Im Diskurs über Literatur in Leichter Sprache und vereinfachte Lektüreausgaben ist derzeit die Thematisierung verschiedener Konzepte erkennbar, die sich terminologisch und begrifflich z.T. unterscheiden, teilweise aber auch überlagern. Im Folgenden wird die für deutschdidaktische Kontexte relevante Unterscheidung zwischen Leichter und Einfacher Sprache dargestellt und ein Überblick zu den Problemen und Potenzialen des Einsatzes von vereinfachten Lektüren und literarischen Texten in Leichter Sprache im Unterricht von Deutsch und Deutsch als Fremdsprache (DaF) bzw. Deutsch als Zweitsprache (DaZ) gegeben.

Begriffsdefinitionen: Leichte Sprache und Einfache Sprache

Nach Bredel und Maaß (vgl. 2016: 58f., 2018: 3f.) kann Leichte Sprache als eine regulierte Varietät des Deutschen kategorisiert werden, die, um Personen mit eingeschränktem Perzeptionsvermögen und Leseverstehen eine bessere Rezipierbarkeit zu ermöglichen,

  • insbesondere in den Bereichen Lexikon, (Morpho-)Syntax und Pragmatik/Text systematisch bestimmten Regeln folgt,
  • auch mit Blick auf Typographie und Layout Kriterien der leichten Lesbarkeit und Verständlichkeit berücksichtigt,
  • insgesamt hinsichtlich des Sprach- und Weltwissens an die Voraussetzungen der Zielgruppe angepasst bzw. reduziert ist.

Regulierung bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Varietät auf "gezielte sprachplanerische Aktivitäten zurückgeht" (Bredel/Maaß 2016: 58). Wichtig zu berücksichtigen ist aber, dass Leichte Sprache eigentlich ein laienlinguistisches Phänomen ist, dass „intuitiv in der Praxis entwickelt [wurde]“ und dessen "Ursprünge in der Selbstvertretungs-Bewegung von Menschen mit Behinderung [liegen]" (Bock et al. 2017: 10). Das, was im öffentlichen Diskurs und der Anwendungspraxis unter Leichter Sprache verstanden wird, ist uneinheitlich und unterscheidet sich zudem in Teilen von den ebenfalls heterogenen Auffassungen im wissenschaftlichen Diskurs (vgl. Bock 2018a, Bock et al. 2017; Bredel/Maaß 2018).[1]
In der fachlichen Diskussion wird Leichte Sprache außerdem als "Form der barrierefreien Kommunikation" (Bock et al. 2017: 10) sowie auch als "Instrument der Inklusion" (Maaß 2015a: 8) eingeordnet: Menschen mit verschiedenen, z.B. kognitiven oder sensorischen Beeinträchtigungen haben ein "gesetzlich verankertes Recht, Informationen in Leichter Sprache zu erhalten" (Maaß 2015b: 4[2]), damit sie sich eigenständig und selbstbestimmt Zugang vor allem zu solchen Informationen beschaffen können, die i.d.R. nur schriftlich vorliegen und bearbeitet werden (bspw. amtliche Formulare, Gesetzestexte). Konzeptionen zu Leichter Sprache sind daher zurzeit vornehmlich auf Sach-, Fach- und Informationstexte bezogen – auch wenn literarische Texte in Leichter Sprache existieren. Köster (2018: 58) zufolge schließt der durch die UN-Behindertenrechtskonvention für alle Menschen geforderte Zugang zu kulturellem Material auch den selbstständigen Zugang zu Literatur ein.

Explikat

Es gibt Hinweise darauf, dass Texte in Leichter Sprache nicht nur von Menschen mit kognitiven oder sensorischen Beeinträchtigungen, sondern von einem größeren Personenkreis genutzt werden. Als mögliche Adressatinnen und Adressaten von Leichter Sprache führt Maaß (2015a: 14) generell alle Menschen auf, "denen standardsprachliche oder fachsprachliche Texte Probleme bereiten." Dazu zählen neben Menschen mit geistiger Behinderung oder Sinnesbehinderung außerdem von Demenz- oder Aphasie-Betroffene, funktionale Analphabetinnen und Analphabeten sowie Personen mit geringen Deutschkenntnissen, d.h. L2-Lernernde (vgl. Bredel/Maaß 2016: 140). Weiter differenzieren lässt sich die Adressatenschaft in Personen, die aufgrund von Einschränkungen auf Texte in Leichter Sprache tatsächlich angewiesen sind (primäre Adressatinnen und Adressaten, vgl. ebd.: 140ff.) und solchen Personen, die eigentlich einen Zugang zu standard-, allgemein oder fachsprachlichen Texten haben, aber dennoch auf Leichte Sprache als Ressource zurückgreifen (sekundäre Adressatinnen und Adressaten, vgl. Bredel/Maaß 2016: 172ff.). Der Kreis potentieller Adressatinnen und Adressaten von Leichter Sprache ist also ausgesprochen heterogen und es ergeben sich für die verschiedenen Gruppen je unterschiedliche, teilweise auch widersprüchliche Anforderungen an entsprechende Texte. Nicht nur zwischen den einzelnen Adressatengruppen, sondern auch innerhalb dieser muss hinsichtlich der Voraussetzungen, die die Lesenden für die Textrezeption mitbringen, von erheblichen Unterschieden ausgegangen werden (vgl. z.B. Heine 2018).

Die 'Umwandlung' eines Textes in Leichte Sprache wird einerseits als Übersetzung von Varietäten bezeichnet (vgl. Maaß 2015b: 3f.), andererseits als spezifisches Sprachhandeln betrachtet, das durch Kontext und Zielgruppe bestimmt wird (vgl. Bock 2015: 10; Bock 2018: 18). In beiden Fällen stellen Übertragungsprozesse von Texten in Leichte Sprache eine besondere Herausforderung dar, weil Hilfsmittel wie Wörterbücher und Grammatiken für diesen Bereich bisher nur in sehr begrenztem Umfang existieren. Der überwiegende Teil der vorliegenden Regelwerke ist aus der Praxis heraus entstanden und dadurch relativ heterogen, z.T. auch unsystematisch. Eine "Professionalisierung" der Übersetzung in Leichte Sprache setzt gerade erst ein (Maaß 2015b: 3).

Alle Regeln, die für die Leichte Sprache etabliert wurden, dienen dem übergeordneten Ziel, einen für die jeweilige Zielgruppe möglichst leicht verständlichen Text zu produzieren. Um einen besseren Eindruck von den Prinzipien zu vermitteln, die bei der Übersetzung eines Textes in Leichte Sprache zur Anwendung kommen, sollen diese im Folgenden an einem Beispiel verdeutlicht werden. Dafür wird eine Übersetzung des Märchens Rotkäppchen herangezogen, die von der Forschungsstelle Leichte Sprache an der Universität Hildesheim wissenschaftlich geprüft wurde (vgl. https://www.uni-hildesheim.de/leichtesprache/)[3]. Für das Beispiel ist in Abbildung 1 auf der linken Seite der Märchenanfang in der Ausgabe nach den Brüdern Grimm und auf der rechten Seite in Leichter Sprache dargestellt. An der Übersetzung in Leichte Sprache ist zunächst auffällig, dass dem Text eine Anmerkung vorangestellt ist, die die typische Formulierung "Es war einmal" erläutert und die Textsorte Märchen als "alte Geschichte" charakterisiert. Solche Erklärungen machen für wenig versierte Lesende Textinformationen explizit, die bei erfahrenen Lesenden als bekannt vorausgesetzt werden. An der Vorbemerkung wird damit ein zentrales Spannungsverhältnis, das sog. "Quantitätsdilemma" (Bredel/Maaß 2018: 10) deutlich, in dem Leichte-Sprache-Übersetzungen sich stets bewegen: Es werden zusätzliche Informationen angeboten, die auf eine bessere Verständlichkeit abzielen, sich dabei aber gleichzeitig auf die Länge des Textes auswirken.

Abb. 1: Vergleich eines Märchenanfang in der Fassung der Brüder Grimm und in Leichter Sprache

Eine wichtige Funktion der Erläuterungen in der Vorbemerkung ist es, den fiktionalen Status des Textes zu kennzeichnen. Während dieses Markieren von Fiktionalität in literarischen Erzähltexten i.d.R. (auch) über die Nutzung des Präteritums verläuft, wird bei Übersetzungen in Leichte Sprache auf diese Tempusform weitgehend verzichtet, da sie als schwer zu verstehen gilt (vgl. Maaß 2015a: 76, Bredel/Maaß 2016: 327). Die Vorbemerkung kann damit insgesamt als eine Rahmung verstanden werden, die es in der Folge möglich macht, den Text im leichter verständlichen Präsens zu erzählen (vgl. Bredel/Maaß 2016: 325). Als Entlastung soll auch das Bild fungieren, auf dem das Rotkäppchen ergänzend zum Text visualisiert wird (obwohl hier ungünstig erscheint, dass die rote Kappe eher als Umhang dargestellt wird).

In den ersten Zeilen der Übersetzung wird ein weiteres Prinzip Leichter Sprache deutlich: Die Sätze bestehen aus einzelnen Aussagen, die jeweils in einer eigener Zeile stehen. Da für Leichte-Sprache-Texte ein "Nebensatzverbot" (Bredel/Maaß 2016: 255) besteht, kommen keine Satzgefüge vor. Bedeutungsbeziehungen, die ohne Nebensatzkonstruktionen schwierig zu realisieren sind, können aber z.T. mithilfe von Doppelpunktkonstruktionen kompensiert werden (Bredel/Maaß 2016: 255). Insbesondere im Vergleich der Eröffnungssätze der Textversionen wird deutlich, dass für die Übersetzung in Leichte Sprache eine komplexe Satzstruktur aufgelöst und der Inhalt auf die zentrale Aussage "Ein Mädchen hat eine Groß·mutter." reduziert wurde. Gegenüber der Brüder-Grimm-Fassung entfällt dadurch vor allem die anspruchsvolle Aufgabe, die Zusammenhänge zwischen den genannten Figuren und den verschiedenen Formen der Wiederaufnahme nachvollziehen zu müssen (Dirne + die + sie + ihre + dem Kinde). Gleichzeitig werden durch die Kürzungen die ausführlichere Charakterisierung des Rotkäppchens als "klein" und "süß" sowie auch die typisch altertümliche Sprache (z.B. "Dirne") zugunsten der Verständlichkeit getilgt. An der Schreibweise von "Rot∙käppchen" und "Groß·mutter" (Abb. 1, rechts, Z. 3 und 5) wird deutlich, wie mit Hilfe eines sog. Mediopunkts längere Wörter an Wortfugen unterteilt und dadurch besser erschließbar gemacht werden. Beim Blick auf die Gesamtgestaltung des Textes fällt außerdem auf, dass er eine größere Schrifttype verwendet und mit Einrückungen versehen ist. Die Einrückungen können verschiedene Funktionen übernehmen (z.B. Hierarchisierung von Informationen, Anzeigen von Erläuterungen oder Stimmenwechsel, vgl. Bredel/Maaß 2016: 503). In Zeile 7 zeigt die Einrückung die Erklärung zur vorausgehenden Aussage an, dass ein "Käppchen" eine "kleine Mütze" ist. Aufgrund der Tatsache, dass in Leichter Sprache nicht nur Nebensätze, sondern auch eine Reihe von Kohärenzmarkern vermieden werden (z.B. Verzicht auf das kausale weil, Abb. 1, links, Z. 6), sollen solche Einrückungen die Erschließung von Text- und Inhaltsstrukturen unterstützen.

Die Ausführungen zum Märchenbeginn mögen verdeutlichen, dass die Restriktionen, die für Übersetzungen von Texten in Leichte Sprache angelegt werden, sehr weitreichend sind, obwohl hier nur ausgewählte Aspekte thematisiert wurden. Die sprachlichen und typografischen Vorgaben greifen tief in den Text ein und betreffen unterschiedliche Ebenen. Nach Bock (2016: 82) gilt es zu bedenken, dass die empirische Überprüfung der Wirksamkeit dieser Leichte-Sprache-Regeln noch an den Anfängen steht und zukünftig noch genauer untersucht werden muss, wie sich die entsprechenden Textadaptionen tatsächlich auf das Verstehen der Leserinnen und Leser auswirken.

Leichte Sprache wird, so wie sie hier beschrieben ist, als ein verhältnismäßig statisches System aufgefasst, das sehr umfassend reguliert ist. Die starke Ausprägung der Regulierung kann, wenn man den internationalen Diskurs über Leichte Sprache im Blick hält, als ein Merkmal und eine Entwicklung im deutschsprachigen Raum betrachtet werden (vgl. Bock 2018: 15, Bock et al. 2017: 11). Einfache Sprache wird im Gegensatz dazu bei Bredel und Maaß (2016: 526ff.) als ein dynamischeres System profiliert, das weniger strikt geregelt ist und somit eine kontextsensitivere Anpassung erlaubt. Bildlich gesprochen definieren die Autorinnen Leichte Sprache und Standardsprache als Endpunkte eines Sprachkontinuums von maximal reduzierter bis zu maximal ausgebauter Varietät, zwischen denen sich die Einfache Sprache als zielgruppenspezifisch adaptierbare Varietät verorten lässt (vgl. Bredel/Maaß 2018: 8). I.d.R. werden bei Texten in Einfacher Sprache geübtere Lesende vorausgesetzt, sodass diese Varietät gegenüber der Leichten Sprache als eine "fortgeschrittene Ausbaustufe" (Oomen-Welke 2015: 27) gelten kann.

Die Merkmale Einfacher Sprache werden im Folgenden ebenfalls an einem Beispiel verdeutlicht. Zu diesem Zweck werden in Abbildung 2 Textausschnitte aus dem Jugendroman Beschützer der Diebe von Andreas Steinhöfel (links) einer Version in Einfacher Sprache des gleichnamigen "Einfach-Lesen-Projekts" aus dem Cornelsen-Verlag (rechts) gegenübergestellt. Vereinfachte Lektüre-Ausgaben wie diese Lese-Projekte werden vom Verlag selbst als Einfache Sprache eingeordnet. Es ist aber wichtig zu betonen, dass Einfache Sprache nicht in dem gleichen Maß definitorisch spezifiziert ist wie Leichte Sprache und auch für diese Reduktionsform verschiedene Kategorisierungsansätze vorliegen (vgl. z.B. Bock/Lange 2016, Bredel/Maaß 2016: 526ff.).

Die vornehmliche Zielgruppe der Reihe "Einfach Lesen" sind dem Cornelsen-Verlag zufolge schwach lesende Förderschülerinnen und -schüler. Als mit der Reihe angezielte Schulformen werden aber sowohl Förder- wie auch Regelschulen genannt. Neben dem Deutschunterricht wird auch der DaF- und DaZ-Unterricht als möglicher Einsatzkontext aufgeführt, obwohl Deutschlernende laut der betreuenden Redakteurin Gabriele Biela nicht als primäre Zielgruppe betrachtet werden. [4]
Bei dem in Abbildung 2 gezeigten Auszug handelt es sich um eine Textstelle, an der die Figur Olaf für die Leserschaft eingeführt wird.

 


Abb. 2: Vergleich einer Textstelle aus dem Jugendroman Beschützer der Diebe (links A. Steinhöfel (2007), rechts n. Einfach-Lesen-Projekt, Cornelsen, o.J.)

Auf den ersten Blick ist ersichtlich, dass die Version in Einfacher Sprache (vgl. Abb. 2, rechts) im Vergleich zum Originaltext kürzer ausfällt (498 Zeichen vs. 956 Zeichen). Zu Beginn wurde eine Auftaktillustration eingefügt, die im Sinne einer inhaltlichen Vorentlastung die Schlüsselszene des Kapitels zeigt, in der Olaf von einem Kaufhausdetektiv beim Klauen erwischt wird. Auffällig ist auch, dass der Text (anders als bei dem Märchen in Leichter Sprache) nicht zeilenweise wie eine Liste, sondern als Fließtext strukturiert ist. Für das Einfach-Lesen-Projekt wurden zwar komplexere Satzstrukturen aufgebrochen, es wird aber nicht gänzlich auf Nebensätze verzichtet. Es kommen mehrere längere Wörter vor, die nicht unterteilt werden (z.B. "Sonderangeboten", Abb. 2, rechts, Z. 6). Mit Blick auf das narrative Genre ist außerdem relevant, dass die Einfach-Lesen-Variante nicht auf das Präteritum verzichtet. Im vereinfachten Text wurden einzelne Ausdrücke ersetzt, von denen offenbar angenommen wird, dass sie für die Zielgruppe geläufiger sind. Während dies z.B. bei der Ersetzung von "passieren" und "vorbeikommen" nachvollziehbar scheint, wirft die Ersetzung von Geldbörse durch das fremdsprachlich entlehnte und auch rechtschreiblich schwierige Portmonee Fragen auf. Umfangreichere inhaltliche Kürzungen betreffen ein Zwiegespräch, das Olaf mit seinem Gewissen führt (vgl. Kursivsetzungen Abb. 2, links sowie ausf. Ausführungen unten).

Didaktische Überlegungen: Probleme und Potenziale des Einsatzes von vereinfachten Lektüren und literarischen Texten in Leichter Sprache im Deutschunterricht

Mit Blick auf die didaktischen Überlegungen ist zu berücksichtigen, dass die Debatten über vereinfachte Lektüreausgaben (d.h. über Einfache Sprache) und über Leichte Sprache eigentlich zwei getrennte Diskursstränge darstellen, auf die aber nicht immer separat Bezug genommen wird und zwischen denen sich aktuell auch Überschneidungen bzw. Annäherungen erkennen lassen. Während sich die Problematisierung der Vereinfachung literarischer Texte im fachdidaktischen Diskurs bereits länger zurückverfolgen lässt, ist die Auseinandersetzung mit Leichter Sprache im Deutschunterricht als Thema einer jüngeren Diskussion zu verorten, die auch als Reaktion auf die Implementierung von Inklusion verstanden werden kann.

Obwohl die sprachliche und inhaltliche Adaption von Unterrichtsmaterial in Lehr-Lern-Kontexten ein üblicher wie auch notwendiger Prozess ist, sehen sich zu Lernzwecken vorgenommene Vereinfachung literarischer Texte im deutschdidaktischen Diskurs generell einer scharfen Kritik ausgesetzt (vgl. Bredel/Maaß 2018: 2, Rosebrock 2015: 35). Die "Eingriffe" in den Text, die eigentlich auf eine bessere Vermittelbarkeit abzielen, werden als "Verhunzungen" abgewertet und ihnen wird aus werkästhetischer Position die Unantastbarkeit des literarischen Originals gegenübergestellt. In der aktuellen Diskussion wird nicht nur diskutiert, ob und unter welchen Bedingungen leichte, einfache oder vereinfachte Texte im Unterricht Anwendung finden können (oder sollten), sondern auch ganz grundsätzlich gefragt, ob literarische Texte überhaupt in Leichte oder Einfache Sprache überführt werden können (und sollten). Löffler (2015: 21) zufolge sollte die Übersetzung von Texten in Leichte Sprache auf Gebrauchstexte beschränkt werden. Sie hält eine Übertragung literarischer Texte in Leichte Sprache für "nicht sinnvoll‚ weil den Werken das Wesentliche verloren geht". Nach Bredel und Maaß (2018: 10) entziehen sich "[l]iterarische Texte sowie insgesamt Texte, bei denen die sprachliche Verfasstheit bedeutungskonstitutiv ist, [...] der Übersetzung in Leichte Sprache", da aufgrund der sprachlichen Anpassungen (z.B. Verzicht auf Präteritum) elementare Charakteristika wie Narrativität und Fiktionalität nicht bewahrt werden können.[5]

An den Lektürefassungen in Einfacher Sprache wird u.a. kritisiert, dass das Potenzial solcher Texte für das Literarische Lernen sehr begrenzt sei (vgl. z.B. Olsen 2016, Kruse 2016): Die inhaltlichen Kürzungen und sprachlichen Anpassungen würden insbesondere Merkmale wie Polyvalenz und Ambiguität angreifen, die nicht nur als konstitutive Charakteristika für literarische Texte betrachtet werden, sondern auch als entscheidend z.B. für das Ermöglichen reichhaltiger ästhetischer Erfahrungen beim Lesen gelten. Die parallele Arbeit mit vereinfachten Lektüren neben dem Originaltext könne sich zudem nachteilig auf das Lernen im Klassenverbund auswirken, wenn die Schülerinnen und Schüler sich auf unterschiedliche Textfassungen beziehen und dadurch gemeinsame Anschlusskommunikation erschwert wird (vgl. Riegert/Anders 2018: 30). Um miteinander in einem zielgleichen Unterricht Textdeutungen kommunikativ auszuhandeln, ist nach Bredel und Maaß (2018: 9) bei den Textadaptionen ein möglichst enger Bezug zum Ausgangstext notwendig, innerhalb derer sich die sprachlichen Änderungen möglichst wenig auf den Inhalt auswirken.

Als unterrichtliche und methodische Alternativen werden u.a. Kombinationen des Originaltextes mit anderen medialen Repräsentationen wie Bilderbüchern, Comics, Hörtexten, Filmen, Serien und Theateraufführungen vorgeschlagen, sowie der Einsatz von handlungs- und produktionsorientierten Erschließungsmethoden empfohlen (vgl. Kruse 2016, Riegert/Anders 2018): Die verschiedenen Darstellungsformen können Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen vielfältige, mehrsinnliche Zugänge zu der im Medienverbund dargebotenen Geschichte ermöglichen.

Neben diesen kritischen Aspekten werden aber auch die Potentiale von Texten in Leichter und Einfacher Sprache herausgestellt. Köster (2018: 64) fasst diese mit Blick auf Konzepte Einfacher Sprache in drei Funktionen zusammen: Literarische Texte in Einfacher Sprache können erstens dem Erwerb kulturellen Kapitals dienen, zweitens Literaturerfahrungen ermöglichen, indem sie "Teilhabe an sprachlich evozierten Lebenswelten [erlauben], die nicht deckungsgleich mit der eigenen sind" und drittens Brücken zu größerer Lesekompetenz bauen.

Diese "Brücken- oder Vermittlungsfunktion" wird in der jüngeren didaktisch ausgerichteten Diskussion über Leichte Sprache verstärkt thematisiert (Bock 2015: 12, Maaß 2015b: 7). Leichte Sprache wird dabei dann nicht als Zielvarietät, sondern als "eine Durchgangsstufe zur Rezeption der standardsprachlichen Texte" (Maaß 2015b: 7) aufgefasst. Menschen mit geringen Lesefähigkeiten können über Texte in Leichter Sprache einen Zugang zu eigenständiger Lektürepraxis finden und so motiviert werden, auch schwierigere Texte zu lesen. Konkret mit Bezug auf die Arbeit an literarischen Texten betrachten Gebele und Zepter Leichte Sprache ebenfalls als Unterstützungsmaßnahme im Sinne eines Scaffolding:

[D]ie Vereinfachung literarischer Texte muss nicht notwendig eine 'Anspruchsabwertung' implizieren, solange man sie nicht als 'definitive Umschreibung', sondern stattdessen als eine temporäre Umformulierung im Rahmen von Scaffolding-Prozessen begreift und in Unterrichtsszenarien einsetzt, die letztlich auf eine Heranführung an den Originalen literarischen Text abzielen. (Gebele/Zepter 2016: 141, Herv. i. Orig.)

Scaffolding-Maßnahmen werden den Lernenden im Erwerbsprozess wie eine Art 'Gerüst' vorrübergehend zur Verfügung gestellt, im fortschreitenden Verlauf der Kompetenzentwicklung aber dann schrittweise immer weiter reduziert (vgl. ebd.: 137). Speziell für Unterstützungsmaßnahmen, die auf den Spracherwerb bezogen sind, wird eingefordert, dass sie so genau wie möglich auf den Entwicklungsstand der Lernenden hin abgestimmt werden und (im Sinne der Zone der nächsten Entwicklung nach Wygotksi) gerade soviel Unterstützung bieten, dass die selbstständige Bewältigung der Lernaufgabe und eine Weiterentwicklung ermöglicht wird. Diese Maßgabe der Kompetenzentwicklung sollte für Konzeptionen von Leichter Sprache nach Bock (2015: 12, Herv. i. Orig.) auch dann geltend gemacht werden, wenn "Menschen mit geistiger Behinderung (oder andere Nutzergruppen) die Leichte Sprache als Transitionsstufe nicht überwinden können". Für die Übertragung von Texten in Leichter Sprache besteht also die Herausforderung, einerseits so verständlich wie möglich zu formulieren, ohne dabei aber andererseits Lernpotenziale zu beschneiden. Der Ausbau sprachlicher Fähigkeiten setzt ein sprachanregendes Lernumfeld voraus. In diesem Sinne fordert Bock (2015: 15) die Bedeutung des sprachlichen Inputs in seiner Vielfältigkeit für die Entwicklung von Sprachkompetenz bei der Formulierung von Texten in Leichter Sprache stets mitzudenken. Eine Möglichkeit, dies zu realisieren, wird in der Konzeption von Schwierigkeitsstufen für leichte Texte gesehen – vergleichbar etwa mit dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER, vgl. Europarat 2001) oder den Niveaubeschreibungen Deutsch als Zweitsprache (vgl. Döll 2012), die für das Fremd- und Zweitsprachenlernen entwickelt wurden. An den bisher formulierten Konzeptionen für Leichte Sprache wird das Fehlen einer solchen Entwicklungsperspektive und grundsätzlicher auch die mangelnde Adaptivität der Konzeptionen problematisiert (vgl. z.B. Kilian 2017, Kleinschmidt/Pohl 2017). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Konzeptionen von Leichter Sprache ursprünglich nicht auf didaktische Kontexte abzielten und daher im bisherigen Diskurs die Gestaltung und der Einsatz solcher Texte für einen inklusiven Unterricht nicht schwerpunktmäßig thematisiert wurde (vgl. Bock 2018: 23). Bei den Ge- und Verboten für entsprechende Textanpassungen in Leichter Sprache gehe es bislang vor allem um die Auflösung und Vermeidung und gerade nicht um die Vermittlung sprachlicher Komplexität. Wenn allerdings in Lehr- und Lernkontexten der Ausbau von Fähigkeiten als Zielperspektive besteht, dann rücken Überlegungen zu der Frage ins Zentrum, inwiefern sich der Anspruch zur Weiterentwicklung von Kompetenzen mit den Konzepten von Leichter Sprache verbinden lässt. In Anbetracht der Dynamik, die den Diskurs über Leichte Sprache aktuell prägt, kann die Varietät nach Bock (ebd.: 24) "durchaus als Differenzierungsmittel im Deutschunterricht ihren Platz finden – dann aber sicherlich in anderer Gestalt als derzeit".

Für die offeneren Konzeptionen von Einfacher Sprache gibt es demgegenüber bereits erste Ansätze für die Gestaltung unterschiedlicher Niveaustufen: Bredel und Maaß (2016: 531f.) schlagen bspw. zur "Konstruktion von graduierten Erleichterungs- bzw. Aneignungspfaden" bei Einfacher Sprache eine kombinierte Ausrichtung an Sprach- und Texteigenschaften einerseits und antizipierten Lesefähigkeiten der Adressatengruppe andererseits vor. Ausgehend von den Regularien, die die Autorinnen auch an Leichte-Sprache-Übersetzungen anlegen, entwickeln sie Vorschläge für eine Adaptionssystematik, innerhalb derer verschiedene, in Leichter Sprache verbotene Kategorien (z.B. anaphorische Pronomen, Satzgefüge) für Einfache Sprache sukzessive wieder zugelassen werden.

Zielgruppenspezifik: Heterogene und widersprüchliche Anforderungen an Texte in Leichter und Einfacher Sprache am Beispiel von Fremd- und Zweitsprachenlernenden

Sowohl im Diskurs über Einfache wie auch über Leichte Sprache kommt der Frage nach der Ausrichtung an unterschiedlichen Zielgruppen eine hervorgehobene Bedeutung zu. Vor dem Hintergrund der heterogenen Adressatenschaft von Leichter Sprache sei es "kaum möglich, alle Personen mit einer Sprach- und Textform gleichermaßen zu erreichen, weder innerhalb der (heterogenen) Zielgruppe noch über verschiedene Zielgruppen hinweg" (Bock 2016: 88, Herv. i. Orig.). Die Herausforderungen, die sich aus der Zielgruppenspezifik für den Umgang mit Texten in Leichter und Einfacher Sprache ergeben, sollen im Folgenden exemplarisch für die Teilgruppe der Fremd- und Zweitsprachenlernenden dargestellt werden. Diese Schwerpunktsetzung scheint lohnenswert, da die Arbeit mit vereinfachten Textversionen in der Fremd- bzw. Zweitsprachendidaktik bereits eine lange Tradition hat und dort konstruktiv diskutiert wird, wenngleich nicht zwangsläufig ein Bezug zu den Konzepten der Leichten und Einfachen Sprache vorliegt.

Leichte Sprache für Deutschlernende

Geht man (eng gefasst) davon aus, dass Personen mit kognitiven oder sensorischen Beeinträchtigungen die originären Zielgruppe von Leichter Sprache sind, dann zählen DaZ-Lernende nicht zu den primären, sondern zu den sekundären Adressatinnen und Adressaten dieser Sprachvarietät (vgl. Bredel/Maaß 2018: 6). Die empirisch grundlegende Überprüfung der Frage, ob Texte in Leichter Sprache für diese Gruppe von Rezipierenden eher eine Lerngelegenheit oder ein Lernhemmnis darstellen, steht allerdings noch aus (vgl. ebd.). Für Personen mit kognitiven oder sensorischen Beeinträchtigungen und Deutschlernende die gleichen Regularien Leichter Sprache zugrunde zu legen, wird aber als problematisch betrachtet, weil sich die Rezeptionsvoraussetzungen dieser beiden Zielgruppen ganz wesentlich unterscheiden:

Während L2‐Lernende lediglich in einer bestimmten Sprache Probleme mit dem Lesen authentischer Texte haben (im Normalfall aber mindestens eine andere Sprache in ihrer Standardvarietät beherrschen) sowie über durchschnittliche kognitive Fähigkeiten verfügen, ist für Menschen mit geistiger Behinderung in keiner Sprache eine überwiegend problemlose/erfolgreiche Teilhabe an Kommunikation möglich [...]. (Heine 2017: 404)

Ein großer Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Rezipierenden besteht also darin, dass für Lernende im Bereich DaF/DaZ vornehmlich die unbekannte Sprache eine Hürde darstellt – sie aber durch Kompetenzen in der Erstsprache grundsätzlich in der Lage sind, Texte zu erfassen und zu verarbeiten. Menschen mit geistiger Behinderung fällt hingegen i.d.R. nicht nur das rein sprachliche Erfassen, sondern auch die Verarbeitung von Gelesenem schwer (vgl. ebd.). Aus diesen unterschiedlichen Rezeptionsvoraussetzungen folgt, dass bestimmte Vorgaben für Leichte Sprache, wie sie an dem Märchenbeispiel oben veranschaulicht wurden, sich für in einer anderen Sprache lesekompetente Deutschlernende als irrelevant oder sogar als kontraproduktiv erweisen können: Durch die große Schrift und die Aufteilung einzelner Aussagen auf je eigene Zeilen könnten sich durchschnittlich intelligente erwachsene L2-Lernende bspw. an Fibeln oder Erstlesebücher erinnert und gekränkt fühlen (vgl. ebd.: 405). Der Verzicht auf Satzverbindungen und -gefüge kann für versierte Lesende zu einem Informationsverlust führen und den Eindruck eines künstlich konstruierten Textes hinterlassen (vgl. ebd.: 400). Gegen die Vermeidung des Präteritums spricht aus Sicht des Deutschlernens, "dass die häufigsten Verben im Deutschen überwiegend im Präteritum verwendet werden" (ebd.: 410) und das Vermeiden somit nicht den für das Deutsche typischen Lese- und Hörgewohnheiten entspricht. Zudem bleibt zu bedenken, dass die Auswirkungen der Merkmale Leichter Sprache auch für die originäre Zielgruppe noch nicht umfassend untersucht wurden. Erste Befunde zeigen, dass auch für diese Rezipientengruppe verschiedene Leichte-Sprache-Regularien revisionsbedürftig sind und z.B. eine generelle Vermeidung von Nebensätzen nicht notwendig ist (vgl. z.B. Bock 2018: 22). Insgesamt wird durch den Verzicht von vermeintlich zu hoher sprachlicher Komplexität Deutschlernenden die Chancen genommen, sich mit eben diesen sprachlichen Phänomenen vertieft auseinanderzusetzen und sie zu lernen. 

Einfache Sprache für Deutschlernende

Im Zweit- und Fremdsprachenkontext wird häufig mit didaktisch aufbereiteten Originaltexten gearbeitet. Während die Komplexität literarischer Originale zu sprachlicher Überforderung, zu Frustration oder gar einem Lektüreabbruch führen kann, vermitteln die im Fremdsprachenkontext üblichen Easy Readers Sprachlernenden das motivierende Gefühl, ein richtiges Buch (und nicht nur einen Lehrwerktext) lesen zu können (vgl. Caspari/Steininger 2016: 36, Krings 2016: 205). Diese Texte sind sowohl grammatisch als auch lexikalisch vereinfacht und sollen den Sprung zu unbearbeiteten Texten, die direkt für lesekompetente Muttersprachler geschrieben wurden, vorbereiten (vgl. Krings 2016: 205). Die häufig auf bekannten Kurzgeschichten oder Romanen beruhenden Texte werden auf verschiedenen Niveaustufen in Anlehnung an die Kann-Beschreibungen des GERs (2001) angeboten (in dem Menschen mit geistiger Behinderung nicht zur Zielgruppe zählen, vgl. Heine 2017: 402). Hierdurch lässt sich ihr Schwierigkeitsgrad entsprechend der sprachlichen oder altersgemäßen Entwicklung der Lernenden stetig steigern.

Es bleibt zu bedenken, dass eine Verbesserung der Deutschkenntnisse durch die ausschließliche Rezeption von vereinfachten Texten keineswegs zwangsläufig eintritt (vgl. Kilian 2017: 198): Gerade im Zweit- und Fremdsprachenunterricht besteht die Gefahr der Fossilierung, also der Versteinerung von Sprachkenntnissen, auf einem erreichten, aber noch defizitären Stand, wenn nicht sukzessive eine Weiterentwicklung angestrebt wird. Und obwohl dem Einsatz vereinfachter Literatur generell das Potenzial zugesprochen wird, das Lesetempo zu erhöhen und die allgemeine Lesekompetenz zu verankern (vgl. Hermes 2016), könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeit mit vereinfachten Textversionen im jedem Fall zu einem erhöhten Lesevergnügen führt, da die Originalität und Ausdruckskraft der ursprünglichen Texte häufig stark eingeschränkt wird (Krings 2016: 205). Dies lässt sich an dem oben dargestellten Einfach-Lesen-Beispiel gut verdeutlichen: Die inhaltlichen Kürzungen beziehen sich in der gezeigten Textstelle insbesondere auf ein Zwiegespräch, das Olaf mit seinem Gewissen abhält (vgl. Abb. 2, Kursivsetzungen links). Dass mit dieser Tilgung der "Blick ins Innere" der Figur für die Lesenden entfällt (Lypp 1989, zit.n. Kruse 2016: 174), wird in der literaturdidaktischen Auseinandersetzung mit den vereinfachten Lektüren kritisiert. Die Textadaptionen betreffen gerade die Passagen, die den Lesenden subjektive Involvierung, emotionale Beteiligung und Anregungen zur Imagination ermöglichen und für eine Förderung des literarischen Lesens von zentraler Bedeutung sind. Die Anpassungen des Textes lassen sich wiederum auf den Sachverhalt der Zielgruppenspezifik zurückführen: Hinter den betreffenden Kürzungsstrategien könnte nach Volz (2016: 232) die Annahme stehen, dass Förderschulschülerinnen und -schüler bzw. Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen "Schwierigkeiten beim Erfassen der psychischen Dimension eines Erzähltextes sowie beim Nachvollzug einer Figurenperspektive" haben und sich ihr Interesse in literarischen Texten eher auf die Ebene der "äußeren Handlung" richte. Abgesehen davon, dass empirische Untersuchungen darauf hinweisen, dass Förderschülerinnen und -schüler sehr wohl u.a. über die Fähigkeit verfügen, Gefühle von Figuren (d.h. psychische Dimensionen eines Textes) nachzuvollziehen, bestehe beim Einsatz von in dieser Weise gekürzten Texten die Gefahr, dass das literarische Lernen zugunsten anderer, z.B. lesetechnischer oder wissensvermittelnder Ziele aus dem Fokus des Deutschunterrichts gerate (vgl. ebd.: 235). Wenngleich beim Unterricht von Deutschlernenden das Sprachlernen im Fokus steht, ist bei der Beschulung von DaZ-Schülerinnen und -schülern im Regelunterricht zu berücksichtigen, dass sie neben der Vermittlung von Sprachwissen auch angemessene und vielfältige Gelegenheiten zum Literarischen Lernen erhalten. Für Schülerinnen und Schüler, die bereits in einer anderen Sprache literalisiert sind, kann die ausbleibende Darstellung der Figureninnensicht den Nachvollzug von Handlungen und Handlungsmotiven erschweren und somit gerade nicht zu einem besseren literarischen Verstehen beitragen. Dies gilt es ebenso differenzierter empirisch zu prüfen, wie die Annahmen zu den Verstehensprozessen der Förderschülerinnen und -schüler.

Grundsätzlich stellt sich bei dem sehr kontrovers und z.T. auch ideologisch geführten Diskurs um den Einsatz von Leichter und Einfacher Sprache im Deutschunterricht stets die Frage, mit welchen Zielsetzungen man literarische Texte im Unterricht einsetzt und wie diese entsprechend zu kontextualisieren sind. Neben einer Adaption von Originaltexten auf ein leichteres bzw. einfacheres Niveau ist es durch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen eben auch möglich, gerade einen Schwerpunkt auf beispielsweise wenig frequente Wörter, Pronominalstrukturen und präteriale Verbformen zu legen und somit Lerngelegenheiten für eine (Bildungs-)Sprachvarietät zu schaffen, wie sie im Schulkontext gefordert wird (vgl. Kurtz et al. 2014: 60-77). Umgekehrt ist es mit kognitiv anspruchsvollen Aufgaben, die sich an das Leseerlebnis anschließen, genauso möglich, sprachlich und literarisch einfache Texte auf dem aktuellen sprachlichen Niveau der Lernenden zu einer Herausforderung werden lassen (vgl. Caspari/Steininger 2016: 43). Sollte die didaktische Entscheidung jedoch auf Texte in einfacher und leichter Sprache fallen, ist es wichtig, Deutschlernende als ebenso leistungsheterogen zu begreifen wie ihre monolingual deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschüler und entsprechende Texte für beide Gruppen nur da einzusetzen, wo sie keine Sprach- und Lerngrenze festlegen oder gar schaffen, sondern im besten Fall temporäre Mittel der Differenzierung darstellen (vgl. Kilian 2017). Die konkreten Auswirkungen der Textadaptionen auf unterschiedlichen Ebenen dezidiert im Hinblick auf die heterogenen Zielgruppen zu überprüfen, stellt ein drängendes Forschungsdesiderat dar, das mit Blick auf den Einsatz Leichter Sprache und vereinfachten Lektüren im Deutschunterricht auch Aufgabe der Deutschdidaktik ist.

 Fußnoten

[1] Unterschieden werden (wie die hier aufgeführten Definitionen andeuten) Ansätze, in denen die sprachlichen Merkmale Leichter Sprache entweder vornehmlich textintern, (d.h. struktur-funktional) oder stärker textextern (d.h. von der Funktion, kommunikative Teilhabe zu ermöglichen), abgeleitet werden (vgl. Bredel/Maaß 2018: 5). Bock et al. (2017: 17) bezeichnen die unterschiedlichen Zugänge als regel- und funktionskonstitutiv. Obwohl sich aus diesen Akzentuierungen unterschiedliche Perspektivierungen auf den sprachlichen Gegenstand ergeben, gelten sie als vermittelbar. Vgl. für eine umfassendere Darstellung der "semantische[n| Kämpfe" um die Bezeichnung Leichte Sprache sowie zur Differenzierung weiterer Perspektiven Bock et al. 2017.

[2] Vgl. zu den gesetzlichen Grundlagen z.B. Bredel/Maaß 2016: 68ff.

[3]  Für die Prüfung der Verständlichkeit bzw. Schwierigkeit eines Textes in Leichter Sprache bildet die Testung der Übersetzung mit einer Referenzgruppen einen wichtigen Maßstab. Die Forschungsstelle arbeitet dabei vornehmlich mit prälingual Gehörlosen zusammen (vgl. Maaß 2015a: 17 und 29).

[4] Vgl. www.cornelsen.de/produkte/einfach-lesen-beschuetzer-der-diebe-ein-leseprojekt-nach-dem-jugendroman- von-andreas-steinhoefel-arbeitsbuch-mit-loesungen-niveau-3-9783464601747 sowie ein Telefonat mit Gabriele Biela als zuständiger Redakteurin vom 20.08.2018, in dem Biela erläuterte, dass die Autorinnen und Autoren der betreffenden Hefte i.d.R. Förderpädagoginnen und -pädagogen sowie Unterrichtspraktikerinnen und -praktiker sind. Das Einfach-Lesen-Projekt zu A. Steinhöfel wurde von Prof. Dr. Michaela Greisbach (Universität Gießen) ausgearbeitet.

[5] Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den im Diskurs thematisierten Texten nicht immer um Übersetzungen handelt. Köster (2018: 58) bspw. unterscheidet grundlegend zwischen Texten, die von vornherein als einfache bzw. leichte Formen konzipiert und verfasst sind und solchen, die erst im Nachhinein vereinfachend übersetzt werden.

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