Inhalt
Ein Groß- und ein Kleinbuchstabe sowie ein Tierporträt und ein entsprechendes Gedicht, aus diesen Zutaten besteht jede Doppelseite des nach dem Alphabet strukturierten Tierbuches Affe Bär Zebra. Die Holzschnitte setzen exotische (wie den Vogel Quetzal, das Lama oder die Giraffe) und einheimische Tiere (wie den Dachs, den Hasen und Rotkehlchen) zumeist als Einzelfigur, teilweise als (Eltern-Kind-)Paar in Szene. Die Gedichte sind überwiegend aus Sicht der tierischen Protagonisten formuliert und geben Eigenheiten der jeweiligen Gattung preis. So erfährt man, dass ein Pandabär-Männchen dreißig Kilo Bambus am Tag vertilgen kann. Ein alter Ochse erzählt von seiner Arbeit auf dem Feld. Ein Tapirkind unterhält sich mit seiner Mutter über den Zweck seines Rüssels. Unterschiedlichste Aspekte ergeben sich von A bis Z. Das Buch schließt mit drei Seiten, auf denen noch einmal sämtliche Kleinbuchstaben sowie alle Tiernamen und weitere Informationen über die Arten enthalten sind.
Kritik
Bereits 2009 veröffentlichte die Künstlerin Henriette Boerendans in den Niederlanden das Abecedarium Aap Beer Cheeta, ihr Debut als Kinderbuchillustratorin. In diesem Buch fanden sich schon die meisten der Holzschnitte mit Tierporträts, die durch Besuche der Künstlerin im Amsterdamer Zoo Artis inspiriert wurden, sowie Informationen über die darauf abgebildeten Tiere. 2016 erschien dann im niederländischen Gottmer Verlag eine überarbeitete Neuauflage unter dem Titel Aap Beer Zebra, worin die Holzschnitte um die Tiergedichte von Bette Westera ergänzt wurden. Außerdem erfuhr das Buch hierzu eine neue Gestaltung durch die Grafiker von Bockting Ontwerpers: Aus dem kleinen quadratischen Bilderbuch Aap Beer Cheeta wurde ein Hochformat mit Leinenrücken. Die deutschsprachige Ausgabe Affe Bär Zebra, die 2019 bei aracari in Zürich erschien, entspricht äußerlich dieser niederländischen Neuausgabe.
Die Holzschnitte von Boerendans, die sich in ihrer Arbeit überwiegend mit Tieren auseinandersetzt, fangen komprimiert das Wesen einer jeden Art ein. Sie sind in ihrer Farbigkeit intensiv und zugleich zurückhaltend. Die Tiere werden als Ganzfigur (z.B. Strauß, Igel, Elefant) oder Brustbild (z.B. Lama, Ochse, Zebra) dargestellt. Neben den Tierfiguren sind auf den Bildern teils grafische Muster, teils einzelne Gegenstände zu sehen, so etwa Fliegenpilze beim Dachs oder eine Banane in der Hand des Affen. Wenige Tiere sind paarweise abgebildet: Die Tapirmutter mit ihrem Kind, Jaguar und Panther als verwandte Raubkatzen, zwei Giraffen, die sich aneinanderschmiegen. Nur ganz selten sprengen die Tierfiguren den rechteckigen Rahmen. So ragen bei dem rasch flüchtenden Hasen Ohrspitzen und Schwanzende aus dem Bildraum heraus, die Zunge des Chamäleons scheint den auf der gegenüberliegenden Buchseite abgedruckten Kleinbuchstaben fangen zu wollen. Insgesamt ist das Buch sehr übersichtlich und reduziert gestaltet, wodurch sich Kinder darin leicht zurechtfinden können.
Die Buchstaben selbst sind "mit antiken Holzlettern gedruckt, wie sie um 1900 im Buchdruck verwendet wurden" (https://boerendans.com/de/portfolio-item/aap-beer-zebra-duits/). Im Gegensatz zu Aap Beer Cheeta entschied sich Boerendans in Affe Bär Zebra dazu, auch die Kleinbuchstaben aufzunehmen, da diese in der Schule gelehrt werden. Etwas schade ist unter diesem Aspekt, dass die Buchstaben nicht in einer Schriftart gesetzt wurden, die tatsächlich in den Grundschulen vermittelt wird. Allerdings handelt es sich um sehr schöne Buchstaben und die meisten Kinder werden flexibel genug sein, damit zurechtzukommen.
Die Texte von Bette Westera sind nicht nur Beiwerk zu den bereits vorab vorhandenen Drucken. Westera ist in den Niederlanden eine bekannte Kinderbuchautorin. Sie veröffentlichte über 30 Kinder- und Bilderbücher und komponiert daneben auch Kinderlieder. Ihre Gedichte sind sprachlich durchaus anspruchsvoll und bringen einem Kind die Tierwelt in emotionaler Weise nahe. Neben den teils erstaunlichen Besonderheiten der Tiere und ihren Beziehungen zu Artgenossen geht es verschiedentlich auch um das belastete Verhältnis des Menschen zum Tier: Das Lama bietet sich als Lasttier an, das Nashorn prangert seine beinahe vollendete Ausrottung an, der alte Ochse brüllt angesichts der Plackerei, die ihm zugemutet wird, und der Vogel Quetzal freut sich darüber, dass man ihm als heiligem Tier nichts zuleide tut.
Hoch einzuschätzen ist auch die Übersetzungsleistung von Rolf Erdorf, der die Gedichte aus dem Niederländischen übertragen hat. Sicher war es – neben der allgemeinen Schwierigkeit, Lyrik zu übersetzen – nicht ganz einfach, die Alphabetstruktur aufrechtzuerhalten, da die Tiernamen in der Originalsprache ja nicht alle mit demselben Anlaut beginnen. In der deutschen Ausgabe finden sich aus diesem Grund auch einige neue Tierbilder und somit auch andere Tiergedichte als in der Originalausgabe. Mit der Alphabetstruktur erklärt sich ebenfalls die Entscheidung, Ameisenbär und Schwertfisch unter ihren lateinischen Namen (Vermilingua und Xiphias Gladius) aufzuführen.
Fazit
Affe Bär Zebra ist ab ca. vier Jahren für jede Altersstufe zu empfehlen. Jüngere Kinder können nach und nach mit den einzelnen Tiergedichten konfrontiert werden und haben Freude an den einfühlsamen Tierbildern. Etwas ältere Kinder erhalten den Anreiz, sich mit Schrift auseinanderzusetzen und erlesen sich spannende Informationen über Tiere. In der Grundschule kann das Buch auch im Sachunterricht gut eingesetzt werden. Selbst in der weiterführenden Schule ist eine Auseinandersetzung mit Affe Bär Zebra innerhalb von Deutsch- und Kunstunterricht sehr gut denkbar: So könnten hier nach Rezeption einiger Beispiele aus dem Buch eigene Tierbilder gedruckt und passende Tiergedichte verfasst werden. Insgesamt bietet das Bilderbuch für Kinder wie Erwachsene visuelle und sprachliche Anregungen und kann immer wieder hervorgeholt werden.
- Name: Westera, Bette
- Name: Erdorf, Rolf
- Name: Boerendans, Henriette