Inhalt

Tippo geht in die dritte Klasse der Grundschule für das Altern der Dinge (kurz GSAD). Seine Spezialität ist das Buchstabenverdrehen und das Einbauen von Grammatikfehlern. Sein bester Freund Fleck dagegen liebt Kakao und kleckert immer alles voll, weshalb er der Liebling aller Lehrer an der GSAD ist, denn hier wird man perfekt auf die Berufswelt vorbereitet und lernt alles, um die Welt in schöne Unordnung zu bringen.

Bei einem Klassenausflug in eine Konditorei verlässt Tippo heimlich den Klassenverbund. Seine Lehrerin hat ihn nämlich unbeabsichtigt auf die Idee gebracht, wie man die Menschenwelt endlich aus der Nähe kennenlernen kann. Also klettert er in einem unbeobachteten Moment in den Karton einer Torte und landet so bei Gretchens Geburtstagsfeier.

Doch mit Entsetzen muss er feststellen, dass die Menschen es viel lieber sauber und ordentlich mögen und nichts mehr hassen als "alte, verschmierte, durcheinander geworfene und verfallende Dinge" (o.S.).

Tippos Weltsicht bricht zusammen. Er dachte, er bringe Gutes zu den Menschen, doch jetzt erkennt er, dass er den Menschen das Leben zur Hölle macht. Er beschließt, dass es so nicht weitergehen kann.

Zurück in der Schule haben die Lehrer keinerlei Verständnis für solche Flausen. Zur Strafe wird Tippo auf die Schimmelfleckfarm geschickt. Hier soll er beim Hüten von Motten und Raupen über sein Fehlverhalten nachdenken. Auch mit seinem Freund Fleck hat er sich zerstritten, schließlich hat der ihn nicht gedeckt, als er sich unerlaubt vom Schulausflug entfernt hat.

Auf der Farm reift Tippos Plan, den Großen Zahn der Zeit aufzusuchen. Denn nur er "weiß ganz genau, was er tut und wozu das Altern notwendig ist".

Zusammen mit dem undurchsichtigen Mistkäfer Moritz macht Tippo sich auf den Weg durch die Wüste, vorbei am Wächter des Großen Zahn der Zeit, um festzustellen, dass der Zahn der Zeit nicht mehr als ein Hebel ist, mit dem man den Alterungsprozess stoppen kann.
Doch als Tippo den Hebel umlegt und ihn abbricht, steht die Welt still. "Auch das Licht, das aus Wellen besteht, ist angehalten. Der Zahn der Zeit hat aufgehört zu arbeiten. Nichts altert. Nichts bewegt sich. Nichts ist mehr da." Nur mit Hilfe seines Freundes Fleck kann er den Zahn der Zeit wieder anschalten und erkennt, wie nützlich und wichtig das Altern der Dinge ist.

Kritik

Bereits beim Öffnen des großformatigen Buches ahnt man, dass man hier einen ganz besonderer Titel in Händen hält. Um das Buch ist eine abnehmbare, hellblaue Banderole gebunden auf der − neben dem Titel und dem Klappentext − auch folgender Hinweis zu lesen ist: "Mit dem Durchtrennen der Binde startest Du feierlich das Altern dieses Buches!"

Schlägt der Leser bzw. die Leserin nun das Buch auf, finden sich auf dem Vorsatz vier großformatige Fotos, die ein zersplittertes Mobiltelefon, eine Wüstenlandschaft, ein im Zerfall befindliches Skelett und einen entgleisten Zug zeigen und mit dem Thema des Buchs spielen. Dem Schmutztitel vorangestellt ist der lateinische Ausspruch "VIVAT ENTROPIA! Es lebe die Entropie (das unendliche Durcheinander)".

In 15 Kapiteln wird nun die Geschichte von Tippo und Fleck erzählt, wobei die ersten acht Kapitel zunächst in die Welt der Entropie-Wichte einführen und das eigentliche Abenteuer erst nach gut 50 Seiten startet, so dass der Leser bzw. die Leserin sich zunächst fragt, wo das Buch überhaupt hinführt. Aber die detailverliebte Einführung in die Welt der Entropie-Wichte muss genauso, in aller Ausführlichkeit, dargestellt werden, um die dramatische Fallhöhe zu erreichen, wenn Tippo die Menschenwelt betritt.

Das hochformatige Buch besticht besonders durch seinen Fantasiereichtum in Wort und Bild. Nicht nur die Übersetzerin Lena Dorn hat einen fantastischen Job gemacht beim Erfinden von Namen wie "Zweitaktdampfschokofleckator", dem "Eselsohrer" dem riesigen "Kettenstreuwagen für Verunreinigungen sog. 'Krümel'" oder den "Wecker ohne Zeiger zur Verlängerung der schönen Momente des Lebens".

Auch der Illustrator Daniel Špaček und der Grafiker Petr Štěpán machen dieses Buch zu einem Gesamtkunstwerk.

Die serifenlose Fettschrift springt wie die Entropiewichte über die Seite, meist sind die im Flattersatz gesetzten einzelnen Absätze wie Treppenstufen eingerückt oder versetzt, mal nach rechts mal nach links geschoben, so dass auch auf der (typo)grafischen Ebene die geordnete Unordnung Oberhand gewinnt.

Die zart hellblauen Kapitelüberschriften ziehen sich oft über die gesamte Doppelseite und "verstecken" sich gleichzeitig trotz ihrer Überdimensionierung hinter dem Fließtext.
Die comic-ähnlichen in Grau-Blau- und Erdtönen gehaltenen Illustrationen lassen sich in zwei Gruppen unterscheiden. Die durchgehend farbigen, großformatigen Wimmelbilder erstrecken sich oft über die ganze Doppelseite und laden die Betrachter ein, das soeben Gelesene in den Zeichnungen wiederzuentdecken. Die kontrastreichen kleinen, vorwiegend schematischen oder technischen Zeichnungen im Fließtext sind dagegen meist nur schwarz-weiß-blau und imitieren lexikonartige Einträge, die die Besonderheiten der Welt der Entropie-Wichte in Wort (vom Ton her wissenschaftlich) und Bild (schematisch, technisch) darstellen. Das geht über die erzählte Geschichte hinaus und lädt zum Verweilen ein. Der Einfallsreichtum erinnert dabei an Prof. Nachtigallers "Lexikon der erklärungsbedürftigen Dinge" aus Walter Moers Zamonien-Welt.

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"Hundsgemeiner Staubbüschel (Mummelis Vulgaris) Eine im Anbau relativ unkomplizierte Zierpflanze, die weltweit verbreitet ist. Besondere Eigenschaft ist, dass sie nicht gegossen werden möchte und Wasser ihr ausdrücklich schadet. Am besten gedeiht sie in trockenen, nie geputzten Ecken. Sie findet insbesondere Verwendung bei der Kultivierung von Allergien und eignet sich hervorragend zur ästhetischen Aufwertung jedweder neuen und glänzenden Oberfläche." (o.S.)

Fazit  

Tippo und Fleck ist ein großartiges Buch, das Kinder und Erwachsene vor allem gemeinsam entdecken sollten, Kinder ab dem Grundschulalter werden viel Spaß an der verkehrten Welt haben, in der Unordnung das größte Ziel ist. Dennoch verlangt die Geschichte Kindern auch viel ab. Durch den recht wissenschaftlichen Duktus bedarf es vor allem am Anfang sicherlich mancher Erklärung von den Erwachsenen. Schließlich sind Begriffe wie Entropie auch für sie keine Alltagswörter. Erst wenn die Geschichte Fahrt aufnimmt, bekommt das Buch eine selbstverständliche Leichtigkeit. Die wunderbar verrückten Zeichnungen, der Einfallsreichtum und die spannende Abenteuergeschichte machen das Buch auf jeden Fall zu einem ganz besonderen Lesevergnügen für Kinder ab sechs zum Vorlesen und ab zehn zum Selbstlesen.

Titel: Tippo und Fleck
Autor/-in:
  • Name: Klárová, Barbora
  • Name: Končinský, Tomás
Originalsprache: Tschechisch
Originaltitel: Překlep a Škraloup
Übersetzung:
  • Name: Dorn, Lena
Illustrator/-in:
  • Name: Špaček, Tomas
Erscheinungsort: Düsseldorf
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Karl Rauch
ISBN-13: 9783792003701
Seitenzahl: 128
Preis: 18
Altersempfehlung Redaktion: 6 Jahre
Klárová, Barbora; Končinský, Tomás (Text)/Špaček, Tomas (Bild)/Štěpán, Petr (Grafik-Design/Gestaltung): Tippo und Fleck