Inhalt
Im magischen Ort Balderwald hat das neue Schuljahr im Balder-Institut für Lehre, Forschung und Magie begonnen. Noch sind die dramatischen Ereignisse des Vorjahres (s. Feuerrabe Bd. 1) nicht gänzlich verblasst, aber der 15- jährige Eric und seine Freunde wollen sich trotz einiger unliebsamer Konfrontationen mit anderen Schülern, die schon damals gegen sie eingestellt waren, vor allem auf ihre schulischen Leistungen konzentrieren.
Als sie eines Nachmittags durch die umliegenden Wälder streifen, treffen sie in den alten Ruinen, dort, wo die Stadt vor Jahrhunderten einmal entstanden war, auf geflohene Feuermagier. Weil denen eine Bleibe in Balderwald bislang verwehrt wurde, müssen sie hier unter recht erbärmlichen Bedingungen hausen. Eric, Mona und David möchten den Flüchtlingen helfen. Mit einigen Feuermagiern, darunter der freundlichen alten Liyana, freunden sie sich an und initiieren eine Spendensammlung. Aber etliche Balderwalder, allen voran Bardolf Bruto, wollen die fremden Eindringlinge möglichst schnell verjagen, weil es sich bei denen angeblich um Diebes- und Feuermörderpack handele. Der "Rabenflüsterer", eine für ihre reißerischen Schlagzeilen bekannte Zeitung, unterstützt diese Meinung "besorgter" Bürger.Und dann tauchen auch noch Plakate auf, die alle Einwohner Balderwalds zu einer freiwilligen, aber reichlich suspekt anmutenden "Studie zur magischen Potentialermittlung" mit dazugehörigem Bluttest aufrufen, um Energien und Magie der Probanden zu stärken. Eric und seine Freunde wollen unbedingt herausfinden, was es mit der Kampagne wirklich auf sich hat. Das Ergebnis ist höchst beängstigend.
Zudem gibt es eine gefährliche Brandstiftung in den Ruinen, für die natürlich von vielen Balderwaldern die Flüchtlinge selbst verantwortlich gemacht werden. Die Zustände, deren schlimmes Ausmaß von kaum jemand eingeschätzt werden kann, spalten die Bewohner in zwei gegnerische Lager. Viel zu tun also für Eric und seine Freunde, die wiederholt auch ihre magischen Fähigkeiten einsetzen müssen, um die Verantwortlichen zu entlarven. Und daneben müssen sie noch ihre Schulprüfungen absolvieren und beim alljährlichen magischen Schabaka-Turnier antreten...
Kritik
Die geheime Allianz der Magier ist der zweite Titel aus der Fantasy-Romanreihe Der Feuerrabe von Vera Reh. Das Buch kann prinzipiell auch eigenständig gelesen werden, allerdings ist das Verständnis der zahlreichen, im Anfangsteil erwähnten Rückgriffe wesentlich einfacher bei Kenntnis von Band 1, Das verschollene Buch der Druiden. Zumindest auf den ersten Blick mag Etliches aus Der Feuerrabe an Harry Potter erinnern (ein kurzer Verweis findet sich sogar im Buch auf S. 408); doch es zeigt sich sehr bald, dass Vera Reh das "Magische" in vielerlei Hinsicht anders einsetzt.
Erneut ist die Handlung angesiedelt in Balderwald, einem Ort, dessen Bewohner als Waldmagier magische Kräfte besitzen. Zudem gibt es dort unzählige kleine und größere Wesen mit teils angenehmen, teils weniger guten Eigenschaften. Dennoch beschreibt die Autorin ein doch recht alltägliches Szenario, das von der Realität gar nicht so weit entfernt zu sein scheint. Gewiss sind Raben und Elstern, die mit speziellen Keksen belohnt werden müssen, als Briefboten keine Normalität. Aber Tiere, mit denen man quasi gedanklich kommunizieren kann, sind ebenso wie etwa sprechende Katzen, deren Mimik und Körpersprache von Katzenliebhabern (und dazu zählt sich auch Vera Reh) "gelesen" werden können, in gewissem Maße vorstellbar. Dass ein bevorzugt in Damenhandtaschen herrschendes heilloses Durcheinander auf magische Wesen namens Kuddelmuddel zurückzuführen sei (S. 434), ist amüsant; dass Flammen von Lichtlibellen, Lichtelfen oder winzigen, wunderschönen Feuerfeen (S. 78) erzeugt werden, ist poetisch; dass positive oder negative Glücksgeister oder bewusst eingesetzte magische "Emotionswolken" das Verhalten von Personen erheblich beeinflussen können, ist zweifellos nachdenkenswert. Tatsächlich bringt die munter fabulierte Geschichte immer wieder Anregungen, die Dinge in einer realen Welt auch einmal mit "magischen" Augen intensiver zu betrachten. Wie bereits im ersten Band liegt dabei ein Schwerpunkt auf dem ökologischen Umgang mit der Umwelt. Tiere wie auch Pflanzen werden als den Magiern bzw. Menschen gleichberechtigte Wesen angesehen. Dies drückt sich nicht nur in sprechenden, notfalls aktiv sich wehrenden oder zu Hilfe kommenden Bäumen aus, die um jeden Preis zu schützen seien. Natur kann unterstützen (wie die hilfreichen Mäuse: S. 463), sie kann aber auch heftig austeilen (wie etwa die resoluten Einhörner: S. 359). Sehr direkt wird die Umweltzerstörung im Schulfach Naturkunde angesprochen:
"Die Bedeutung der Natur für den Menschen ist sehr groß. Leider lebt ein Großteil der Menschheit heutzutage nicht mehr so naturverbunden wie die magischen Gemeinschaften auf der Welt. Der saure Regen, die Zerstörung der Ozonschicht und die verschmutzten Flüsse und Meere beeinflussen auch unser Leben hier negativ. Es gehen darum immer wieder Balderwalder in die Politik der Nicht-Magier, um sich dort für die Erhaltung de Natur stark zu machen. Leider kann man nicht beobachten, dass diese sonderlich erfolgreich dabei sind. Zumindest nicht genug!" (S. 276)
Gleichermaßen pädagogisch, immer ohne drohend erhobenen Zeigefinger, aber keineswegs mit ihrer Meinung hinter dem Berg haltend thematisiert Reh das friedliche Zusammenleben von Angehörigen unterschiedlicher Kulturen. Dabei geht es um die Feuermagier-Flüchtlinge, die sich in den Ruinen einen zumindest halbwegs brauchbaren Unterschlupf geschaffen haben, was ihnen jedoch von etlichen Waldmagiern nicht gegönnt wird:
'Wir gehören hierher. Durch unsere Adern fließt das reine Blut der Waldmagier!' ...'Reines Blut?! Wegen solcher Meinungen wurden Kriege geführt! Du solltest besser auf deine Worte achten! Wir sind alle Magier, alle Menschen. Wenn du keine Hilfe leisten willst, dann ist das nicht nur ein Verrat an den Grundsätzen der alten Druiden, sondern an der ganzen Menschheit gleich mit', sagte Nora, und Eric sah sie verblüfft an. (S 84)
Im gleichen Zusammenhang wird auch der mediale Einfluss durch falsche oder manipulierte Meldungen überraschend deutlich angesprochen. Und Reh geht noch weiter, wenn sie beispielsweise die Möglichkeit einer bewussten Wahlsteuerung durchspielt, indem man Menschen zunächst durch "Optimierungs-Versprechen" dazu veranlasst, persönliche Daten etwa in Form freiwilliger Blutproben preiszugeben und dann ihre Gedanken mittels spezieller Laborbehandlung – quasi einer biochemischen Gehirnwäscher – in eine speziell gewünschte Richtung verändert.
'Überlegt doch mal, was das bedeutet! Was es für eine große Macht ist, Menschen Ideen einzupflanzen! Du kannst sie im Grunde alles denken und alles machen lassen! Das ist unfassbar! Und vor allem ist das hochkriminell!' 'Und dann haben die Leute auch noch alle gutgläubig ihre Daten preisgegeben, freiwillig!' … sagt Eric bestimmt. (S. 446)
Neben derart prägnanten Aussagen bietet der spannende, aber niemals alptraumhafte Plot auch sehr emotionale Passagen:
Eric betrat sein Zimmer und bemerkte sofort, dass etwas anders war. Der Schein des Feuers war erloschen. Die Hände um die kühle Glasglocke gelegt, sank Eric zu Boden und begann zu weinen. Er weinte so heftig, dass er am ganzen Körper zitterte. Er weinte um Liyana, um die verletzten Feuermagier und um seine kleine Feuerfee. Er weinte um alle, die ihm so sehr ans Herz gewachsen und nun fort waren. Fort, in der Anderswelt. Fort aus seinem Leben. Er weinte lange und das Weinen tat gut. Es befreite ihn. (S. 377)
Trotz einer Vielzahl eingeschobener Nebenstränge – naturwissenschaftliche Themen, Definitionen von magischen Gestalten, Verhaltenskodizes u.ä. – ist die Chronologie der Haupthandlung weitgehend problemlos nachvollziehbar.
Fazit
Vera Reh hat mit dem zweiten Band ihrer Reihe Der Feuerrabe eine gelungene Fortsetzung vorgelegt, die erneut aktuelle Problematiken wie etwa Umweltbewusstsein, Flüchtlinge und Fremdenfeindlichkeit in einem zwar 'magischen', aber dennoch ohne Schwierigkeiten auch auf die Realität anwendbaren Szenario thematisiert, wobei die Autorin jeweils eine klar begründete Position bezieht. Das Buch ist verständlich und nicht moralisierend geschrieben; es ist gleichermaßen für Mädchen wie Jungen ab 12 Jahren geeignet. Aber auch erwachsene Leserinnen und Leser, die gerne einmal in eine magische, aber deshalb keineswegs beängstigende Welt eintreten möchten, werden ihr Lesevergnügen haben. Auf den dritten Feuerrabe-Band, der bereits in Arbeit ist, darf man gespannt sein.
- Name: Reh, Vera