Sie haben Creative Writing studiert und waren als freie Journalistin tätig. Sind Sie dadurch zum Schreiben von Kinder- und Jugendliteratur gekommen?
Lena Hach: Vermutlich bin ich durchs Lesen zum Schreiben gekommen. Ich habe schon immer gerne Bücher gelesen (und Kassetten gehört). Auch heute noch sorgt die Lektüre toller Geschichten dafür, dass ich gleich selbst zum Stift greifen will. Beziehungsweise meinen Laptop aufklappe.

Welche Bücher oder Kassetten zum Beispiel?
Ich glaube, ich habe alles von Christine Nöstlinger gelesen. Aber auch viel Kirsten Boie, Erich Kästner, Otfried Preußler, Michael Ende, Astrid Lindgren. Und über die Kassetten habe ich sehr viele Märchen kennengelernt.   
 
Sie haben eine Ausbildung zum Clown gemacht. Hilft Ihnen diese beim Verfassen von ihren Büchern, die häufig humorvolle Protagonisten in den Mittelpunkt rücken?
In der Clownschule habe ich vor allem gemerkt, dass ich mir lieber Geschichten ausdenke, als sie selbst auf einer Bühne zu "performen". Dafür war ich eindeutig zu schüchtern. Ich glaube, etwas von dem Wesen des Clowns findet sich auch in meinen besten Texten: Die Verbindung von Leichtigkeit und Humor mit einer gewissen Tiefe oder vielleichtgar Schwere.
 
In ihrer mit dem Leipziger Lesekompasse prämierten Reihe Der verrückte Erfinderschuppen kreiert Walter Rüdibert von Knallinger mit seine Freunden Fred und Tilda die ungewöhnlichsten Maschinenwie einen "Limonaden-Sprudler". Wie sind sie auf die Idee dieses Plots gekommen?
Die Idee, etwas über Kinder zu schreiben, die sich als Erfinder hervortun, kam gar nicht von mir. Die hatte meine großartige Lektorin Lena Frenzel von Mixtvision. Als sie mir davon erzählte, war ich direkt begeistert! Ich habe dann überlegt, welche "Probleme" Kinder haben, die sie mit verrückten Erfindungen lösen können. Der Gedankengang war in etwa so: Kinder lieben süße Getränke, bekommen aber nicht so viel, wie sie wollen. Also erfinden sie etwas, um Wasser zu verwandeln: in den titelgebenden Limonaden-Sprudler.
 
Basteln Sie auch gerne als Heimwerkerin in ihrem persönlichen "Erfinder-Schuppen"?
Ha, als Heimwerkerin würde ich mich nicht bezeichnen. Aber ich bastle gerne mit meinen Kindern: Zuletzt ein Mini-Baumhaus im Blumentopf. (Ich glaube allerdings, dass Fred und Co. davon nicht sehr beeindruckt wären.)
 
Dr. Jana Mikota urteilt folgendermaßen über Ihren Schreibstil im Rahmen einer Rezension zur Reihe Der verrückte Erfinderschuppen auf KinderundJugendmedien: "Bereits das erste Kapitel deutet die zahlreichen Sprachspiele und Neologismen an, die Lena Hach in ihrer Geschichte einflechtet: Immer wieder spielt sie mit dem Substantiv 'Erfinder', verbindet es mal mit Alarm, mal mit Schuppen und zeigt, wie kreativ Sprache sein kann." Wie wichtig sind Ihnen sprachliche Mittel und welche Wirkung sollen diese Ihrer Meinung nach beim Leser haben?
Ich finde, Sprache ist ein wunderbares Material. Man kann damit prima herumbasteln. Wenn sich das auf meine Leserinnen und Leser überträgt, wenn sie beispielsweise selbstanfangen, Wörter zu erfinden: Dann ist das die beste Wirkung!

Neben verrückten Erfindungen thematisieren Sie auch gerne Jugendliche, die auf der Suche nach der (großen) Liebe sind. In Wanted sammelt der von Liebeskummer befallene Finn erste intensive sexuelle Erfahrungen. Wie implizit oder explizit sollte Ihrer Meinung nach Sexualität in Jugendbüchern thematisiert werden?
Ich glaube, man muss keine Angst davor haben, auch mal explizit zu sein. Als jugendliche Leserin fand ich die expliziten Stellen höchstinteressant! Da schließe ich einfach von mir auf meine jetzigen Leserinnen und Leser. Vermutlich haben diese im Netz schon viel mehr gesehen, als sie in irgendwelchen Jugendbüchern lesen können. Mir kommt es eher darauf an, Vielfalt in der sexuellen Orientierung zu zeigen, keine Klischees festzuschreiben, auch mal tradierte Vorstellungen zu hinterfragen. Mir scheint es, dass in Jugendbüchern die Sache oft sehr vereinfacht wird: Die Figuren jagen dem "ersten Mal" hinter – dabei gibt es so viel mehr zu entdecken in der spannenden Zeit.

Was genau meinen Sie mit "so viel mehr zu entdecken"?
Vor allem sich selbst – allein oder im Zusammensein mit anderen. Es ist eine Zeit der Erstbegegnung, in der man sich zum ersten Mal verguckt, verliebt (glücklich oder unglücklich), in der man sich ganz neue Fragen stellt. In Bezug auf das "erste Mal" meine ich aber auch ganz einfach: Warum proklamieren die Helden so oft zu Beginn, dass sie bis zur "Prom" entjungert sein wollen? Warum bekommt der erste Kuss oder die erste andere intensive sexuelle Erfahrung so viel weniger Bedeutung?

Die Verarbeitung von Liebeskummer wird in vielen Werken für Jugendliche thematisiert. Was macht Wanted zu etwas Besonderem, sodass er 2015 mit dem Jugendbuchpreis "Goldene Leslie" ausgezeichnet wurde.
Oh, da fällt mir eine Antwort schwer. Müssen das nicht andere sagen beziehungsweise beurteilen? Was mir jedoch selbst auffällt: Wenn ich Post von Schulklassen bekomme, die Wanted gelesen haben, verraten mir oft bekennende Nichtleserinnen und Nichtleser, dass das Buch ihnen gegen alle Erwartungen Spaß gemacht hat. Vielleicht ist das das Besondere? Dass es auch die Buchskeptiker "mitnimmt"?
 
Obwohl Sie noch als "Newcomerin" am hart umkämpften KJL-Markt gelten, haben Sie schon einige Auszeichnungen ergattert. Wie wichtig sind Ihnen bzw. dem Verlag Auszeichnungen und wie wirken sich diese auf Ihr Schaffen aus?
Über Auszeichnungen freue ich mich natürlich! Vor allem, wenn eine Jugendjury dahintersteht, wenn also meine wichtigsten Leserinnen und Leser ein Buch für gelungen halten.

Ihr aktuelles Werk Grüne Gurken fokussiert das Mädchen Lotte, die versucht, sich in Berlin Kreuzberg einzuleben und dabei als Landei in diverse Fettnäpfchen der Großstadt tritt. Wieviel Lotte steckt in Ihnen?
Wie Lotte bin ich vom Land nach Berlin gezogen. Ich hatte ihr zwar zehn Jahre voraus, doch das hat mich natürlich nicht davor geschützt, irgendwelche "Fehler" zumachen. So habe ich mal vergessen, an der Station aus der U-Bahn auszusteigen – und fand mich in der stockdunklen Garage wieder. Den Blick von Außen auf die Stadt, den hat Lotte wohl von mir.
 
In Grüne Gurken steckt bereits im Titel eine Alliteration und auch im Roman finden sich zahlreiche humorvolle Sprachspiele im Jugendjargon. Wie haben Sie sichergestellt, dass die Jugendsprache einigermaßen authentisch ist?
Ich vermeide "Jugendwörter" eigentlich und das hat viele Gründe. Ich würde mir die Sprache gar nicht abnehmen, ich möchte mich nicht anbiedern – und ich will nicht, dass meine Texte – etwa durch ein eingestreutes "Jugendwort des Jahres" – schnell veraltet wirken. Ich bediene mich einer Form der Mündlichkeit, ich lasse die Figuren so sprechen, wie man sich vielleicht auch als Erwachsener mal mit anderen unterhält. Und natürlich: Wann immer ich die Möglichkeit habe – etwa in Bus und Bahn – höre ich Jugendlichen gespannt zu.
 
Das besondere an Grüne Gurken sind die irrwitzigen Diagramme, die Lottes Eindrücke von Berlin ironisieren. Wie sind Sie auf diese hypertextuellen Elemente gekommen und wie sind sie entstanden?
Die Diagramme kommen von Katja Berlin, einer Humorautorin, die diese schrägen Infografiken schon eine ganze Weile erfolgreich entwirft. Ich kenne Katja über eine gemeinsame Freundin und wurde schnell Fan ihrer Arbeiten. Nachdem ich in Wanted als besonderes Element Abrisszettel integriert hatte, wollte ich so etwas noch einmal versuchen – und konnte Katja zum Glück für das Projekt gewinnen.
 
In Ihrem neusten Roman Flo und Valentina: Ach, du nachtschwarze Zwölf! taucht eines Nachts vor Flos Fenster das Vampir-Mädchen Valentina auf und zeigt ihm die Welt der Nachtgestalten. Hatte dieser Roman den Klassiker Der kleine Vampir (Sommer-Bodenburg) als Vorbild, nur dass in Ihrem Werk der männliche Vampir durch einen weiblichen ersetzt wurde?
Ich habe viele Vampirgeschichten gelesen und klar, Der kleine Vampir gehört als Klassiker unbedingt auch dazu. Meine Ausgangsidee war allerdings nicht das Vampirmädchen, sondern die Zahnfee, die ja nur indirekt vorkommt. Ich habe mich gefragt, warum es eigentlich unbedingt eine Fee sein muss, die sich um die ausgefallenen Zähne kümmert. (In Frankreich ist es glaube ich eine Maus...) Auf der Suche nach einem anderen Wesen bin ich schnell auf den Vampir gekommen – bestimmt, weil er wie das genaue Gegenteil wirkt.
 
Von unglücklich verliebten Jugendlichen über "Landeier" in der Großstadt bis hin zu Freundschaften mit Vampiren. Sie sind unglaublich produktiv und thematisch vielseitig. Was sind Ihre Projekte für die Zukunft?
Gerade arbeite ich an einer neuen Kinderbuch-Reihe, die hoffentlich nächstes Jahr bei Mixtvision erscheint. Die Figuren und der Plot stehen schon, jetzt muss ich nur noch schreiben ...

Verraten Sie uns ein Bisschen über den Plot? (Ich weiß, ich bin sehr neugierig! Die Neugier ist der Katze tot, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt…)
Ich habe in meinem Vertrag ja immer eine "Geheimhaltungsklausel". Und da ich nicht genau weiß, was das bedeutet, bin ich besonders vorsichtig. Es geht um beste Freunde, die in den Ferien gemeinsam Abenteuer erleben. Anders als im Erfinderschuppen wird es allerdings streng realistisch zugehen. Glaube ich zumindest.

Lesen Sie vor Schulklassen und, wenn ja, welche Erfahrungen nehmen Sie dabei mit?
Ja, ich lese ganz viel vor Schulklassen – vor allem aus dem Erfinderschuppen. Ich mag das sehr gern. Grundschulkinder sind ein super Publikum, die sind neugierig auf Geschichten. Da kann eigentlich nichts schiefgehen, wenn die Technik funktioniert und man die Zuhörerinnen und Zuhörer einbezieht, ihnen Fragen stellt und sie mitdenken lässt. Dabei stelle ich immer wieder fest: Das sind dramaturgische Füchse!

Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview und alles Gute für Ihre neuen Buchprojekte! Wir sind gespannt auf weitere tollpatschig-witzige Protagonisten und verrückt-literarische Erfindungen zum Nachlesen und -basteln.