Inhalt
Nusret lebt mit seinen Großeltern, einem Hund, zehn Hühnern, drei Gänsen und seiner liebsten Kuh in einem Dorf, weit oben auf einem Berg im Kosovo. Dort wohnen nicht mehr viele Menschen, denn die meisten sind vor dem Krieg geflüchtet. So auch Nusrets Eltern vor seiner Geburt. Nusret ist zwar in Deutschland geboren, wurde aber von seinen Eltern zurück zu den Großeltern gebracht, damit diese nicht so allein sind.
Jeder Tag ist für Nusret ein Abenteuer. Er wird von Gänsen gejagt, sucht Eier und füttert seine geliebte Kuh. Er freut sich, die Zeit mit seinen Großeltern zu verbringen und kann sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. An manchen Tagen kommt der Postbote zu Nusret ins Dorf und bringt Nachrichten von seinen Eltern und Geschwistern aus Deutschland. Da weder Nusret noch seine Großeltern lesen können, muss der Postbote ihnen regelmäßig aus den Briefen vorlesen. Es wird zu einem Ritual für Nusret und die Großeltern.
Eines Tages schreiben Nusrets Eltern, dass sie ihn nach Deutschland holen wollen, um ihn in die Schule zu bringen. Nusret ist zunächst traurig. Wird er den Blick ins Tal und den Hof mit den vielen Tieren nicht vermissen? Mit Sicherheit! Daher soll ihn auch die Kuh auf seinem langen Weg nach Deutschland zu den Eltern begleiten.
Nusret träumt davon, wie er in Deutschland ankommt, sowohl sprachlich als auch sozial. Er wird neue Freunde finden und erzählt ihnen dann von seinen Großeltern. Und obwohl er seine Großeltern vermissen wird und am liebsten bei allen gleichzeitig wäre – Nusret wird in Deutschland bleiben. Nur die Kuh wird sich nicht so ganz wohl dort fühlen. Sie hat zwar Lesen und Schreiben gelernt, möchte aber lieber zurück zu den Großeltern. Das schreibt sie den Großeltern dann in den Briefen, die der Postbote ihnen vorliest. Und so kommt es, dass die Familie – Nusret, seine Eltern, die beiden Geschwister und die Kuh – in den Ferien die Großeltern in dem kleinen Dorf besuchen kommen. Die Kuh wird dort bleiben und kann von dann an die Briefe vorlesen, die Nusret ihnen schreibt.
Kritik
Anja Tuckermann gestaltet ihre Geschichte, die von Abschied, Heimweh und dem Gefühl von Fremdheit handelt, auf ganz neue Weise: Sie lässt den traurigen Teil weg. Nach dem Brief der Eltern stellt sich Nusret seine Zukunft vor und erzählt damit die Geschichte für die Leserin und den Leser weiter. Der Abschied von den Großeltern, das Heimweh, die Schwierigkeit, sich an die neue Kultur anzupassen und der Kampf gegen Vorurteile, all das wird in Nusrets Zukunftsvision übersprungen. Die Leserin und der Leser begegnet dem Jungen erst wieder, als er sich von all diesen Problemen befreit hat. Nusret stellt sich vor, wie ihn seine liebste Kuh begleitet und mit ihm gemeinsam die neue Sprache lernt. Nusret weiß, dass ein Teil von ihm wieder zurück möchte. Daher lässt er auch seine liebste Kuh in die Heimat zurückkehren. Zurück zu seinen geliebten Großeltern, die von nun an durch Briefe und Träume mit ihm verbunden bleiben.
Eine Besonderheit dieser Geschichte sind die fröhlich-skurrilen Illustrationen von Zaeri und Krappen. Das Spiel der verschiedenen Malstile und der Mix aus Collage und Zeichnung erzählen neben der Hauptgeschichte noch zahlreiche Nebengeschichten. Durch dunkle Schatten und kräftige Farben schaffen sie es, die Balance zwischen Krieg und Trauer auf der einen und Hoffnungen auf der anderen Seite zu finden. Dabei wechselten sich die Künstler im Fünf-Minuten-Takt mit dem Zeichnen und Malen ab, was den Stilmix der Illustrationen erklärt. Dieser Prozess wird am Ende des Buches vorgestellt, was für die Leser eine spannende Ergänzung ist.
Fazit
Der Stil-Mix der Geschichte macht aus dem Buch Nusret und die Kuh eine künstlerische und literarische Wundertüte, die bei der Thematisierung von Krieg und Flucht unbedingt berücksichtigt werden sollte. Obwohl das Thema des Buches zunächst nicht zu der Altersempfehlung passen mag, ist es am Ende die Machart des Buches, die es für diese Altersgruppe zugänglich macht. Dieses Buch bildet eine gute Grundlage, um auch mit jüngeren Kindern ab fünf Jahren das Gespräch um Krieg und fremde Kulturen zu eröffnen.
- Name: Anja Tuckermann
- Name: Ulli Krappen
- Name: Mehrdad Zaeri