Inhalt
Die beidseitig illustrierte Pappe, die an den Enden zusammengeklebt wurde, bildet ein "Never-ending book". Durch die Falzung kann es nicht nur Seite für Seite umgeblättert, sondern auch ausgebreitet und aufgestellt werden, sodass sich großformatige Eindrücke vom Elliot’s Beach (Südindien) ergeben, die Jolivet mithilfe eines Linolschnitts festgehalten hat. Die französische Illustratorin verbrachte ein paar Tage dort und schreibt: "Dieser Strand war ganz anders als die in Frankreich, wo man in den Ferien schwimmt und faulenzt. An diesem Strand gingen die Menschen erstaunlichen Tätigkeiten nach…" Ursprünglich richtet sie sich an ein indisches Publikum; in der deutschen Übersetzung vertreibt Tara Books dieses Buch nun ebenfalls.
Von links nach rechts folgen die Bilder dem Tagesablauf vom Sonnenaufgang über den Tag bis zur Nacht und mit der Dämmerung dem Übergang in den neuen Tag. Auf der Innenseite eröffnet sich das Meer.
Das Buch selbst ist zwar textlos, jedoch enthält der Schuber Informationen zur Entstehung und eine Beschreibung der Szenen von der Illustratorin selbst. Dem Schuber sind außerdem Materialien vom Verlag beigefügt. Diese richten sich in erster Linie an Literaturvermittelnde: Es werden Diskussionsansätze und Fragestellungen aufgeworfen, die von persönlichen Stranderfahrungen über die Tätigkeiten Fischen und Verkaufen bis hin zur Problematik der Wasserverschmutzung und der Überfischung reichen.
Kritik
Auf den Bildern ist nicht nur immer wieder etwas Neues zu entdecken, sie können auch ausgemalt oder ergänzt werden (wozu der Text auf dem Schuber ausdrücklich ermutigt). Viele freie Flächen und klare Linien lassen dies sehr leicht zu. Interessante Elemente inszeniert Jolivet so, dass die zum Betrachtenden hin gerichtet sind, sodass es umso mehr zu entdecken gibt. Auch ohne viel Farbe (auf der Vorderseite ist lediglich das Wasser koloriert) schafft Jolivet es, die Stimmung einzufangen und erkennbar den Tag zur Nacht und wieder zum Tag werden zu lassen. Die besondere Materialität macht die Beschäftigungsmöglichkeiten hier umso vielfältiger. Allein durch das Bild werden die in den Materialien angesprochenen Problematiken allerdings nicht erkennbar. Der Kulturtransfer profitiert von einer pädagogischen Begleitung, für die der Verlag Materialien mitliefert. Die Fragen, Anregungen und Anleitungen sind nicht immer konsequent darin, entweder den Pädagogen und Pädagoginnen oder das Kind anzusprechen; der Text 'springt' ein wenig zwischen den Zielgruppen. Da es sich hier um eine beachtliche Menge an Text handelt, ist es ratsam, das Buch zunächst möglichst eigenständig entdecken zu lassen und die Beilage aus dem für Kinderhände zu empfindlichen Papier zu verstauen, um sie bei Bedarf, mit eigenen pädagogischen Schwerpunkten versehen, einzusetzen. Die Fragen zielen auf Kreativität und Literacy ab (Geschichten erfinden, Bild ergänzen) oder sprechen Probleme der Realität an. Auch sollen die Kinder beispielsweise feststellen, welche Tätigkeiten die Frauen und welche die Männer verrichten. Wie kritisch dies letztendlich besprochen bzw. auf die eigene Lebensrealität angewendet wird, bleibt den Pädagogen und Pädagoginnen vollkommen freigestellt.
Fazit
Ein indischer Strand kann sowohl in der Gruppe als auch individuell auf vielfältige Weise benutzt werden und eignet sich daher auch altersübergreifend für den Einsatz in der (Kunst-)Pädagogik bei Kindern ab ca. vier Jahren. In der Kinderliteratur stellen sowohl der Kulturtransfer durch einen indischen Verlag als auch die Materialität und die angewandte Technik des Linolschnitts eine Besonderheit dar, die Kinder wie auch Erwachsene neugierig machen. Das Buch ist nicht nur eines der wenigen auf dem deutschen Kinderbuchmarkt, die die indische Kultur näherbringen, es ist auch in seiner Kombination aus der Kunstfertigkeit von Jolivet und der materiellen Umsetzung empfehlenswert.
- Name: Jolivet, Joëlle
- Name: Rittinghausen, Elena
- Name: Jolivet, Joëlle