Inhalt

Nach Ausflug zum Mond nimmt uns John Hares zweites fast textloses Bilderbuch Tief im Ozean mit in eine lebendig bunt-bewegte Unterwasserwelt. Zusammen mit einer Schulklasse auf Tauchgang erkunden wir den Meeresboden. Aber nicht alle folgen dem Lehrer, der in seiner Unterwasser-Führung Sehenswürdigkeit um Sehenswürdigkeit erklärt: Einem Kind ist das Fotografieren wichtiger. Ständig auf der Suche nach neuen Motiven klettert es in ein Schiffswrack, denn dort wird es aus einer Schatzkiste von drei Augenpaaren angestarrt! Diese gehören Wasserasseln, groß wie Meerschweinchen. Das Kind zeigt ihnen sein Porträtfoto – und dabei stürzen sie alle in einen Tiefseegraben. Glücklicherweise überleben Kind und Kamera den Sturz unverletzt. Als es aber nach oben blickt, sieht es seine Schulklasse im U-Boot verschwinden: Wie bei Ausflug zum Mond wird ein Schulkind auf der Exkursion vergessen, schließt aber Freundschaft mit den sonst verborgenen Wesen und weiß sich kreativ die Zeit zu vertreiben, bis es abgeholt wird. Die Geschichte endet mit einer Pinnwand der beschrifteten Porträts der Unterwasserreise, damit beginnt sie wieder von vorn, weil wir nun zurückblättern können, um herauszufinden, wo die Fotos gemacht wurden.

Kritik

Wie die Mond-Exkursion startet auch der Schulausflug Tief im Ozean bereits auf dem Cover. Diesmal leuchtet die Umgebung aber in fröhlichen Farben: zu Beginn wolkenloses Sommerhimmelblau, ein quietschgelbes U-Boot, spätsommerbeerenfarbene Korallen und zartblaue Seesterne im helltürkisenen Wasser. Später wird das Meer dunkler blau, die neonfarbenen Unterwasserkreaturen leuchten so wie in Schwarzlicht.

Die unterschiedlichen Tiere und Pflanzen, die Unterwasservulkane und Muschelbänke, das Schiffswrack mit Schatztruhe, eine Ruine wie aus Bauklötzen, die Kringel der Schiffsschraubenbewegung und die Blubberblasen der Schulklasse – sie alle bringen mit ihren unterschiedlichen Oberflächen und zeichnerischen Gesten viel Bewegung in die wie gewohnt mit Acrylfarben gemalte Geschichte. Der Mix an Abenteuergeschichten-Motiven wirkt manchmal klischeehaft, aber auch wie kindlich-kreatives Spiel – und als solches ist er hervorragend.

Die weiße Rahmung einzelner Illustrationen auf den Buchseiten wirkt dagegen zunächst eher störend, wie bei einem Kippbild tritt sie manchmal sogar in den Vordergrund. Das macht allerdings eine neue Ebene auf, es lässt die Buchseiten wie durch das Display einer Kamera betrachten, oder wie Fotografien an einer weißen Wand – und ist so sehr sinnvoll bei der Geschichte über ein fotografierendes Kind.

Genau wie bei Ausflug zum Mond sind Haut- und Haarfarbe nur auf dem Cover und der letzten Seite zu erkennen. Es ist schön, dass dabei Vielfalt abgebildet wird und nun Lehrer und Hauptfigur Schwarz sind, ohne dass dies als anders thematisiert wird. Die meiste Zeit erkundet die Schulklasse den Meeresboden sowieso in raumanzug-ähnlichen Taucheranzügen – mit ihren schwarz-weiß gestreiften Gliedern und den goldbraun gegitterten Kopföffnungen sehen sie dabei ein wenig aus wie Wasserkäfer. Schon vor den Figuren im Buch kann man hinter der von der Exkursion erleuchteten Welt großartig versteckt ein beobachtendes Wesen entdecken: ein riesenfischähnlicher Saurier, in Rot- und Gelbtönen gemustert, ähnlich dem Goldfisch in Paul Klees gleichnamigem Gemälde.

Abb. 1: Die Tiefsee-Gruppe unter einem fluoreszierenden Quallenschwarm – und wer schwimmt dahinter? (Quelle: Hares Portfolio, 2021, Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)Abb. 1: Die Tiefsee-Gruppe unter einem fluoreszierenden Quallenschwarm – und wer schwimmt dahinter? (Quelle: Hares Portfolio, 2021, Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)

Aufgrund seiner Größe und spitzen Zähne könnte der Fischsaurier gruselig sein, wirkt mit seinem lieben Lächeln und den fröhlichen Farben aber eher wie ein Plüschtier.

Abb. 2: Der Fischsaurier ist auch neugierig auf die Fotos. (Quelle: Hares Portfolio, Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)Abb. 2: Der Fischsaurier ist auch neugierig auf die Fotos. (Quelle: Hares Portfolio, Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)

Sowieso ist nichts Tief im Ozean zu gefährlich, das Buch kann auch als Gute-Nacht-Geschichte gelesen werden. Die Wasserasseln kuscheln mit dem Taucherkind und schauen sich Fotos an, etwa so, wie sich kleinere Kinder gemeinsam mit größeren Hares Bilderbuch ansehen.

Statt der süßen Asseln hatte Hare zunächst gefährliche Shrimps geplant, wie folgende Skizze zeigt. Das wäre aber eine ganz andere Geschichte geworden, vielleicht kommt sie noch.

Abb. 3: Skizze der bedrohlichen Riesenshrimps, die in der Endversion durch liebliche Wasserasseln ersetzt wurden. (Hares Blogeintrag 14.09.2020, Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)Abb. 3: Skizze der bedrohlichen Riesenshrimps, die in der Endversion durch liebliche Wasserasseln ersetzt wurden. (Hares Blogeintrag 14.09.2020, Veröffentlichung mit Erlaubnis des Autors)

Fazit

Mit Hares humorvoll liebenswerter Figurengestaltung, den leuchtenden Farben und der Detailvielfalt kann Tief im Ozean kleine und große Menschen ab vier Jahren begeistern. Gemeinsam können Unterwasser-, Schatzsuch-, Schulausflug-, Abenteuer-, Freundschafts- und Ungeheuergeschichten entdeckt werden. Die dünnen Seiten erfordern ein gemeinsames Vor- und Zurückblättern bei jüngeren Kindern, die faszinierende Unterwasserwelt und die futuristische Exkursionsgruppe machen auch noch älteren Grundschulkindern Spaß.

Abbildungsverzeichnis (nach Reihenfolge im Text)

Links zu Ausflug zum Mond auf kinderundjugendmedien.de:

Titel: Tief im Ozean
Autor/-in:
  • Name: Hare, John
Erscheinungsort: Frankfurt am Main
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Moritz Verlag
ISBN-13: 9783895654053
Seitenzahl: 48
Preis: 14,00
Altersempfehlung Redaktion: 4 Jahre
Hare, John: Tief im Ozean