Explikat 

Die offene Form des Dramas verneint die drei von Aristoteles benannten Elemente – Anfang, Mitte und Ende (vgl. Aristoteles 2014, S. 25) – bzw. setzt auf eine Handlung, deren Anfang und Ende sich nicht festschreiben lässt: "Das Geschehen setzt unvermittelt ein und bricht unvermittelt ab." (Klotz 2011, S. 488)

Anstelle der Einheit von Handlung, Ort und Zeit sieht Volker Klotz in seinen Ausführungen zum offenen Drama eine "Vielheit von Handlung, Raum und Zeit" (Klotz 2011, S. 487) realisiert. Während das geschlossene Drama zudem über ein Figurenensemble verfüge, das der Ständeklausel entspräche und sich durch einen einheitlichen und hohen Sprachstil auszeichne (vgl. ebd. S. 486), sei dies bei der offenen Form nicht der Fall (vgl. ebd. S. 489). 

Das Drama Patrick Anderthalb von Michael Druker trägt Züge des offenen Dramas, indem es bspw. nur einen kleinen Ausschnitt im Leben der drei handelnden Figuren zeigt und unvermittelt beginnt und auch ebenso endet: 

Ein Auto hupt draußen. 
Schweigen. 
Patrick dreht sich um und geht. 

GÖRAN Patrick! Warte doch mal! – Brauchst du was, Geld oder …
PATRICK Danke, nein. Ich komm schon klar! 

Patrick geht hinaus.
Sven und Göran allein. 

SVEN Seltsames Gefühl!
GÖRAN Ja. 

Pause. 

SVEN Der kommt schon klar!

GÖRAN Ja.
PATRICK kommt zurück. Meine Jacke. 

Er sieht Göran und Sven an, die sehen ihn an. 
Das Licht geht langsam aus. 

(Druker 2009, S. 55-56)

Zudem lässt sich aus den drei Figuren keine Haupt- oder Nebenfigur herauskristallisieren, sondern die drei Figuren, die sich zudem bezüglich ihres Sprachniveaus voneinander unterscheiden, haben gleichermaßen Anspruch auf einen Status als Hauptfigur.  

GÖRAN Fängst du mit dem Essen an, Sven?
PATRICK Was gibt es denn?
SVEN Kartoffeln, Fisch und Gemüse … wenn es denn Herren zusagt!
PATRICK Scheiße. 

(ebd. S. 25)

Darüber hinaus lassen sich die Figuren nicht nur nicht hierarchisch ordnen; auch eine Einordnung in Protagonist und Antagonist ist nicht möglich. So wie Volker Klotz festhält, dass als Gegenspieler im offenen Drama keine Person sondern die Welt selbst gelte (vgl. Klotz 2011, S. 489), ist auch in Patrick Anderthalb keine der Figuren der 'feindliche' Gegenspieler. Vielmehr sind es zwischenmenschliche Beziehungen – die Gesellschaft selbst – die für Konflikte sorgen. 

 


Bibliografie

Primärliteratur

  • Aristoteles: Die Poetik. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam, 2014.
  • Druker, Michael: Patrick Anderthalb. In: Spielplatz 22. Fünf Theaterstücke über Väter und Söhne. Hrsg. von Thomas Maagh. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 2009. S. 7-56.

Sekundärliteratur

  • Klotz, Volker: Geschlossene und offene Form im Drama (1960). In: Dramentheorie. Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg. von Peter Langemeyer. Stuttgart: Reclam, 2011. S. 483-492.