Inhalt
Eine Sternenbrücke verbindet das Reich der Engel mit der Menschenwelt. Wer stirbt, wird von den Engeln über die Brücke in das Jenseits begleitet. Doch „[a]uf die Brücke können nur die [Helferengel], deren Licht mehr wiegt als das schwerste Menschenherz“, bescheidet der Drache Tianlong, der seit Ewigkeiten die Sternenbrücke bewacht, dem erst 3023 Jahre jungen Engel Barnabel. Dieser möchte trotz seines für Engelverhältnisse jungen Alters endlich seinen Helferdienst antreten. Um herauszufinden, wie er die nötige Schwere erlangen kann, sucht Barnabel nicht nur Rat bei Tianlong, sondern auch beim Engel Bairim, der die Brücke häufiger überquert hat als alle anderen Engel – und erfährt, dass auch Bairim einst ein Menschenkind gewesen ist, das um die schweren Dinge wusste.
Kritik
Die Brücke hinter den Sternen ist ein anrührendes Bilderbuch, das auf feinfühlige, subtile Weise vom Tod – nichts Anderes symbolisiert die Sternenbrücke – und vom Übergang in eine andere Existenz erzählt. Die Konstellation, von der Funke erzählt, ist unmittelbar nachvollziehbar, greift sie doch auf vertraute, vor allem christliche Vorstellungen vom Weiterleben im Jenseits, vom Tod als anderer Daseinsform zurück, in die wir Menschen von helfenden Engeln begleitet werden. Zugleich verweisen Figuren wie der (fernöstlich weise) Drache Tianlong und der (wie ein buddhistischer Mönch in sich ruhende) Engel Bairim durch ihre Namen, aber auch die Art und Weise, wie Funke sie sprachlich und bildlich darstellt, auf nahöstliche und südostasiatische Symbolik.
Die saturierten und doch gedeckten Farben von Funkes Bildern unterstützen ihre zurückhaltende Erzählweise: Die erkennbaren, stilisiert dargestellten Figuren halten sich zumeist vor gedeckt blauen Hintergründen auf; erst als Barnabel sein erstes Menschenkind begleitet, fliegt er mit ihm auf einen orangen strahlenden Planetenhorizont zu.
Die erzählerische Reflexion und Verarbeitung des Todes- und Sterbensmotivs findet sich in vielen Werken Funkes: In Tintentod verarbeitet sie – etwa in der Figur des Staubfinger und in der erzählerischen Aneignung des Mythos von Orpheus und Eurydice – den frühen Tod ihres Manns Rolf. Auch die Reckless-Reihe reflektiert über zahlreiche Figuren die Vergänglichkeit des Lebens – etwa in der Figur des Schneiders, der vom gewaltsamen Tod seiner Familie in den Wahnsinn getrieben wurde, aber auch in dem Bemühen der Hauptfigur Jacob, den drohenden Tod seines Bruders Will im ersten Band zu verhindern. Die Brücke hinter den Sternen lässt sich als Fortführung des Mottos von Tintentod lesen: „Vielleicht ist alles nur durch die Sehnsucht verbunden“. Schließlich wird in dem Bilderbuch davon erzählt, dass nur solche Engel den Übergang in eine andere Welt begleiten können, die von der existenziellen Schwere des Lebens wissen, von seinen Härten, Grausamkeiten, Ungerechtigkeiten, von der Schwere des Sehnens, Vermissens und Leidens.
Fazit
Die Brücke hinter den Sternen ist wahrlich keine leichte Kost. Im Hospiz ist der Band sicherlich tröstliche Lektüre; hier wie in anderen (Vor-)Lesesituationen sollte man aber viel Zeit für begleitende und nachbereitende Gespräche einplanen. So oder so hallt diese Geschichte wohl in allen, die sie lesen, lange nach.
Literatur
Steckelmann, Petra (Hrsg.): Lieblingsgeschichten für kleine Helden. Hamburg: ellermann – Der Vorleseverlag, 2015.
Eine frühere Version dieser Rezension erschien in der Rezensionsdatenbank der Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und -medien (AJuM): https://www.ajum.de/rezension/die-bruecke-hinter-den-sternen-3
- Name: Cornelia Funke