Explikat

"Zweiter wichtiger Umsatzträger für den Buchhandel – nach der Belletristik – ist und bleibt das Kinder- und Jugendbuch", so der Börsenverein des Deutschen Buchhandels (BuBiZ 2016, S. 15); die Warengruppe ist "Hoffnungsträger[ ]" der Branche (BuBiZ 2014, S. 19). Seit 2011 erwirtschaften die Produkte in der Hauptwarengruppe 2 konstant etwa 16% des Gesamtumsatzes des deutschen Buchmarkts; 2015 waren es 15,8% (BuBiZ 2014, S. 14 mit Tab. 4; BuBiZ 2016, S. 15 mit Tab. 4). 2013 konnte ein Umsatzplus von 1,3% erzielt werden, wobei besonders die Bilderbuchsparte Erfolg verbuchen konnte. Das Bilderbuch allein erzielte 2013 ein Umsatzplus von 5,2% gegenüber dem Vorjahr. Die Hauptwarengruppe 2 zerfällt nach WGSneu in verschiedene Untersegmente; eine Altersgrenze wird gezogen zwischen Kinderbüchern (bis 11 Jahre) und Jugendbüchern (ab 12 Jahre). Innerhalb der Hauptwarengruppe wird wie folgt unterschieden: Bilderbücher, Vorlesebücher/Märchen/Sagen/Reime/Lieder, Erstlesealter/Vorschulalter, Kinderbücher bis 11 Jahre, Jugendbücher ab 12 Jahre, Biografien, Sachbücher/Sachbilderbücher, Spielen/Lernen. Es ist beim derzeitigen Kategoriensystem unvermeidbar, dass viele Produkte nicht eindeutig zugeordnet werden können. 


Tabelle: Umsatzanteile im Sortimentsbuchhandel und in Warenhäusern innerhalb der Warengruppe Kinder- und Jugendbücher 2015 (in Prozent)

Der Kinder- und Jugendbuchmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen ganz am Ende einer Kette von Vermittlern steht – von sogenannten Gatekeepern. Gatekeeper sind Erwachsene, die sich beruflich mit Büchern und Literatur beschäftigen. Dies können Autoren, Lektoren, Verleger, Buchhändler, Bibliothekare, Kritiker, Journalisten oder Lehrer sein. Gatekeeper verantworten den gesamten literarischen Prozess, vom ersten kreativen Impuls des Schriftstellers bis hin zur Präsentation im Buchhandel. Aber auch Eltern oder Großeltern fungieren als Gatekeeper, denn sie treffen gerade bei kleineren Kindern die Kaufentscheidung im Sortimentsbuchhandel; bei Buchgeschenken trifft dies auch für ältere Kinder und Jugendliche zu. Gerade im Kinder- und Jugendbuchsegment wird die Beratung vor Ort von den Kunden geschätzt. Laut Umfragen geht die "Mehrheit der Befragten […] in den Buchhandel vor Ort, um Kinder- und Jugendbücher zu kaufen – gleichgültig, ob in die kleinere (2013: 61 Prozent) oder die größere Buchhandlung (2013: 58 Prozent)" (Börsenverein: Lebendig und wandelbar, 09.10.2013). Im Kinder- und Jugendbuchmarkt spielt auch der Bereich der E-Books (noch) keine große Rolle. 2013 waren nur 3,1% der neu gemeldeten E-Books Kinder- und Jugendbücher (BuBiZ 2014, S. 31) – diese Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten, da es hier ausschließlich um Buchhandelsprodukte geht; Kinderbuch-Apps, die außerhalb des regulären Buchhandels angeboten werden, gehen in diese Statistik nicht mit ein.

Es gibt zahlreiche Kinderbuchverlage, die sich auf die Gattung spezialisiert haben, etwa der Arena Verlag, der Carlsen Verlag oder der Ueberreuter Verlag. Es mischen jedoch auch Verlage auf dem Kinder- und Jugendbuchmarkt mit, die ursprünglich Verlage für ausschließlich erwachsene Lesergruppen waren. Ein Beispiel hierfür ist der Fachverlag Beltz, der 1971 in Zusammenarbeit mit dem berühmten Verleger Hans-Joachim Gelberg das Kinder- und Jugendbuchimprint Beltz & Gelberg schuf. Auch der Rowohlt Verlag, der seit 1908 besteht, aber erst 1972 mit der Gründung der Reihe rororo rotfuchs ein Kinder- und Jugendbuchprogramm im Verlag etablierte, kann in diesem Zusammenhang angeführt werden. Zu den Verlagen, die im Kinder- und Jugendbuchmarkt aktiv sind, lässt sich noch hinzufügen, dass sich viele in der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen e.V. (avj) des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels organisiert haben. Zudem gibt es den Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V., der beispielsweise bei der Ausrichtung des Deutschen Jugendliteraturpreises koordiniert.

Forschungsgeschichte

Traditionell ist Buchmarkt-, Buchhandels- und Verlagsgeschichte das Arbeitsfeld der Buchwissenschaft (vgl. Füssel/Norrick-Rühl 2014, S. 55-67), einer in Deutschland vergleichsweise breit aufgestellten Disziplin. 1981 schrieb der Politikwissenschaftler Bernd Otto, dass er "über Jugendbuchverlage kaum wissenschaftliche Informationen" gefunden habe (Otto 1981, S. 94). Es fehlte nicht nur an Einzelstudien, sondern auch an Überblicksliteratur. Diesen Umstand haben auch die letzten knapp 35 Jahre buchwissenschaftlicher Forschung kaum verändert. Es findet zwar zunehmend in den Philologien eine Auseinandersetzung mit Kinder- und Jugendliteratur statt. "Doch die Kinder- und Jugendbuchverlage werden als Akteure im kinderliterarischen Kräftefeld nicht oft ins Blickfeld genommen". Gerade bei Verlagen, die Taschenbücher, verschiedene Serien, Comics oder andere populäre Lesestoffe vertreiben, "gestaltet sich die Literaturlage äußerst schwierig, weil hier sowohl der Inhalt als auch die Form als minderwertig eingestuft werden" (Norrick-Rühl 2014, S. 9). Im Auftrag der Historischen Kommission des Börsenvereins wird derzeit eine mehrbändige Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert geschrieben; es sind bereits Bände zur Kaiserzeit und zur Weimarer Republik erschienen, und es folgen in den nächsten Jahren Bände zur Buchhandelsgeschichte des Dritten Reichs, der Besatzungszeit sowie der Bundesrepublik Deutschland. In diesen Handbüchern werden erfreulicherweise auch immer Kinder- und Jugendbuchverlage berücksichtigt (vgl. Dettmar/Ewers/Liebert/Ries 2003 und Karrenbrock 2012); damit wird immerhin ein wichtiger Teil des Kinder- und Jugendbuchmarkts vorgestellt.

Während die Buchwissenschaft traditionell meistens eine historisch-hermeneutische Herangehensweise wählt, können sozialwissenschaftliche Methoden für eine Betrachtung des Kinder- und Jugendbuchmarkts durchaus fruchtbar sein. Im Rahmen von Lese-, Leser- und Buchmarktforschung kommt dem Kinder- und Jugendbuchmarkt der Gegenwart viel Aufmerksamkeit zu. Dabei sind zum Beispiel die regelmäßig durchgeführten Kinder- und Jugendbuchstudien des Börsenvereins des deutschen Buchhandels in Zusammenarbeit mit der bereits erwähnten avj und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zu nennen: "die Zielsetzung […] ist eine kontinuierliche, alle drei Jahre stattfindende Untersuchung zur Bedeutung und Entwicklung der Kinder- und Jugendbücher bei Konsumenten" (Börsenverein: Kinder- und Jugendbuchstudie). Auch die Vorlesestudien der Stiftung Lesen sind in diesem Zusammenhang erwähnenswert; diese erscheinen seit 2007 jährlich. Zuletzt wurde im Oktober 2014 die Studie "Vorlesen macht Familien stark" vorgestellt (Stiftung Lesen: Vorlesestudie 2014, 29.10.2014). Ferner werden regelmäßig seit Ende der 1990er Jahre vom Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest die sogenannten KIM- und JIM-Studien (Kinder/Jugend, Information, [Multi-]Media) durchgeführt (vgl. u.a. mpfs 2013). 2010 ist zudem eine unabhängige empirisch angelegte Studie erschienen, in der die Kommunikationswissenschaftlerin Bärbel G. Renner den Kinderbuchmarkt aus Marketing-Sicht analysierte (vgl. Renner 2010). All dieses vorhandene Material zum Kinder- und Jugendbuchmarkt kann und sollte als Grundlage für weitere Forschungsvorhaben dienen. Denn im Bereich des Kinder- und Jugendbuchmarkts ist aus historischer und aktueller Sicht noch viel Forschungspotenzial vorhanden.


Bibliografie

  • Börsenverein des deutschen Buchhandels: Buch und Buchhandel in Zahlen 2014. Frankfurt am Main: MVB, 2014.
  • Börsenverein des deutschen Buchhandels: Buch und Buchhandel in Zahlen 2016. Frankfurt am Main: MVB, 2016.
  • Börsenverein des deutschen Buchhandels: Kinder- und Jugendbuchstudie. http://www.boersenverein.de/de/portal/Kinder_und_Jugendbuchstudie/641180 [22.02.2015].
  • Börsenverein des deutschen Buchhandels: Lebendig und wandelbar: der aktuelle Kinder- und Jugendbuchmarkt in Deutschland. Presse-Information. 09.10.2013. http://www.boersenverein.de/de/portal/Presse/639849 (21.02.2015).
  • Börsenverein des deutschen Buchhandels: Warengruppen-Systematik neu (WGSneu) – Version 2.0. Einheitlicher Branchenstandard ab 1. Januar 2007 (Stand: 15.07.06). http://info.vlb.de/files/wgsneuversion2_0.pdf (21.02.2015).
  • Dettmar, Ute/Ewers, Hans-Heino/Liebert, Ute/Ries, Hans: Kinder- und Jugendbuchverlag. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 1, Das Kaiserreich 1871-1918. Teil 3. Hrsg. von Georg Jäger. Berlin [u.a.]: de Gruyter, 2003, S. 103-163.
  • Füssel, Stephan/Norrick-Rühl, Corinna: Einführung in die Buchwissenschaft. Unter Mitarbeit von Dominique Pleimling und Anke Vogel. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2014.
  • Karrenbrock, Helga: Kinder- und Jugendbuchverlage. In: Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2, Die Weimarer Republik 1919-1933. Teil 2. Hrsg. von Ernst Fischer und Stephan Füssel. Berlin [u.a.]: de Gruyter, 2012, S. 183-218, mpfs (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest): 15 Jahre JIM-Studie. PM 6/13. 5.12.2013. https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2013/15JahreJIMStudie.pdf [22.02.2015].
  • Norrick-Rühl, Corinna: rotfuchs, panther & Co. rororo-Taschenbücher für junge Zielgruppen im gesellschaftlichen Umbruch der 1970er und 1980er Jahre. Wiesbaden: Harrassowitz 2014 (= Mainzer Studien zur Buchwissenschaft; 24).
  • Renner, Bärbel G.: Kommunikationspolitik im Kinderbuchmarkt. Eine empirische Untersuchung zu den kommunikationspolitischen Maßnahmen von Kinderbuchverlagen im Kontext des Marketing-Mix. München: peniope, 2010.
  • Stiftung Lesen: Vorlesestudie 2014. Vorlesen macht Familien stark. 29.10.2014. http://www.stiftunglesen.de/download.php?type=documentpdf&id=1357 [22.02.2015].