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Alaska ist Ende des 19. Jahrhunderts ein nahezu unentdecktes Land. Neben dem indigenen Stamm der Athabasken im Inland haben sich an den Küsten die beiden Völker Iñupiat und Yuit angesiedelt, die sich heute noch selbst als „Eskimos“ bezeichnen. Sie haben über Jahrhunderte gelernt sich den widrigen Bedingungen des wilden, kalten und unwirtlichen Landes anzupassen. Doch als 1896 die ersten Goldnuggets gefunden werden, ziehen in Scharen Goldsucher und Glücksritter nach Alaska. Städte, Straßen, sogar ein Telegraphennetz entstehen. Doch was sich weiterhin als unverzichtbar herausstellt, sind die Hundeschlitten: Ob als Krankentransport, Lastkarren, Taxi oder Postkutsche − überall kommen die Musher (die Fahrer) und ihre Hundeschlitten zum Einsatz.

Der Goldrausch hält allerdings nur wenige Jahre an. Nach zehn Jahren ist der Spuk vorbei, sodass in Nome um 1920 statt 20 000 nur noch knapp über 1 000 Menschen leben. Hier werden im Winter 1925 immer mehr Kinder krank, eins ist bereits gestorben.

Dr. Welch, der einzige Arzt im Umkreis, diagnostiziert schnell, woran die Kinder leiden: Diphtherie. Und er erkennt die große Gefahr. Denn Diphtherie ist hochansteckend und verbreitet sich schnell. Der Arzt hat jedoch nur noch einen kleinen Vorrat an Heilmitteln, um die Erkrankten zu behandeln. Schnelligkeit ist gefragt, denn Nome ist von der Außenwelt ausgeschnitten − weder Schiff noch Flugzeug werden bei diesen eisigen Temperaturen starten können. Sofort werden die Bewohner in Quarantäne geschickt und während das öffentliche Leben in Nome zum Erliegen kommt, wird im weit entfernten Anchorage-Hospital das Antikörperserum verpackt und mit dem Zug bis zum Bahnhof nach Nenana gebracht. Die restlichen 674 Meilen können nur mit Hundeschlitten zurückgelegt werden.

Bei minus 50 Grad macht sich nun eine Stafette von Mushern mit ihren Hunden auf den Weg, das Serum schnellstmöglich nach Nome zu bringen.

Am 28. Januar 1925 erhält Leonhard Seppala, der Staffelfahrer der letzten, aber auch gefährlichsten Etappe, Bescheid, dass er sich auf den Weg machen kann, um seinem Kollegen entgegenzufahren. Zusammen mit seinem Leithund Togo und den anderen Schlittenhunden macht er sich sofort auf den Weg. Drei Tage später trifft er mitten im Eis auf den Musher Henry Ivanoff, der ihm das Serum übergibt und berichtet, dass es eine Planänderung gäbe und sich noch weitere Fahrer beteiligen würde, da sich die Epidemie zu schnell ausbreite.

Die letzte Etappe übernimmt nun Gunnar Kaasen mit seinem Leithund Balto. Trotz widriger Wetterbedingungen (hohe Schneewehen, Whiteout, starker Wind, Overflow und damit einhergehender Nebel) überreicht Kaasen am 2. Februar das heilbringende Serum. Die Musher haben innerhalb von fünfeinhalb Tagen über 670 Meilen zurückgelegt. Der Epidemie kann Einhalt geboten werden.

Als am 7. Februar die zweite größere Ladung Antitoxin im Hafen von Seward eintrifft, entscheidet der Gouverneur, eine Hälfte mit dem Flugzeug, die andere erneut mit den Hundeschlitten auf den Weg nach Nome zu schicken. Doch das Flugzeug ist witterungs­bedingt nicht in der Lage zu starten, so dass erneut die Musher mit ihren Hunden das Serum schnell und zuverlässig ans Ziel bringen.

Dieses Mal reicht die Menge an Antitoxin, um alle zu behandeln. Am 21. Februar wird die Quarantäne aufgehoben. Viele Leben konnten gerettet werden, wie viele verstorben sind, lässt sich nicht sagen, aber ohne die Musher und ihre Hundeschlitten hätte die Epidemie viel mehr Opfer gefordert. Der Wettlauf durch Schnee und Eis und der Triumph der Hunde über das Flugzeug machen aber im ganzen Land Schlagzeilen.

Noch heute findet sich im New York Central Park eine Bronze­statue von Balto, dem stellvertretend für alle Schlittenhunde im wahrsten Sinne des Wortes ein Denkmal gesetzt wurde: Ausdauer, Treue, Intelligenz lauten die letzten drei Worte auf der Inschrift unter der Statue.

Kritik

Nach Das wahre Leben der Bauernhoftiere, das für den Jugendliteraturpreis 2021 nominiert ist, legt Lena Zeise mit Balto & Togo bereits ihr zweites Kindersachbuch vor. In dem großen querformatigen Buch finden sich neben einem informativen Sachtext, der die Geschichte des Wettlaufs nacherzählt, über 60 Illustrationen unterschiedlicher Größe. Mal sind es kleine (5 x 6 cm) Graphitzeichnungen, mal Tableaus mittelgroßer farbiger Bilder bis hin zu großen fotorealistischen farbigen Doppelseiten.

Auf den Umschlaginnenseiten bietet zunächst eine Landkarte Orientierung, die die gesamte Strecke von Seward nach Nome abbildet, so dass der Leser bzw. die Leserin sich nie im Schnee verirrt, wenn die Musher ihren Staffelstab an den Nächsten übergeben. Der Text präsentiert sich als sachlich genaue Nacherzählung der damaligen Ereignisse:

Unalakleet, 31. Januar 1925. Nachdem das Antitoxin in Nulato eingetroffen war, hatten drei weitere Muster das Paket bis an die Westküste Alaskas zum Norton Sound gebracht: Tommy Patsy, Jack Nicolai und Victor Anagick. Der Norton Sound, ein Arm des Beringmeer, bildete im Winter eine instabile Eisfläche. Das Eis dort war ständig in Bewegung und konnte die unterschiedlichsten Formen annehmen. (S. 21)

Zeise hat viel recherchiert und sich mit den Originalquellen auseinandergesetzt (so zeigt ein Bild das Notruf-Telegramm inklusive der originären Tippfehler). Durch ihren klugen Einsatz der Fußnoten, die nicht − wie sonst üblich − am unteren Seitenrand versteckt werden, sondern sich in einer großbuchstabigen Handschrifttype der Seitenkomposition anpassen, werden sachkundig Fach- und Fremdwörter wie Mukluk, Whiteout oder Antitoxin auf einen Blick erläutert, ohne dass sie den Lesefluss stören. Den tagebuchähnlichen Einträgen, die die Ergebnisse des Wettlaufs protokollieren, ist ein Prolog vorangestellt, der kurz und prägnant die Entstehung der Stadt Nome vor 1925 skizziert. Im Abspann setzt sie den Musher, deren Namen heute kaum bekannt sind, ein Denkmal und erläutert umfassend, wieso die Verwendung des Begriffs Eskimo bei den in Alaska lebenden Volksstämmen der Iñupiat und Yuit (Yupik), die sich eben nicht als Inuit verstehen, nicht abwertend gemeint ist. Das Buch wird mit einem ausführlichen Quellenverzeichnis abgerundet und lädt somit zu einer weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema ein.

Das wirkliche Highlight des Buchs sind allerdings die Bilder. Da wo der Text oft nüchtern und emotionslos daherkommt, packen einen die Illustrationen und sprechen für sich: die dynamischen Szenen des Wettlaufs gegen die Zeit oder die atmosphärischen Schneelandschaften, die gleichzeitig Schönheit und Gefahr von Eis und Schnee zum Ausdruck bringen. Man kann sich gar nicht sattsehen an den schönen gedämpften Farben und den ausdrucksstarken Gesichtern der Schlittenhunde. Zeise fängt die bedrückende Atmosphäre und die Emotionen, die Angst, die Sorge des Arztes, die Erschöpfung der Hunde wie Muster in ihren Bildern kongenial ein.

Bei mehr als der Hälfte der Bilder lassen sich Hunde entdecken, meistens präsent im Vordergrund, schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man immer mehr Vierbeiner, die sich im Hintergrund tummeln (oder sogar als kleine Bleistiftzeichnung an der Wand).

Dennoch, so großartig die Bilder und so klug die Erklärungen − das einzige Manko des Buches ist der Titel Balto & Togo. Denn dabei erwartet der Leser bzw. die Leserin vielmehr eine Hundeabenteuergeschichte, bei der die Tiere die Hauptrollen spielen und als eigenständige Charaktere klar voneinander getrennt werden können. Tatsächlich bleiben sie textlich auf der Strecke und auch wenn viele Bilder Hunde zeigen, so weiß man doch nie, wer Balto, wer Togo ist und letztlich ist es auch egal. Denn was vielmehr in Erinnerung bleibt, sind die einzelnen Menschen, Dr. Welch, die Musher Kaasen und Seppala − ihnen setzt Zeise hier ein wahres Denkmal. Das schmälert nicht die herausragende Arbeit der Autor-Illustratorin. Vielleicht aber hätte ein sachlicher Buchtitel die Erwartungshaltung des Lesers bzw. der Leserin in eine andere Richtung gelenkt, denn das Buch ist vor allem ein großartig illustriertes, genau recherchiertes (Kinder-)Sachbuch.

Fazit

Balto & Togo besticht vor allem durch seine ausdrucksstarken Bilder. Allein die Gesichter der Hunde und die Darstellung der für den Norden typischen Wetterphänomene (wie das Nordlicht und das Whiteout) fängt Zeise mit ihren Bildern so herausragend ein, dass man sich diese gerne gerahmt an die Wand hängen möchte. Allerdings entpuppt sich die (Hunde-)Abenteuergeschichte vielmehr als historisches Sachbuch. Die Texte sind informativ, aber auch fordernd.

Die empfohlene Altersangabe des Verlags liegt bei acht Jahren. Das mag für ein selbständiges Lesen ein zu früher Einstieg sein, denn die vielen schwierigen Fremdwörter, die fremdklingenden Namen von Orten und Menschen und der nüchterne Protokollstil erfordern einen hohen Grad an sinnerfassendem Lesen. Gemeinsam mit einem Erwachsenen gelingt der Einstieg jedoch schnell und das bildgewaltige Werk wird zu einem echten Familienbuch. Das liegt nicht zuletzt an den mitreißenden Bildern, denn auch jüngere Kinder werden beim Betrachten ihre Freude haben und können, auch ohne den Text zu lesen, die spannende Geschichte verstehen.

Insgesamt ein wunderbares historisches Sachbuch mit herausragenden Bildern.

Titel: Balto & Togo. Dramatische Rettung in Eis und Schnee
Autor/-in:
  • Name: Zeise, Lena
Illustrator/-in:
  • Name: Zeise, Lena
Erscheinungsort: Hildesheim
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Gerstenberg Verlag
ISBN-13: 978-3-8369-6070-0
Seitenzahl: 40,00
Preis: 22,00
Altersempfehlung Redaktion: 8 Jahre
Zeise: Balto & Togo - Cover