Inhalt
Emma weiß genau, was sie am morgigen Heiligabend erwartet: das letzte Adventskalendertürchen, schöne Lieder, ein festlich geschmückter Tannenbaum – und ein leckeres Essen. Nur kriselt es manchmal zwischen Mama und Papa, weil die Traditionen immer wieder diskutiert werden müssen und der Papa zu oft am Handy hängt. Und dann passt die zu große Weihnachtsgans nicht in den Bräter – und in den Kühlschrank erst recht nicht. Drum stellt Mama den zu kleinen Bräter mitsamt Gans vor die Tür und schimpft, weil jemand am Heiligen Morgen noch schnell einen neuen Bräter kaufen muss.
Doch am nächsten Morgen ist die Gans weg, wie vom Erdboden verschluckt. Also machen sich Emma und ihre Eltern auf die Suche – und fragen bei allen Nachbarn nach, ob sie etwas gesehen haben. Je nachdem, wo sie klingeln, öffnen mal zwei Männer unterschiedlicher Herkunft, die miteinander Plätzchen backen, eine muslimische Familie, die zwar kein Weihnachten feiert, aber Emmas Familie gleich zum Essen einlädt, oder eine misstrauische vegetarische Dame.
Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, den Supermarkt in letzter Minute aufzusuchen, gibt es eben Spaghetti und Tomatensoße. Doch plötzlich klingelt es an der Tür und nach und nach kommen alle Nachbarn vorbei, um das Weihnachtsessen mit eigenen Gaben zu bereichern. Und am Schluss spielen, erzählen und singen alle zusammen: ein echtes Fest, wie es im Buche steht.
Kritik
Die jährliche Flut vorweihnachtlicher Neuerscheinungen bietet nur selten Bücher, die auch Traditionen anderer Religionsgemeinschaften thematisieren. Auch wird selten dargestellt, wie Menschen Weihnachten feiern, die nicht die typische "Bilderbuchfamilie" bilden mit Mama, Papa und Kind(ern). Dieses Buch ist daher besonders willkommen. In warmen Erdtönen und mit liebevollen Details erzählt dieses Buch mehrere Geschichten und gibt Vorlesenden viele verschiedene Gesprächsanlässe. Die Abbildungen von Andrea Stegmaier sind weich gezeichnet, aber nicht kitschig, und erlauben ein Eintauchen in die Wohnwelt(en) auf den unterschiedlichen Etagen. Es werden unaufgeregt und beiläufig verschiedene Familien- und Lebensformen sowie Religionen nebeneinander gestellt, und es wird implizit darauf hingewiesen, dass der eigentliche Wert von Weihnachten (und anderen Festen) nicht im üppigen Essen oder in den Geschenken liegt, sondern in Großzügigkeit und einem harmonischen Miteinander.
Das Buch steckt voller wunderbar-witziger Details. So ist das Brettspiel, das am Ende alle zusammenspielen, ausgerechnet das uralte "Gänsespiel". Ein anderes Beispiel für die liebevolle Gestaltung ist das Vorsatzblatt, das ein Patchwork-Muster zeigt – es zitiert den Quilt, unter dem Emma schläft, und der später als Krabbeldecke für ein Nachbarkind vorgeholt wird. Die visuelle Metapher des Patchwork ist hier durchaus passend. Und wo die eigentliche Weihnachtsgans geblieben ist, ist auch noch nachzuvollziehen, aber nur für sehr detailverliebte Leserinnen und Leser…
Fazit
Ein gelungenes und hoch willkommenes Bilderbuch, das Weihnachten zum Anlass nimmt, ein deutliches Plädoyer für ein stärkeres Miteinander in einer diversen Gesellschaft zu formulieren. Empfohlen für Kinder ab vier Jahren – und für Erwachsene, die auch nochmal überlegen wollen, was Weihnachten wirklich bedeutet.
- Name: Johanna Lindemann
- Name: Andrea Stegmaier