Inhalt
Zoran Drvenkar erzählt in zwölf Abschnitten, die passend zum Titel des Buches alle mit "Weißt du noch, als ..."(o.S.) eingeleitet werden, von einem Tag, an dem zwei befreundete Kinder loslaufen, um draußen auf Erkundungstour zu gehen. Sie begegnen einem Fahrrad fahrenden Zwerg und erklimmen einen Berg, der in den Himmel führt und auf dem Ziegen einen Kaffeeklatsch veranstalten. Sie laufen einem Rudel Hunde in die Arme und bemerken, dass Regentropfen in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen vom Himmel fallen. Sie sprechen mit unhöflichen Maulwürfen und notleidenden Füchsen und werden fast von einer Kuhherde umgerannt. Als es dunkel wird, steigen sie den Berg wieder hinunter: "Beim Abstieg mussten wir dann den Mond beiseiteschieben, der war in dieser Nacht besonders dick und rülpste zweimal, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten. Auch das war ziemlich unhöflich." (o.S.) Zuhause angekommen, tanzen die Kinder euphorisch umher und kuscheln sich zusammen ins Bett. Natürlich endet ein Tag wie dieser nicht ohne einen gegenseitigen Schwur – nämlich, dass sie nie wieder Angst haben und sich schon bald auf die Suche nach dem nächsten Abenteuer begeben werden.
Kritik
Jeder der zwölf Teilerzählungen ist eine Doppelseite gewidmet. Der Schrifttext nimmt dabei etwa ein Viertel der Fläche ein und befindet sich in der Regel im oberen Bereich der linken Seite. Visuell erzählt wird die Geschichte von Jutta Bauer. Der beschriebene Handlungsverlauf wird von ihr auf dem rechten Teil der Doppelseite durch bunte Aquarellillustrationen in Szene gesetzt. Den Zusammenhang zum Titel stellt Bauer durch kleine (Bleistift-)Skizzen her, die in unmittelbarer Nähe zum Schrifttext platziert sind. Auf ihnen sind zwei alte Damen zu sehen, die sich jeweils in verschiedenen Situationen an ihre gemeinsame, abenteuerliche Kindheit erinnern und damit den Stoff für die Bilderbucherzählung liefern.
Weißt du noch lässt sich dadurch als eine Hommage an die Kindheit lesen: Durch die Relation zwischen Text, Bild und Skizzen lassen sich zwei unterschiedliche Erzählebenen ausmachen. Der Schrifttext erzählt die Geschichte von einem besonders abenteuerlichen Tag zweier Kinder, die farbigen Illustrationen verdeutlichen die Handlung und bilden somit die Binnenhandlung ab. Die Skizzen hingegen verweisen auf die Rahmenhandlung, in der die zwei alten Damen in unterschiedlichen Alltagssituationen auf ihr gemeinsames Kind sein zurückblicken. Der Zusammenhang zwischen Rahmen- und Binnenerzählung wird visuell hergestellt. Dieses komplexe Zusammenspiel von Text und Bild adressiert unterschiedliche Zielgruppen. Einerseits richtet sich das Bilderbuch an Kinder ab fünf Jahren, für die die abenteuerliche Handlung der Binnenerzählung besonders interessant sein wird. Andererseits werden auch die Vorlesenden mit eingebunden, an sie richtet sich die kontextualisierende Rahmenhandlung. Die kleinen Bildchen, die eher unterschwellig und erst bei genauerem Hinsehen zur Geltung kommen, verleihen dem Werk das gewisse Etwas – nämlich seine nostalgische Komponente. Je älter man wird, desto mehr gerät das Erlebte in Vergessenheit. Umso erfreulicher ist es, wenn man durch kleine Details im Alltag oder durch Gespräche angestoßen wird, in längst vergangenen Erinnerungen zu schwelgen.
Dem von Zoran Drvenkar verfassten Nachwort zufolge beruhen die in Weißt du noch beschriebenen Abenteuer auf Kindheitserinnerungen der Fotografin Corinna Bernburg in Irland. Der Stoff für diese Erzählung ging über sie an Drvenkar und in verschriftlichter Form an die Hamburgerin Jutta Bauer, die ihn dann zu einem Bilderbuch verarbeitete. Mit Weißt du noch gelingt Zoran Drvenkar und Jutta Bauer ein Bilderbuch, das die Abenteuer zwar in Textform erzählt, das eigentliche Thema bzw. der Kontext wird allerdings nur anhand der Illustrationen deutlich.
Fazit
Das Bilderbuch ist für Kinder ab fünf Jahren und deren Vorlesende gleichermaßen zu empfehlen. Durch das komplexe Verhältnis von Text und Bild beweist Drvenkars und Bauers Weißt du noch wieder einmal, dass das Bilderbuch als Medium fähig ist, über seinen Kinderbuchstatus hinaus auch die erwachsenen Rezipierenden anzusprechen.
Ein Interview mit Zoran Drvenkar auf KinderundJugendmedien.de finden Sie hier.
- Name: Drvenkar, Zoran
- Name: Bauer, Jutta