Inhalt
Die Hennen von Bauer Klein machen, was sie wollen:
Sie hausten so liederlich, dass es eine rechte Plage mit ihnen war. Weder misteten sie ihren Stall aus, noch schüttelten sie das Stroh in ihren Nestern auf. Alles ließen sie herumliegen. Gelüftet wurde nie, außer wenn eine von ihnen das Fenster zu schließen vergaß, nachdem sie eine schmutzige Socke hinausgeworfen hatte. Eier legten sie, wie es ihnen einfiel. Mal eins, mal acht, mal keins. Zu Ostern, wenn Bauer Klein viele Eier brauchte, legten sie überhaupt keine. Aber am Montag eine Woche danach, wenn einem jeden übel wurde, der auch nur ein bisschen an Eier dachte, legten sie neunundneunzig auf einen Schlag. "Hier muss ein Hahn her, der Ordnung schafft!", dachte Bauer Klein. (o.P.)
Gesagt getan: Bauer Klein fährt auf den Markt und kauft einen teuren Hahn, natürlich nur den Besten für seine Hühner. Denen ist das – gelinde gesagt – ziemlich schnuppe: Sie werfen den Hahn hochkant hinaus, direkt in den Misthaufen. Dem nächsten Hahn ergeht es nicht besser: Er will, dass die Hennen sich zu allem, was er sagt, Notizen machen. Auch er landet auf dem Misthaufen. Auch die Hähne drei bis 33 landen dort – und die Hennen erscheinen unverbesserlich.
Bauer Klein ist pleite – und zieht daher selbst in den Hühnerstall. Er räumt auf, putzt, klettert "im Morgengrauen aufs Stalldach und krähte, kochte dann Kaffee, fegte den Stall aus und schüttelte das Stroh auf. Las den Hennen aus der Zeitung vor, buk Apfelkuchen und kochte Regenwürmer mit Tomatensoße." (o.P.)
Es geschieht kein großes, sondern ein kleines, überraschendes Wunder:
Brigitte, Hanni, Grete, Frieda, Emma, Olga, Susi, Helga, Gundula und Waltraud legten ihre Eier immer noch, wie es ihnen einfiel, und weil der Bauer ohnehin jeden Freitag aufräumte, ließen sie noch mehr herumliegen als früher. Es war eine rechte Plage mit ihnen. Aber manchmal, wenn die Hennen nicht hinsahen, warf auch Herr Klein seine schmutzigen Socken aus dem Fenster (o.P.).
Kritik
Kristina Andres ist eine humorvolle Geschichte gelungen, die sich ganz um das Thema Ordnung dreht. Sie erinnert damit an Bücher wie Aufräumen? Mach ich morgen. Geschichten von Monty Maulwurf (Greta Carolat und Susanne Mais), worin ein kleiner Maulwurf ebenfalls keine Lust hat, für Ordnung in seinem Zimmer zu sorgen. Während in diesem Buch – wie in den meisten dieser Art – der Protagonist irgendwann einsieht, dass Aufräumen notwendig ist, persifliert Andres die Thematik in Bauer sucht Hahn und lässt die Hühner erfrischend renitent bleiben, bis sie es schaffen, ihren Bauern umzuerziehen. Nun räumt er für die Hühner auf und übernimmt dabei sogar Eigenschaften von ihnen. Wer will, kann auch emanzipatorische Tendenzen in die Geschichte hineininterpretieren: Die Hühner, die sich von einem Hahn gar nichts sagen und vorschreiben lassen, sondern frei und selbstbestimmt ihr Leben so leben, wie sie es wollen und sich dabei wohlfühlen. Dass dabei die Ordnung auf der Strecke bleibt, ist zumindest den Hühnern egal – und später auch dem Bauern, der hin und wieder die sprichwörtlichen Fünfe gerade sein lässt.
Die Bilder, die den humorvollen Text illustrieren, folgen der linear-chronologisch angelegten Narration, so dass Text- und Bildebene ineinandergreifen und den Erzählprozess auf beiden Ebenen vorantreiben (vgl. dazu Thiele 2002, S. 231f.). Die Bilder selbst, mit feinen Strichen detailreich ausgestaltet und koloriert, sind reich an Details und laden den Lesenden zu ausführlichen Betrachtungen ein. Gerade dem Detailreichtum und den feinen Linien ist es geschuldet, dass z. B. die Emotionen der Figuren deutlich zutage treten. So werden die Hühner, die mit eigenen Namen zu individuellen Persönlichkeiten werden, für den Leser auch optisch unterscheidbar und gehen nicht im Kollektiv unter.
Der Text richtet sich an geübte Lesende, die bereits längere Textpassagen eigenständig lesen können. Andres' Buch eignet sich zudem sehr gut zum Vorlesen und ermöglicht durch die ganz-, mitunter doppelseitig angelegten Illustrationen eine gleichzeitige Betrachtung. Die Bilder laden allein für sich genommen und auch einzeln betrachtet zum Verweilen ein und verstehen es, den Betrachtenden zu unterhalten.
Fazit
Kristina Andres ist eine humorvolle und dabei feinsinnige Geschichte über Ordnung, Unordnung und das Wohlfühlen gelungen, die sich an Rezipierende ab vier Jahren richtet und mit dem Thema Aufräumen eine Notwendigkeit aufgreift, mit der Lesende immer wieder konfrontiert werden. Doch Andres zeigt: Vieles sollte man einfach (selbst) machen – und Vieles auch gar nicht so eng sehen.
Literatur
Thiele, Jens: Das Bilderbuch. In: Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur in zwei Bänden. Bd. 1: Grundlagen, Gattungen. Hrsg. v. Günther Lange. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, 2002. S. 228-242.
- Name: Andres, Kristina
- Name: Andres, Kristina