"Es geht in meinen Fußballbüchern weniger um den 199. Pokal, sondern um Themen wie Selbstbehauptung, Freundschaft, bishin zu Tierliebe und Naturschutz."
In Ihrem Jugendroman TAYO BLEIBT! beruht die Figur des Tayo teilweise auf der Geschichte einer Person aus dem echten Leben. Was macht der echte "Tayo" jetzt?
Leider hat er sein Abitur nicht geschafft. Und auch das Schuljahr damals nicht wiederholt. Näheres weiß ich nicht. Der letzte Kontakt war kurz nach dem Erscheinen des Buches.
Ist der Vorfall mit dem Brandanschlag auf die Geflüchtetenunterkunft wirklich passiert?
Nein, er ist nicht konkret auf die im Buch erwähnte Unterkunft bezogen. Da wir uns als AutorInnen entscheiden müssen, zu welchem Zeitpunkt eine Geschichte spielt, und man im Rahmen eines Buchprojekts nie auf dem aktuellen Stand der zahlreichen Gesetzesänderungen in der Flüchtlingspolitik sein kann, haben Andreas und ich uns entschieden, die Gesetzeslage bis Februar 2013 als Grundlage zu nehmen. Auf viele Entwicklungen und Diskussionen, die danach in der Flüchtlingspolitik aufgetreten sind, gehen wir im Buch trotzdem ein.
So gab es zum Beispiel die im Buch beschriebene zentrale Erstaufnahme in Harburg zu jener Zeit noch nicht, sie wurde erst im Juni 2014 in der Poststraße in Harburg eingerichtet. Auch die Kleiderkammern existierten in der beschriebenen Größenordnung noch nicht. Die Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte nahmen erst später drastisch zu. Zum Vergleich: 2014 gab es sechs Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, 2015 waren es bereits 95. Die Zahl der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte insgesamt stieg laut Bundeskriminalamt (BKA) von 199 im Jahre 2014 auf 1027 nur ein Jahr später.
Glauben Sie, dass Literatur über das Schicksal von asylsuchenden Menschen die LeserInnen zu empathischeren Menschen machen kann, sofern Sie es nicht von vorne herein sind?
Meine Antwort ist ein klares Ja. Im Vordergrund stehen oft Sensationsberichte, verkürzt auf reißerische Schlagzeilen oder nüchterne Statistiken und Dokumentationen. Erzählt aus der Perspektive der Mitschülerin Lisa, lenken Andreas Schlüter und ich den Blick auf ein Einzelschicksal, schildern Tayos immense Integrationsbemühungen- und erfolge. So wird seine akute Bedrohung angesichts des Ausweisungsbescheids nachvollziehbarer und Mitgefühl möglich.
Den Roman „Tayo bleibt!“ haben Sie zusammen mit dem prominenten Autor Andreas Schlüter (u.a. Level 4. Die Stadt der Kinder) verfasst. Wie war das Schreiben am Roman zusammen mit Andreas Schlüter, der ja auch Ihr Ehemann ist?
Wir haben uns mit dem betroffenen Hamburger Schüler getroffen, mit seinem Klassenlehrer gesprochen und gemeinsam den Plot entwickelt. Dann haben wir abwechselnd absatzweise geschrieben.
Da Sie so viele herausragende Fußballromane geschrieben haben, wollte ich Sie fragen, ob Sie auch selbst Fußball-Fan sind.
Ich habe während meines Studiums direkt neben dem Dortmunder Stadion gewohnt und bin seitdem BVB-Fan.
Warum widmen Sie sich außerdem diesem (angeblich) "männerdominierten" Thema so ausführlich?
Sport hat mich schon immer interessiert. Als Neunjährige entschied ich mich für Basketball. Damals gab es noch kein Mädchenfußball. Könnte ich mich heute nochmas entscheiden, wäre meine Wahl klar.
Es geht in meinen Fußballbüchern weniger um den 199. Pokal, sondern um Themen wie Selbstbehauptung, Freundschaft, bishin zu Tierliebe und Naturschutz.
Eine Besonderheit ist die siebenteilige FUSSBALLPROFI-Reihe. Darin wird der 10-jährige Niklas von Band zu Band älter. Er stellt Weichen für seinen Weg zum Fußballprofi bis er im letzten Band mit seinem ersten Profivertrag aufläuft. Darin geht es auch um die Schattenseiten dieses Berufswunsches wie Mehrfachbelastung Schule/Sport, Verlust von alten Freundschaften, Verletzungskrisen, Konkurrenzkampf bishin zu den Nebenwirkungen von Prominenz.
Ich finde es gut, dass Sie mit Genderstereotypen brechen und zeigen, dass auch Frauen das Thema Fußball beherrschen. Wurde Ihnen als Frau schon einmal zum Vorwurf gemacht, dass Sie sich an eine bislang von Männern dominierte Thematik heranwagen?
Nein, weder bei Verlagen noch bei den KollegInnen. Mit meinem ersten Fußballroman FUSSBALL UND SONST GAR NICHTS (Carlsen) war ich zwar tatsächlich eine der ersten Autorinnen in diesem Bereich. Aber das war 2008 und seitdem hat sich zum Glück viel geändert.
2011 schrieb ich die bisher einzige Mädchenfußball-Reihe DIE FUSSBALL-ELFEN (Verlag Akademie für Abenteuer).
Manche Schüler sind sichtlich überrascht, dass ich auch in der Sat 1-Fußballredaktion gearbeitet habe. Diese Tatsache allein scheint ihnen Respekt einzuflößen. Ich denke unabhängig von meinem Geschlecht.
Neben der Fußballthematik in verschiedenen bekannten Reihen (u.a. Fußballhaie) beschäftigen Sie sich auch zusammen mit ihrem Co-Autor Andreas Schlüter mit weiteren Sportarten in ihren Werken bzw. Sport-Krimis (u.a. Startschuss / Fünf Asse). Wie kam es dazu?
Sport spielte in der Kinderliteratur lange keine Rolle, das änderte sich erst mit den zahlreichen Fußballbüchern. Daneben schienen aber fast keine anderen Sportarten stattzufinden, was der Erfahrungswelt der Kinder natürlich nicht gerecht wird. Das war der Anlass für uns die Fünf-Asse-Sportkrimis zu entwickeln und mit 14 Titeln umzusetzen. In jedem Titel bildet eine andere Sportart/Sportwelt den Rahmen für mysteriöse Vorfälle wie Sabotage, Betrug und Erpressung, die die fünf Freunde ans Licht bringen.
Was machen Sie bei Schreibblockaden, sofern Sie überhaupt welche haben?
Ich leide weniger daran. Mein Credo ist diesbezüglich jedoch, dass man ständig im Schreibfluss bleiben muss. Unkreative Phasen überwindet man meiner Einschätzung nach in erster Linie durch Schreiben.
Verwenden Sie vor dem Beginn ihres Schreibprozesses Techniken der Vorstrukturierung wie Mind-Mapping?
Für mich ist das Entscheidende kein Mind-Map, sondern kontinuierliches Schreiben. Ich teile mir jeden Tag genau ein, wieviele Seiten ich bis zur Deadline des Manuskripts für diverse Verlage schreiben muss. Oft entschließe ich mich dann am nächsten Tag einige Textteile vom Vortag nochmals zu überarbeiten oder sogar zu löschen. So schreibe ich zwar teilweise "für den Papierkorb", aber ich denke, das ist eine recht gebräuchliche Arbeitsweise.
Was sind Ihre Projekte für die Zukunft?
Ich habe gerade zwei Bände für eine große neue Reihe fertiggestellt, ein besonderes Einzelbuch liegt auf dem Schreibtisch, ein Sachbuch für Erwachsene ist in Arbeit und weitere Entwürfe warten auf die Umsetzung.
Dürfen Sie schon ein bisschen verraten, worum es jeweils gehen wird?
Es geht um Fußball, Tiere und das große Thema: Vorlesen und Präsentieren.
Vielen Dank für das ausführliche Interview und viel Erfolg beim Kreieren weiterer spannender Fußball-, Sport-, Tierwelt- und Vorlesetitel. Wir wünschen Ihnen zudem noch viele spannende Reiseeindrücke und gelungene Lesungen im Rahmen des "Lesekicks Bayern"!
Titelfoto
© Nadine Hehemann, Akademie für KJL