Inhalt
Modermoor Castle ist ein düsteres Internat hoch oben im Norden Englands, mit skurrilen Lehrern und reichlich abgedrehten Schülern. In letzter Zeit häufen sich merkwürdige Vorfälle in dem alten Gemäuer: Ein Wikinger mit Flügelhelm und großer Axt taucht auf, eine ebenso gespensterhafte Dame im langen weißen Gewand wird auf dem Dachboden entdeckt. Und dann wird – welch Gipfel an Verderbtheit! - auch noch der berühmte Schullöffel des Schulstifters gestohlen. Mit üblen Konsequenzen: Der Direktor verfügt, dass die Weihnachtsferien gestrichen werden. Eine Katastrophe, die Mufford und Sponge, zwei zwar unsportliche, aber hellköpfige Sprosse aus uralten Familien, nicht einfach hinnehmen wollen. Ganz im Stile ihres Lieblingsdetektivs - "Bei Finlay Feathering verrät sich der Täter letztendlich immer selbst. Wir müssen also nur alles aufmerksam beobachten" (S. 559) - wollen sie die geheimnisvollen Vorgänge entschlüsseln. Aber zumindest dem Anschein nach verhalten sich alle normal; genauer gesagt sind sie "so geistesgestört und absonderlich wie immer, aber auch nicht mehr." (S. 69) Die Jagd nach den vermeintlichen Gespenstern ist leider auch nicht sonderlich ergiebig.
Doch dann erfahren die beiden Spürnasen von ihrem Geschichtslehrer Mr. Luckless, der sich in den letzten Tagen äußerst auffällig verhalten hat, dass der jüngst verschiedene Physik- und Lateinlehrer Mr Particle ein "Temporotransnavigationsfahrzeug" gebaut habe. Klar, dass Mufford und Sponge die ungeahnten Möglichkeiten dieser Zeitmaschine nutzen, um besagten Schullöffel zu finden und wieder an seinen angestammten Platz zu bringen. Aber die Reise durch Vergangenheit und Zukunft ist auch mit allerhand gefährlichen und abstrusen Abenteuern verbunden...
Kritik
Priestleys Buch, der erste Titel aus der Reihe Modermoor Castle, ist eine amüsant geschriebene, höchst skurrile Abenteuergeschichte. Der munter fabulierende Autor scheut sich nicht, seine witzigen Absurditäten auf die Spitze zu treiben, wenn er etwa den schrulligen Mathelehrer Mr. Painly fragen lässt:
"Also bitte. Wenn x = 5 und y = Brasilien ist, was ist dann die Quadratwurzel aus Donnerstag? […] Fast zwei Stunden später wankten die Jungs wie immer nach dem Matheunterricht hohläugig, grenzenlos gedemütigt und verzweifelt aus dem Klassenzimmer." (S. 22).
Die Dialoge sind spritzig, die Szenen wechseln rapide, vor allem, als die beiden Schüler Mufford und Sponge auf der Suche nach dem Schullöffel mittels Zeitmaschine in die Zeit der Wikinger oder Römer reisen. Es gibt sogar einen ansatzweise kritischen Blick in die Zukunft: Die Schule selbst ist nahezu unverändert, aber die Preise für Kekse sind immens gestiegen und der Anblick einer Frau mit Handy ist einigermaßen irritierend. Muffords Meinung dazu: "Ich muss schon sagen, die Zukunft kommt mir noch seltsamer und stumpfsinniger vor als unsere Zeit." (S. 221) Diese Episode lässt als einzige Rückschlüsse auf die ungefähre erzählte Zeit zu – ungefähr deshalb, weil die Zeitmaschine bei den eingestellten 150 Jahren voraus leider noch nicht zeitpunktpräzise arbeitet. Priestley legt keinen gesteigerten Wert auf korrekte historische Fakten; er versucht auch gar nicht erst, physikalische Unmöglichkeiten, die sich etwa aus der Benutzung der Zeitmaschine ergeben, logisch erklärbar darzustellen. Selbst ein verdoppelter Auftritt der beiden Protagonisten wird wie eine Selbstverständlichkeit, indes mit urkomischen Folgen geschildert: "In der Stunde der Not lässt Mufford sich selbst im Stich" (S. 131). Trotz solcher offensichtlichen Ungereimtheiten gelingt es dem auktorialen Erzähler, die Vielzahl der in der Vergangenheitsform präsentierten Geschehnisse letztendlich für die Lesenden mehr oder weniger stimmig erscheinen zu lassen.
Die comic-artigen, karikaturesken Strichzeichnungen passen zudem ausgezeichnet in dies insgesamt auf herrliche Absurdität abzielende Gesamtkonzept.
Fazit
Priestleys erste Modermoor Castle-Story ist ebenso rasant wie fantasievoll erzählt; kurz gesagt: ein höchst unterhaltsames Vergnügen für Leserinnen und Leser ab 10 Jahren. Pädagogischer Tiefgang ist nicht angesagt; muss auch nicht, denn es geht vor allem um jede Menge Spaß am Lesen. Und selbst die gruseligen Passagen (mit Werwolf, Marterpfahl oder Gespenstern) sind mit derart viel Pep und Witz beschrieben, dass keineswegs mit Alpträumen gerechnet werden muss. Man darf auf die von Verlagsseite bereits angekündigte Fortsetzung gespannt sein.
- Name: Priestley, Chris
- Name: Sigrid Ruschmeier
- Name: Priestley, Chris