Wie bist du dazu gekommen, Drehbuchautor zu werden?
Ich habe schon immer gerne geschrieben und wollte irgendetwas machen, was mit Geschichten erzählen zu tun hat. Ich habe dann nach der Schule zunächst Germanistik studiert, dann aber gemerkt, dass es da mehr ums Lesens als ums selber Schreiben geht. Bei einem Tag der offenen Tür an der HFF, der Filmhochschule in München, habe ich erfahren, dass man dort Drehbuchschreiben studieren kann, dass allerdings nur 10 Leute angenommen werden. Ich dachte ich bewerbe mich einfach mal auf gut Glück, ohne damit zu rechnen, dass ich genommen werde. Dann hat es aber geklappt und plötzlich habe ich fünf Jahre lang Drehbuch-Schreiben studiert.
Wie hat dich die Schule, in diesem Fall das Gymnasium Schäftlarn, auf deinen Beruf vorbereitet?
Bei meinem ersten Deutschlehrer, Herrn Donnermeyer, in der 5.-7. Klasse haben wir viele selbst ausgedachte Texte geschrieben und ich habe auch einmal einen Schreibwettbewerb für eine Geschichte bei ihm gewonnen. Dabei habe ich gemerkt, wie viel Spaß mir das fiktive Schreiben macht und ich habe mich von ihm sehr motiviert gefühlt, das Thema weiter zu vertiefen. In der 9. Klasse bin ich dann in die Theatergruppe eingetreten, die damals von Herrn Sauer und der ehemaligen Schülerin Ruth Bitai geleitet wurde. Dort habe ich zum ersten Mal Erfahrungen mit Schauspiel und Theater gemacht und daran sehr viel Spaß gefunden. Vor allem aber habe ich darüber Freunde gefunden, die ebenfalls gerne an kreativen Projekten arbeiten und habe mit ihnen auch erste kleine Filme gedreht. Nach dem Abi habe ich noch ein paar Jahre, erst mit Herrn Sauer, dann mit Herrn Schmid, im Regie-Team der Theatergruppe mitgearbeitet. Dabei habe ich zum ersten Mal auch die gespielten Texte mit umgearbeitet und Regie geführt. Dabei habe ich gemerkt, dass ich so etwas sehr gerne beruflich machen würde.
Du warst ein strahlender Stern der Jugend-Theatergruppe. Hat dir diese Aktivität etwas fürs Berufsleben gebracht?
Ein strahlender Stern ist vielleicht etwas übertrieben, aber ich habe dort vier Jahre lang mitgespielt und danach drei Jahre lang Co-Regie geführt. Das war auf jeden Fall die Grundlage meines Berufslebens. Ich habe dort das Selbstbewusstsein gefunden, vor anderen Leuten Geschichten zu erzählen, außerdem habe ich mich zum ersten Mal intensiv mit Schauspiel, mit Dramaturgie, aber auch mit Dingen wie Kostüm oder Szenenbild auseinander gesetzt; alles Elemente, die im Film auch eine wichtige Rolle spielen. Das wichtigste aber waren die Freunde, die sich ebenfalls fürs Theater begeistert haben.
Wie hast du es geschafft, an die begehrte Hochschule für Film und Fernsehen München zu kommen?
Viele Leute bewerben sich sehr lange und oft an Filmhochschulen, ich hatte ehrlich gesagt gar nicht damit gerechnet, dort angenommen zu werden und bin die Bewerbung deshalb relativ entspannt angegangen. Für die Bewerbungsmappe musste man eine Kurzgeschichte aus der Ich-Perspektive schreiben, ein dokumentarisches Portrait über eine reale Person, von der man auch Fotos machen sollte, ein Exposé für einen Spielfilm- Stoff und eine Analyse eines bestehenden Drehbuchs. Während dieser Bewerbung habe ich ein Austausch-Semester in Italien absolviert. Mein dokumentarisches Portrait ging dabei um eine Mitbewohnerin aus meinem Wohnheim, die Sopran-Gesang studierte, der aber bei der Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen worden war. Sie war also eine Trans-Frau, die Sopran-Arien sang. Ich wurde dann in die zweite Bewerbungsrunde eingeladen. Dort sollten wir in einer Gruppenübung Menschen in der Münchner Innenstadt beobachten und daraus eine Szene entwickeln. Außerdem gab es eine mündliche Prüfung zur Bewerbungsmappe. Einige Wochen später bekam ich dann den Anruf, dass ich angenommen war - überraschenderweise gemeinsam mit Karla Schuster, einer anderen Alt-Schäftlarnerin.
Was war dein schönstes Erlebnis an der Schule?
Auf jeden Fall die Premieren der Theatergruppe, welche davon die tollste war kann ich allerdings nicht sagen. Die vielen gemeinsamen kreativen Stunden in der Aula, damals oft noch bis spät in die Nacht, und dann der Tag, an dem man die Stühle in der Aula aufstellte, die Aufregung stieg und man schließlich zum ersten Mal dem Publikum präsentieren konnte, woran man so lange gearbeitet hat, das war ein einmaliges Gefühl, das ich so davor nicht kannte.
Lukas März als Theaterdarsteller zu seiner Schulzeit am Gymnasium Schäftlarn (c) privat
Was sind deine aktuellen Film- und Fernsehprojekte, sofern du etwas verraten darfst.
Nachdem ich mehrere Kurzfilme gedreht habe, versuche ich nun meinen ersten eigenen Langfilm zu schreiben, bei dem ich selbst Regie führe. Darin soll es um ein Date mit einem Werwolf gehen. Außerdem habe ich letztes Jahr eine Förderung für ein Drehbuch über Paul von Thurn und Taxis, den ersten Geliebten des 18-jährigen König Ludwig II bekommen, an dem ich gerade arbeite.Darüber hinaus habe ich ein Drehbuch über Erich Kästner geschrieben, der am Ende des zweiten Weltkriegs mit einem Filmteam in einem Dorf in den Alpen feststeckte, wo sie so taten, als würden sie einen Film drehen, damit sie nicht mehr zum Krieg eingezogen werden. Ich hoffe dass dieses Buch bald verfilmt wird.
In Lieferissimo geht es auf humorvolle Weise um eine queere Liebesschwärmerei. Wie wichtig ist dir die Sichtbarkeit von Queerness in Film und Fernsehen?
Mir ist es sehr wichtig, die Vielfältigkeit der verschiedenen Formen von Liebe auch in Film und Fernsehen zu zeigen, und zwar auf eine Weise, die nicht negative Diskriminierungserfahrungen oder die "Ausgeflipptheit" anderer Lebensentwürfe, sondern die Gleichheit der Gefühle in den Vordergrund stellt. Ich glaube Liebe fühlt sich für alle Menschen gleich an, egal wen man liebt. Ich finde es sehr traurig, dass trotzdem manche Formen von Liebe von vielen noch immer für besser und reiner gehalten werden, als andere, und dass viele queere Menschen deshalb Bedrohungen, Gewalt und Angst ausgesetzt sind. Ich selbst habe deshalb sehr lange gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich mich in Männer verlieben darf. Dabei sollte Liebe in meinen Augen eigentlich etwas vereinendes und nichts trennendes sein. Ich hoffe deshalb, dem Publikum zeigen zu können, dass sie vor anderen Formen von Liebe keine Angst haben müssen, dass sie sich im Gegenteil über jede Form von einvernehmlicher Liebe in gleichem Maße freuen können und sich für keine Gefühle schämen müssen.
Wie ist es, sich als freiberuflicher Drehbuchautor im Business zu behaupten?
Als Drehbuchautor ist man meistens selbständig, das heißt man ist sein eigener Chef. Das hat viele Vorteile, man kann selbst entscheiden, wann man aufsteht, wann man Feierabend und wann man Urlab hat. Es bedeutet aber auch, dass man sich ständig darum kümmern muss, dass man neue Projekte an Land zieht, um sich sein Leben finanzieren zu können. Das kann manchmal auch sehr stressig sein, vor allem weil zu der eigentlichen kreativen Arbeit sehr viel Verwaltung wie Steuererklärungen, Förderanträge etc. dazu kommt. Ich persönlich könnte mir allerdings nicht vorstellen, jeden Tag in ein Büro zu gehen um für einen Chef Aufgaben zu erledigen; da erledige ich lieber meine eigenen Aufgaben.
Arbeitest du auch für die Bavaria Filmstudios?
Ich habe tatsächlich im Februar einen kleinen Autoren-Job für Sturm der Liebe gehabt, eine Daily-Soap die in den Bavaria Filmstudios gedreht wird. Allerdings gibt es in München einen ganzen Haufen an Filmproduktionsfirmen und Studios und ich arbeite immer wieder für andere Arbeitgeber.
Würdest du gerne einmal ein Drehbuch über deine Schulzeit schreiben? Wenn ja, zu welchem Thema?
Tatsächlich habe ich vor ein paar Jahren mal für die Theatergruppe einen Prolog zum Lumpazi Vagabundus geschrieben, der im Klostergymnasium Schäftlarn gespielt hat, der wegen Corona dann aber leider nie zur Aufführung kam.
Aber auch für viele Filme würde sich so ein Kloster mitten im Nirgendwo natürlich anbieten, entweder als eine Coming-of-Age Internats-Geschichte über die erste große Liebe oder vielleicht für einen mysteriösen Thriller rund um einen toten Mann der eines morgens auf den Stufen des Altars der Klosterkirche gefunden wird…
Du hast öfter das Motiv Coming-of-Age erwähnt. Wieso ist es dir so wichtig?
Ich glaube der Prozess des „Erwachsenwerdens“ ist einer, der in unserer Zeit immer länger dauert und in dem das Finden der eigenen Identität mit vielen Unsicherheiten verbunden ist. Geschichten von anderen Leuten zu hören, die mit diesem Entwicklungs- und Findungs-Prozess Schwierigkeiten haben aber auch Lösungen finden, kann jungen (und auch älteren) Menschen Sicherheit geben, dass auch sie durch komplizierte Entwicklungsphasen einen Weg hindurch finden werden.
Das gerade genannte Motiv kommt auch oft in Kinder- und Jugendfilmen vor. Planst du auch ein Projekt in diesem Bereich oder hast in Zukunft einmal Lust darauf?
Ich habe zwar im Moment kein konkretes Projekt parat, hätte aber große Lust darauf. Ich habe schon öfters auch mit Geschichten herumgespielt, die in Schulen spielen, bisher sind die Projekte nie verwirklicht worden, aber das kommt vielleicht ja noch.
Schaust du selbst gerne Jugendfilme oder Filme mit Coming of Age-Motivik?
Ich finde gerade im Serienbereich ist in dieser Richtung in den letzten Jahren sehr viel spannendes herausgekommen, das auch für Erwachsene interessant ist, weil es aktuelle Themen anhand von Jugendlichen in Schulen erzählt. Sex Education zum Beispiel über einen Jungen, dessen Mutter Sexual-Therapeutin ist, während er selbst noch nie Sex hatte oder Young Royals, eine schwedische Serie über die Frage, was wäre, wenn der Thronerbe eines europäischen Königshauses schwul wäre. Die deutsche Serie How to sell drugs online fast fand ich auch sehr toll.
Wie unterscheiden sich Drehbücher für Kinder- und Jugendfilme von denen für Erwachsene, sofern sie sich überhaupt signifikant unterscheiden?
Ich bin da kein Experte, aber nach allem, was ich weiß, kommt es da wirklich sehr auf die Entwicklungs-Schritte an. Ein Film für Kindergartenkinder muss andere Kriterien erfüllen als ein Film für Grundschulkinder oder für Jugendliche, um Kinder nicht zu überfordern mit Themen, die sie noch nicht verarbeiten können. Hinsichtlich der Emotionalität und dem Anspruch finde ich aber, dass Filme für Kinder und Jugendliche nicht hinter denen "für Erwachsene" zurücktreten sollten. Ich glaube Kinder spüren sehr früh, ob ein Gefühl oder eine Wendung wahrhaftig ist, oder ob sie sich ausgedacht oder moralisierend anfühlt.
Danke für dein sehr ehrliches, offenes und mutiges Interview, lieber Lukas! Wir sind uns sicher, dass wir mit Blick auf Coming-of-Age-Filme noch viel von dir hören, lesen und sehen werden! Viel Erfolg bei deinen neuen Projekten!