Titel des Projekts/Title: Lesebereitschaft initiieren und stabilisieren durch IM-PALS. Design research-basierte Studie zum Intermedialen Partnerlesen für einen habituellen Nichtleser zur Förderung von Leseflüssigkeit und -motivation am Beispiel des Medienverbunds zu Michael Endes „Momo“
VerfasserIn/Author:
Marc Kudlowski
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Sprache/Language: Deutsch
Art des Projekts/Type: Dissertation
Projektlaufzeit/Duration: 2018-
Universität/University: Humboldt-Universität zu Berlin
Keywords: Fachdidaktische Entwicklungsforschung, Intermedialität, Leseförderung, Medienverbunddidaktik, Momo
Beschreibung/abstract:
Ein Viertel aller Schüler:innen in Deutschland verfügen am Ende der vierten Klasse nicht über ausreichende Lesekompetenz. Dieses Problem ist seit dem PISA-Schock im Jahr 2001 hinlänglich bekannt und betrifft insbesondere Jungen mit Migrationshintergrund, deren Eltern über begrenzte sozioökonomische Ressourcen verfügen. Aus diesem Grund wird im Dissertationsprojekt der in benachteiligter sozialer Lage, am Rande einer Großstadt lebende habituelle Nichtleser Boris mit dem Ziel gefördert, seinen im Bereich von Leseflüssigkeit und Lesemotivation aufgebauten Lernrückstand zu kompensieren. Dafür wird eine Methodenkombination aus Lesetandem und Intermedialer Lektüre entwicklungsorientiert erprobt. Entsprechend den Prinzipien der Fachdidaktischen Entwicklungsforschung (educational design research) wird die Methode unter Nutzung ausgewählter Medien des „Momo“-Verbunds über einen Zeitraum von zwölf Wochen optimiert. Das Ergebnis des Entwicklungsprozesses ist das verbundübergreifend einsetzbare InterMediale PArtnerLeSen (IM-PALS). Im Zusammenhang mit dem Entwicklungsprozess steht die forschungsleitende Fragestellung, inwiefern sich Leseflüssigkeit und Lesemotivation eines besonders leseschwachen Viertklässlers durch die medienverbundintegrative Intensivleseförderung mit einem professionellen Lesetutor verändern. Zur Beantwortung dieser Frage wird als Forschungsmethode neben der design research die ethnographisch-phänomenologische Vignettenforschung eingesetzt. Beide Methoden finden Anwendung im Rahmen einer Einzelfallstudie, die durch ein Mixed-Methods-Vertiefungsdesign quantitativ im Hinblick auf Leseflüssigkeit und qualitativ mit dem Schwerpunkt auf Lesemotivation ausgewertet wird.
Es zeigt sich, dass Boris am Ende des Förderzeitraums deutlich flüssiger und motivierter als zu Beginn liest. Flüssiger bedeutet vor allem nicht nur weniger fehleranfällig und zügiger zu lesen, sondern ebenso die Geschwindigkeit funktional zu regulieren und das Vorlesen sinnstiftend zu gestalten. Motivierter zeigt Boris sich insofern, als dass er seine ablehnende Haltung gegenüber dem Lesen aufgibt. Voraussetzung hierfür bildet die durchgehende Berücksichtigung des Zeichentrickfilms als Stützpunktmedium und der häufige, kleinschrittige Wechsel zwischen den Medien. Der zentrale Befund ist indes, dass durch die Rezeption im Medienverbund beim Lesen Kontexte bereitstehen, die zu intertextuellen und intermedialen Aktualisierungen des Gelesenen führen können. Es kommt vermutlich zu einer Anreicherung des mentalen Repräsentationsprozesses, wodurch das Textverstehen positiv beeinflusst wird. Als besonders wirkungsstark haben sich in dieser Hinsicht die AV-Medien i.w.S. und die Filmstills i.e.S. erwiesen. Beim begleiteten Lautlesen sind es insbesondere die Modi des abwechselnden und des szenischen Lesens, die von Boris präferiert werden – dies sind diejenigen mit der geringsten Supportintensität durch den Mentor. Hingegen eher demotivierend wirken auf Boris diejenigen Modi des Partnerlesens, bei denen ein Abschnitt mehrfach gelesen werden soll, da hierdurch keine Handlungsprogression zustande kommt.
A quarter of all pupils in Germany do not have sufficient reading skills at the end of the fourth grade. This problem has been well known since the PISA shock in 2001 and particularly affects boys with a migration background whose parents have limited socio-economic resources. For this reason, Boris, a habitual non-reader living in a disadvantaged social situation on the outskirts of a large city, is supported in this qualification project with the aim of compensating for his learning deficits in the areas of reading fluency and reading motivation. For this purpose, a method combination of partner reading and the Intermediale Lektüre is tested in a development-oriented way. In accordance with the principles of educational design research, the method is optimised over a period of twelve weeks using selected media from the "Momo" media mix. The result of the development process is IM-PALS (InterMediales PArtnerLeSen), which can be applied to every media mix. In connection with the development process, the research question is to what extent reading fluency and reading motivation of a disfluent reading fourth grader change as a result of the media mix integrative intensive reading support with a professional reading tutor. In addition to design research, ethnographic-phenomenological vignette research is used as a research method to answer this question. Both methods are applied within the framework of a single case study, which is evaluated quantitatively with regard to reading fluency and qualitatively with a focus on reading motivation through a mixed-methods explanatory sequential design.
It turns out that Boris reads significantly more fluently and motivated at the end of the support period than at the beginning. More fluent means above all not only reading less error-prone and faster, but also regulating the speed functionally and making the reading aloud meaningful. Boris is more motivated insofar as he gives up his negative attitude towards reading. The prerequisite for this is the continuous consideration of the animated film as a supporting medium and the frequent, small-step change between the media. The central finding, however, is that through reception in the media mix, contexts are available during reading that can lead to intertextual and intermedial updating of what is read. This presumably leads to an enrichment of the mental representation process, which has a positive influence on text comprehension. AV media in a broad sense and film stills in a narrow sense have proven to be particularly effective in this respect. In the case of partner reading, it is especially the modes of cloze and play reading that are preferred by Boris – these are the ones with the least support intensity from the mentor. Incidentally, those modes of partner reading that require a section to be read several times have a rather demotivating effect on Boris, as there is no progression in the plot achieved through this.
Biographische Informationen/CV:
Marc Kudlowski ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsche Sprache und Literatur II der Universität zu Köln und Mitherausgeber der "Bremer Bilderbuch-Gespräche". Seine Arbeitsschwerpunkte sind Medienverbunddidaktik und didaktische Potenziale von Text-Bild-Narrationen.
Weitere Informationen/Additional information:
Marc Kudlowskis Internetseite an der Universität zu Köln