Titel des Projekts/Title: Das Motiv der Nacht seit 1945. Eine transmediale Betrachtung in Kinder- und Jugendmedien
VerfasserIn/Author:
Joelina Mayeres
(
Sprache/Language: Deutsch
Art des Projekts/Type: Dissertation
Projektlaufzeit/Duration: 2025-
Universität/University: Universität Hamburg
Keywords: Kinder- und Jugendmedien, Bilderbuch, Motiv der Nacht, Motivanalyse, Kindheits- und Jugendforschung, Soziologie, Literatur- und Medienwissenschaft
Beschreibung/abstract:
Die Nacht – eine Zeit, in der Träume zur Wirklichkeit werden, in der dunkle Gestalten mit ebenso dunklen Intentionen häufig ihr Unwesen treiben, in der namenlos Unbekanntes waltet, moralisch Verwerfliches eher zutage tritt. Während die Welt in der Nacht mehr oder weniger stillzustehen scheint, bleibt mehr Zeit für die Reflexion am Tag getroffener Entscheidungen oder Aktivitäten, was mitunter zur (Selbst-)Erkenntnis führen kann.
Die Nacht ist mehr als nur die Zeit der Dunkelheit zwischen Sonnenuntergang und -aufgang. Wenngleich sie konventionell für Erholung und Ruhe und – zumindest vorwiegend – dem Träumen vorbehalten ist, übt die Nacht zugleich eine eigentümliche Faszination aus. Viele junge Erwachsene lösen sich von den im Kindesalter auferlegten Konventionen – die Nacht bietet ihnen eine Bühne und schafft einen gewissen Raum für Freiheit, der auf unterschiedliche Weise und mit unterschiedlicher Intensität ausgelebt wird. Daher variieren die Erfahrungen in Bezug auf die Nacht in den Erwachsenengenerationen erheblich, einige bezeichnen sich sogar als 'Nachteulen'.
Das Sehvermögen ist bei Dunkelheit trotz der geringen Lichtquellen von Mond, Sternen bzw. künstlich erzeugten Feuers oder Elektrizität eingeschränkt. Konturen verschwimmen, die Umwelt und Gegenstände verlieren ihre gewohnte Schärfe, die Welt erscheint verfremdet. Dies kann mentale Täuschungen hervorrufen, aber eben auch die Vorstellungskraft anregen. Diese Zeit der Ungewissheit und des Unbekannten kann (Un-)Behagen auslösen.
Gerade weil sich die Nacht den Erfahrungsräumen von Kindern und Jugendlichen weitgehend entzieht, weckt sie ihre Neugier. Sobald Jugendliche zunehmende Selbstständigkeit erlangen, zieht die Nacht geradezu an. Für nächtliche Aktivitäten wie Verabredungen bei Nacht, Übernachtungsfeiern oder Nachtwanderungen sowie für Mystisches, Phantastisches sind aber auch schon Kinder zu begeistern. So ist es nicht verwunderlich, dass die Nacht auch ein beliebtes Motiv in der Literatur für Kinder und Jugendliche darstellt.
Beispielsweise betont der Titel des Jugendromans "Die Nacht gehört den Drachen" von Alexia Casale die Bedeutung der Nacht und kann allegorisch Furcht auslösen, sofern Drachen als gefährlich wahrgenommen werden. Ein weniger mystisch anmutendes Tier, das ebenfalls mit Nacht und Furcht assoziiert wird, ist der 'Wolf'‘' in den Titeln der Kinderromane von Saša Stanišić oder Sid Sharp. Im Gegensatz dazu nutzen Bilderbücher peritextuell häufig den Mond, um auf die Nacht zu verweisen. Insgesamt evoziert die Nacht in oben genannten Beispielen durch das Unbekannte und Unerfahrene eine gewisse Spannung und kann Rezipierende bereits durch den Paratext emotional ansprechen.
Die oben angerissene Betrachtung leitet zu der Fragestellung des Promotionsprojektes über, inwiefern die Darstellung der Nacht einen Zugang zu, ggf. kulturell bedingten, realen Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen ermöglicht. Dazu wird zunächst die Darstellung der Nacht mithilfe des transmedialen Modells der Motivanalyse von Kurwinkel und Jakobi (2022) synchron analysiert, wobei ein besonderer Fokus auf der diskursiven Umsetzung liegt. Dabei werden intertextuelle und gegebenenfalls sogar metatextuelle Beziehungen untersucht sowie übergeordnete Verbindungen, zum Beispiel zu kulturellen und gesellschaftlichen Kontexten hergestellt. Anschließend gibt ein diachroner Vergleich der gewonnenen Erkenntnisse Einblick in deren Entwicklungen und leitet zu oben genannter Transferfrage über. Neben Kinder- und Jugendromanen werden auch Bilderbücher einbezogen, bei denen sowohl der Schrifttext als auch der Bildtext Aufschluss über die Darstellung der Nacht gibt. Die Nominierungen und Auszeichnungen des Deutschen Jugendliteraturpreises bieten Orientierung bei der Auswahl der Primärmedien. Das transmediale Modell ermöglicht überdies Seitenblicke auf mögliche Adaptionen der Printmedien zu werfen, was die Erkenntnisse um intra- bzw. intermediale Beziehungen ergänzt.
The night – a time when dreams become reality, when shadowy figures with equally dark intentions roam frequently, when the nameless and unknown prevail, and when morally questionable matters are more likely to surface. At night, the world seems to stand still, leaving more time for reflection on decisions or actions taken during the day, sometimes even leading to (self-)realization.
Although the night is conventionally associated with rest and sleep – and, predominantly, with dreaming – children and adolescents are especially fascinated by experiences that lie beyond their usual frame of reference. Nocturnal gatherings, sleepovers, night hikes, as well as mystical and fantastical elements, hold particular appeal. It is therefore unsurprising that the night is a recurring motif in children's and young adult literature. In these narratives, night evokes suspense through its assiciations with the unknown and the unfamiliar, creating an emotional connection with the audience.
At night, vision is limited, with only the moon, stars, or artificial light sources such as fire and electricity providing illumination. Contours blur, and objects lose their familiar shapes, rendering the world strange and unfamiliar. This altered perception can give rise to illusions – or even stimulate the imagination. This unfamiliarity may trigger both comfort and discomfort.
Precisely because night remains largely beyond children’s lived experience, it sparks their curiosity. As they grow older and gain independence, they become increasingly drawn to nighttime activities such as sleepovers, nighttime hikes, or themes of the mystical and fantastical. This fascination explains why the night is such a prominent motif in children's and young adult media.
Some book titles already evoke suspense before the text is even read. 'The bone Dragon' from Alexia Casale – or "Die Nacht gehört den Drachen" in the German edition – suggests fear allegorically, particularly if dragons are considered as dangerous. Less mystical, but similarly associated with fear and night, is the figure of the‚wolf‘ in works by Saša Stanišić or Sid Sharp. In contrast, picturebooks often refer to the night peritextually by featuring the moon. The unknwon and the unfamiliar generate tension and can emotionally engage readers even before they begin reading.
These considerations lead to the central question of the doctoral project: To what extent does the depiction of night allow access to real, potentially culturally shaped notions held by children and adolescents? To explore this, representations of night will first be analyzed synchronically using the transmedial model of motif analysis by Kurwinkel and Jakobi (2022), with a particular attention to discursive realization. This includes examining intertextual and possibly metatextual relationships, as well as overarching connections to cultural and societal contexts. A subsequent diachronic comparison of the findings will provide insights into their development and leads back to the central research question.
In addition to children's and young adult novels, picture books will be analyzed, considering both textual and visual elements in their portrayal of night. The nominations and winners of the German Youth Literature Prize will serve as a reference for selecting primary texts. The transmedial model further enables a closer look at possible adaptations of print media, enriching the analysis through intra- and intermedial relationsships.
Biographische Informationen/CV:
Joelina Mayeres studierte bis 2022 die Fächer Germanistik, Mathematik, katholische Religion und Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen und schloss mit dem Master of Education ab. Währenddessen arbeitete sie als wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich Literaturwissenschaft und -didaktik Deutsch für die Primarstufe mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendliteratur an verschiedenen Projekten mit. Seit 2025 promoviert sie an der Universität Hamburg bei Prof. Dr. Kurwinkel im Fachbereich Sprache, Literatur, Medien I (SLM I).