sprache/Language: Deutsch
Art des Projekts/Type: Dissertation
Projektlaufzeit/Duration: 2017-
Universität/University: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Keywords: Bilderbuch, Bilderbuchrezeption, Wertung
Beschreibung/abstract:
Der aktuelle Diskurs (vgl. Zabka 2013; Heins 2017; Brendel-Perpina 2021) betont die Bedeutung des Wertens literarischer Texte, sowohl für das Lesen allgemein als auch für die Teilhabe an literarischen Praxisfeldern. Für den Primarbereich fordern die Bildungsstandards, dass Kinder Texte begründet auswählen oder die eigenen Leseerfahrungen beschreiben und einschätzen können sollen. Wie eine gezielte Förderung der Wertungskompetenz in der Praxis aussehen kann, wird in der Lese- und Literaturdidaktik viel diskutiert. Die Sichtweisen der Kinder werden hier allerdings kaum berücksichtigt (vgl. Jantzen 2019, S. 43). Zudem werden Prozesse der Lektüreauswahl bei Kindern durch vorgefasste Angebote gelenkt. Diese scheinen oft von normativen Vorstellungen vom "guten" oder "typischen" Kinderbuch oder den Lektüreerfahrungen und –interessen Erwachsener geprägt zu sein.
In der Studie geraten die Werturteile von Kindern in den Blick. Im Fokus der Auseinandersetzungen steht die Funktion des Wertens im Prozess der Rezeption und hier insbesondere, wie im Prozess literarischer Verständigung Wertung zum Markieren von Verstehens- bzw. Interpretationsherausforderungen (oder -problemen?) interaktiv eingebunden wird. Neben der Analyse und Rekonstruktion der Bilderbuchrezeptionensprozesse ausgewählter Kindergruppen gilt es, die unterschiedlichen Lektüremodi zu bestimmen, um dann ihr Ineinandergreifen sowie ihr Einfluss auf ausgehandelte Werturteile genauer in den Blick zu nehmen.
Die Gruppengespräche wurden in sieben Klassen einer Hallenser Grundschule erhoben, videografiert und zusätzlich über ein Tonaufnahmegerät aufgezeichnet. Sämtliche Daten wurden transkribiert. Die Teilnahme an den Gruppengesprächen beschränkte sich auf jeweils eine Gruppe pro Klassenstufe. Insgesamt nahmen sieben Schülergruppen mit jeweils zwei Kindern an den Gesprächen teil.
Die Datenerhebung gliederte sich in zwei Phasen. In der ersten wurde den Kindern eine gleichsam ungelenkte und deutungsoffene Erstbegegnung mit einem ausgewählten Bilderbuch ermöglicht. In der zweiten Phase fand ein gemeinsames Lesen und Betrachten des Buches mit den Kindern und der Gesprächsleitung statt. Auf der Grundlage fachdidaktischer Gesichtspunkte erfolgte die Analyse ausgesuchter Buchszenen sowie die gemeinsame Reflexion entstandener Wertungsprozesse.
In beiden Phasen wurde jede Gruppe jeweils einmal befragt. Insgesamt stehen demnach 14 Gesprächsprotokolle und Videos zur Datengewinnung zur Verfügung.
Die Untersuchung der Daten erfolgt zum einen sequenzanalystisch (vgl. Heinzel 2012). Beobachtete Interaktionen werden analysiert und interpretiert (vgl. Deppermann, 2008). Einzelne Phänomene, wie die Lektüreorganisation der Proband:innenpaare oder ihre emotionale Ergriffenheit und ihr Einfluss auf explizite und implizite Werturteile werden, um den Prozesscharakter kindlichen Wertungshandelns gerecht zu werden, induktiv ermittelt, beschrieben und erklärt. Abschließend soll versucht werden, Thesen zum Wertehandeln abzuleiten, die den deutschdidaktischen Diskurs der Primarstufe bereichern/ ergänzen sollen (Przyborski 2004, Sammet und Erhard 2018).
The current discourse (cf. Zabka 2013; Heins 2017; Brendel-Perpina 2021) emphasizes the importance of literary texts, both for reading in general and for participation in literary practice fields. For primary education, the educational standards require that children should be able to choose texts based on reasons or describe and evaluate their own reading experiences. There is a lot of discussion in the teaching of reading and literature about how the targeted promotion of assessment competence can look like in practice. However, the views of the children are hardly taken into account here (see Jantzen 2019, p. 43). In addition, processes of reading selection for children are guided by preconceived offers. These often seem to be shaped by normative notions of the "good" or "typical" children’s book or the reading experiences and interests of adults.
The study focuses on the value judgments of children. The focus of the discussions is on the function of value in the process of reception and, in particular, how value is interactively integrated in the process of literary understanding to mark comprehension or interpretation challenges (or problems?) . In addition to analyzing and reconstructing the picture book reception processes of selected groups of children, it is important to determine the different modes of reading in order to take a closer look at their interplay and their influence on negotiated value judgments.
The group discussions were recorded in seven classes of a Hallen primary school, videographed and additionally recorded via a sound recording device. All data has been transcribed. Participation in the group discussions was limited to one group per class level. A total of seven groups of pupils, each with two children, took part in the discussions.
The data collection was divided into two phases. In the first, the children were able to have a rather unguided and open-ended first encounter with a selected picture book. In the second phase, the book was read and viewed together with the children and the conversation leader. On the basis of didactic aspects, selected book scenes were analysed as well as a joint reflection on the resulting evaluation processes.
In both phases, each group was interviewed once. A total of 14 conversation logs and videos are available for data acquisition.
On the one hand, the data is analyzed by sequence analysis (see Heinzel 2012). Observed interactions are analysed and interpreted (cf. Deppermann, 2008). In order to do justice to the process character of childish evaluation, individual phenomena, such as the reading organization of the test subjects' inner couples or their emotional involvement and their influence on explicit and implicit value judgments, are inductively determined, described and explained. Finally, we will try to derive theses on value trading that should enrich/complement the German didactic discourse at primary level (Przyborski 2004, Sammet and Erhard 2018).
Biographische Informationen/CV:
Ines Storch ist Grundschullehrerin in Halle (Saale). Seit 2016 ist sie zudem wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik im Arbeitsbereich Deutsch bei Prof. Dr. Michael Ritter an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ihr Forschungsinteresse gilt der Analyse kindlicher Rezeptionsprozesse zu Bilderbüchern. Insbesondere fokussiert sie die Modi literarischer Wertungsprozesse und wie diese in Bilderbuchgesprächen kollaborativ erschlossen werden.
Weitere Informationen/Additional information:
Raila Karsts Internetseite an der Universität Halle