Nach zwei Nominierungen für den Deutschen Jugendliteraturpreis konnten Sie in diesem Jahr die Momo für Ihre überzeugende Übersetzung des Romans Die Suche nach Paulie Fink der Autorin Ali Benjamin aus dem Englischen entgegennehmen. Was bedeutet Ihnen das?

Sehr viel! Wir waren am Abend der Preisverleihung wirklich unheimlich überrascht und haben bei so vielen tollen Mitnominierten überhaupt nicht damit gerechnet, dass wir die Momo mit nach Hause nehmen dürfen. Und eine so renommierte Auszeichnung wie den Jugendliteraturpreis zu bekommen ist in jedem Fall etwas ganz Besonderes! Als Übersetzer*in bekommt man im Allgemeinen eher wenig Feedback von der Zielgruppe oder in diesem Fall einer Kritiker*innenjury, wobei es da erfreulicherweise, auch dank der „name the translator“-Kampagne, ja seit einiger Zeit ein Stück weit zu einem Umdenken kommt. Allzu oft bleibt die übersetzerische Leistung aber leider immer noch ungewürdigt, weswegen wir uns umso mehr über diese großartige Wertschätzung unserer Arbeit freuen.

Sie übersetzten ja im Team, das stelle ich mir zwar einerseits aufwendig und durchaus kompliziert vor, andererseits jedoch auch als Bereicherung, wenn man so eingespielt ist, wie das bei Ihnen der Fall ist. Wie sind sie im konkreten Fall vorgegangen?

Wir arbeiten im Team immer mehr oder weniger parallel an zwei Übersetzungen. Das läuft dann so ab, dass eine von uns die Rohübersetzung eines Texts anfertigt, ihn einmal überarbeitet und dann an die andere schickt. Diese überarbeitet ihn ebenfalls gründlich, ändert bereits einiges und schreibt viele Kommentare mit Vorschlägen, Verständnisfragen etc. an den Rand. Der Text wird also sozusagen schon einmal vorlektoriert. Dann wandert das Ganze wieder zurück. Alles, was keiner weiteren Klärung mehr bedarf, wird eingearbeitet und der Rest schließlich – da wir nicht ganz so nah beieinander wohnen, meist per Skype – ausführlich besprochen. Das Ziel ist ein Text aus einem Guss und oft wissen wir hinterher nicht einmal mehr, welche Übersetzungslösung eigentlich von wem stammte.

Wie würden Sie die Arbeit an Paulie Fink im Vergleich zu Ihren anderen Übersetzungen einordnen?

Jeder Text hat natürlich ganz eigene Herausforderungen, das ist ja gerade das Schöne an unserem Beruf. Auch vermeintlich einfache, geradlinige Storys sind längst nicht immer einfach zu übersetzen. Paulie Fink war aber natürlich besonders prall gefüllt, sowohl inhaltlich – allein die Bezüge zur Antike mit ihrer Mythologie und Philosophie, Themen, in die man sich erst einmal einlesen musste, um sie verständlich wiedergeben zu können – als auch erzähltechnisch: der Wechsel zwischen den vielen verschiedenen Textarten und Sprachregistern hatte es manchmal ganz schön in sich, hat dafür aber auch großen Spaß gemacht!

Die Suche nach Paulie Fink ist ja ein sehr komplexes Werk, wie haben Sie dem Rechnung getragen? Sind Sie beispielsweise chronologisch vorgegangen oder einzelnen Erzählsequenzen gefolgt? Wie haben Sie sich die Arbeit dabei aufgeteilt?

Wir sind tatsächlich genau so vorgegangen wie immer, also wie zuvor beschrieben. Stark getrennte Erzählstränge gab es ja eigentlich nicht, sondern der Text erinnerte eher an eine Collage, daher wollten wir bewusst nicht von unserem gewohnten Muster – d.h., uns sozusagen von grob nach fein vorzuarbeiten – abweichen, damit wirklich nichts unter den Tisch fällt. Bei den verschiedenen Durchgängen haben wir dann auf bestimmte Einzelheiten geachtet, also zum Beispiel, ob die Chats jugendlich genug klingen, ob die Wortspiele wirklich zünden etc. Außerdem werden in Paulie Fink ja auch sehr viele unterschiedliche Themengebiete behandelt, die über das ganze Buch verteilt immer wieder auftreten. Wenn man dann etwa beim Überarbeiten der Übersetzung an einer dieser Stellen besonders intensiv recherchiert hat, nimmt man sich oft direkt auch noch mal die anderen vor und stimmt alles aufeinander ab.

Es ist Ihnen ja ganz hervorragend gelungen, für alle Figuren und Textsorten den passenden Tonfall zu finden – wie haben Sie das erreicht und haben Sie bestimmte "Tricks" oder Quellen genutzt?

Ach, unsere Tricks sind eigentlich ganz simpel: Sich in die Figuren hineindenken und viel recherchieren. Manchmal holen wir uns auch Kinder und Jugendliche aus unserem Umfeld zur Hilfe und fragen: Würdet Ihr das wirklich so sagen? Das bringt uns oft weiter als jedes Wörterbuch. Um beispielsweise den Castingshow-Duktus bei Paulie Fink nachzubilden, schaut man eben entsprechende Fernsehausschnitte, um die Sprache möglichst glaubhaft wiedergeben zu können, dann wieder liest man griechische Sagen oder Lokalzeitungsartikel oder spricht sich Dialoge laut vor, um zu überprüfen, ob alles sitzt.

Wie viel Recherchearbeit steckt generell in Ihren Übersetzungen und war dieser Roman diesbezüglich aufwendiger als andere?

Wie gerade schon angedeutet, recherchieren wir eigentlich immer sehr viel, schon aus purem Interesse – bisher konnten wir aus so gut wie jedem Projekt etwas Neues über Gebiete dazulernen, mit denen wir uns bis dahin noch nie befasst hatten, sei es übers Stricken oder über plastische Gesichtsrekonstruktion. Bei Paulie Fink war das natürlich ein ziemlich bunter Themenstrauß, und dazu kam dann noch einiges an Fleißarbeit wie die Recherche zur Shakespeare-Challenge. Für die Originalzitate haben wir ganz klassisch die Schlegel- / Tieck-Übersetzung gewählt, damit es auch wirklich schön altertümlich klingt, und darum fleißig Dramen gewälzt.

Wollten Sie schon immer Übersetzerinnen werden oder wie sind sie zu dieser Tätigkeit gekommen und wie hat sich Ihre Teamarbeit entwickelt?

Wir haben einfach beide schon immer gern gelesen und uns für Sprachen interessiert und sind nach dem Abi unabhängig voneinander (damals kannten wir uns ja noch nicht) auf den Studiengang „Literaturübersetzen“ an der Uni Düsseldorf gestoßen, weil wir fanden, dass sich dadurch die zwei Interessensgebiete gut verbinden lassen könnten. Während des Studiums waren wir dann noch etwas unentschlossen, ob der Beruf für uns ganz das Richtige ist – auch weil wir oft zu hören bekommen haben, dass es nicht ganz einfach ist, sich gut genug zu etablieren, um überhaupt von den Honoraren leben zu können. Nach dem Uni-Abschluss haben wir dann über Verlagspraktika und Initiativbewerbungen die ersten kleinen Aufträge ergattert und erst einmal getrennt voneinander gearbeitet. Irgendwann ist dann eine von uns mit einem ihrer Projekte ein bisschen in Zeitnot geraten und da wir schon während des Studiums oft davon geschwärmt hatten, wie toll es wäre, wenn wir eines Tages im Team übersetzen würden, hat die zweite schnell ausgeholfen und einen Teil der Übersetzung übernommen. Dabei haben wir gemerkt, dass uns die Arbeit zu zweit noch viel mehr Spaß macht, und sind seitdem ein Team.

Übersetzen Sie auch unabhängig voneinander oder ausschließlich im Team?

Wir übersetzen ausschließlich im Team und würden daran auch nie wieder etwas ändern wollen. Es ist einfach ein großer Vorteil, immer jemanden zu haben, mit dem man sich beratschlagen kann – sei es über die Tücken der Selbstständigkeit oder eben die Kniffligkeiten des aktuellen Projekts. Das kommt auch besonders dem Endprodukt zugute, denn oft finden wir tatsächlich erst im Gespräch miteinander die Lösung für ein Problem, das zuvor jede für sich allein schon als unlösbar abgestempelt hatte.

Einen Großteil Ihrer Übersetzungen sind aus dem Englischen, obwohl Sie auch aus dem Niederländischen und Französischen übersetzen. Ist das eine Frage der persönlichen Neigung oder eher eine des geringeren Bedarfs?

In erster Linie liegt das tatsächlich daran, dass der Markt für englischsprachige Literatur und damit eben auch der Bedarf am größten ist. Außerdem sind wir in diesem Bereich inzwischen auch recht gut etabliert. Wir hätten allerdings gar nichts dagegen, wenn auch mal wieder unsere anderen Sprachkenntnisse zum Einsatz kämen – wer weiß, vielleicht ergibt sich ja in Zukunft mal wieder die Gelegenheit!

Können Sie schon verraten, auf welche neuen Projekte von Ihnen wir uns freuen dürfen?

Wir freuen uns, dass in diesen Tagen „Wie der Falke fliegt“ von Maggie Stiefvater in unserer Übersetzung erscheint. Das ist natürlich etwas völlig anderes als Paulie Fink, Urban Fantasy nämlich, aber mit seiner stark verdichteten und poetischen Sprache auch sehr besonders – beim Übersetzen der Reihe haben wir oft das Bild vor Augen, wie wir Stück für Stück die vielen Metaphern auseinandernehmen, um zu ergründen, was alles darinsteckt, und sie anschließend im Deutschen wieder zusammensetzen. Außerdem war Maggie Stiefvaters Nach dem Sommer unser allererster jugendliterarischer Auftrag – da schließt sich für uns gerade also wirklich ein Kreis, und wir sind dankbar, dass wir diese Autorin schon so lange begleiten dürfen.

 

Vielen Dank für das Interview und die wunderbar stimmige Übersetzung von Paulie Fink.

 Interview Komina und KnuffinkeJessika Komina und Sandra Knuffinke zusammen mit Lisa Paus (c) AKJ / Sebastian Kissel