Inhalt
Die Ich-Erzählerin weiß, dass ihr Hund „sehr alt und sehr müde“ (Acosta/Galí 2024, o. S.) ist. Doch dieses Wissen ist (und kann) keine Vorbereitung auf das (sein), was passiert, als Balou stirbt. Die Trauer des Mädchens allegorisiert sich als eine schwere, schwarze Wolke auf seinem Kopf, die es ihm seither unmöglich macht, den Kopf zu heben; als Seife in den Augen, die es ständig zum Weinen bringt; und als Tintenfisch, der sich um sein Herz legt und seine Brust zu erdrücken droht. Alle Erklärungen über das Vermissen, den Verlust und den Herzschmerz, mithilfe derer die erwachsenen Familienmitglieder das Mädchen trösten möchten, versteht es zwar, aber sie lindern die Trauer nicht und lassen damit auch die „komischen Dinge“ (Acosta/Galí 2024, o. S.) – Wolke, Seife und Tintenfisch – nicht verschwinden. In den Erinnerungen an ihr Haustier als allerbesten Kopfkissen-Hund, als allerbesten Waschmaschinen-Hund und als allerbesten Clown-Hund schwelgt das Mädchen zwar, aber erst ein Traum von Balou befreit es von den körperlich empfundenen Schmerzen. In hundetypischer Manier gelingt es dem Hund darin, die Trauerallegorien verschwinden zu lassen: So wedelt er die schwarze Wolke weg, leckt die Seife aus den Augen und verbellt schließlich den Tintenfisch. Als das Mädchen erwacht, stellt es für sich fest, dass sein vierbeiniger Begleiter auch nach dessen Tod in seinen Erinnerungen und Träumen immer bei ihm sein und ihm dabei helfen wird, über den irdischen Verlust hinwegzukommen.
Kritik
Bereits die Widmung der Autorin Alicia Acosta „Für Sua, danke für all die glücklichen Jahre“ auf der Impressumsseite des Bilderbuchs deutet auf autobiografische Züge hin, die die Autorin in einem Interview bestätigt: Auslöser für das Schreiben war der Tod ihrer Hündin Sua, mit deren Verlust sie nur schwer umgehen konnte. Auf einer Reise träumte sie dann von Sua, was ihr beim Abschiednehmen und dem Umgang mit der Trauer geholfen hat. Um Kindern, die sich in einer ähnlich schmerzhaften Situation befinden und in Phasen solch emotionaler Aufgewühltheit noch hilfloser sind, ihre Bewältigungsstrategie der Trauer aufzuzeigen, schrieb die studierte Psychologin ihre eigene Geschichte nieder. (Vgl. Lopéz 2022, o. S.)
Aus der Perspektive des Mädchens wird die Geschichte in reduzierter Sprache erzählt und in einer Mischtechnik aus Buntstift, Feder, Pinsel und digitalen Elementen von Mercè Galí bebildert. Die collageartigen Illustrationen erweitern die Textebene wirkungsreich: So wird mit der bildlichen Darstellung des alten, müden Hundes auf der ersten Doppelseite mit dem stehengelassenen Futter ein weiterer Hinweis auf den bevorstehenden Tod Balous gegeben. Insbesondere durch die überproportionale Visualisierung der Emotionen – eine riesige, mit schwarzem Buntstift gekritzelte Wolke, die das Mädchen zum Teil verdeckt (vgl. Abb. 1); ein ganzes Meer aus Tränen, das das Mädchen weint; und die aufgrund ihrer Länge in das Bild ragenden Tentakeln des Tintenfischs – werden die Trauergefühle eindrücklich nachvollziehbar.
Überproportional groß im Vergleich zu dem Mädchen wird auch Balou dargestellt: In den Erinnerungen des Mädchens füllt der „Kopfkissen-Hund“ das ganze Bett aus, sodass das Mädchen sich auf ihn kuschelt, und als „Waschmaschinen-Hund“, der das Mädchen nach dem Essen sauber schleckt, ist die Zunge von Balou ebenso lang wie das Mädchen groß. Imposant groß ist der Vierbeiner auch beim Verscheuchen der Trauersymptome: So wedelt er mit seinem langen Schwanz die schwarze Wolke einfach weg; so schlabbert er mit seiner langen Zunge die Seife aus den Augen des Mädchens; und so vertreibt er durch Bellen – visualisiert durch zahlreiche fett-gedruckte Wau!-Interjektionen – den Tintenfisch. Am Ende sitzt das Mädchen glücklich und mit neu erwachter Stärke, die durch ein Tiger-Bild an der Wand seines Zimmers ausgedrückt wird, auf der Bettkante. Auf der letzten Doppelseite steht es dann selbstbewusst im Schutz der Vorderpfoten des erneut überdimensional groß dargestellten Balous.
Fazit
Mit Balou und ich liegt ein in Text und Bild reduziertes Bilderbuch zum Thema Tod vor, das ohne jegliche Tod-Metaphern auskommt und ehrlich Emotionen aufzeigt, mit denen Kinder in einer solchen Lebenssituation konfrontiert werden. Trotz der (scheinbaren) Schonungslosigkeit wird einfühlsam mit dem Sterben umgegangen: Tröstliche Erinnerungsmomente werden hervorgehoben und Strategien zur Trauerbewältigung aufgezeigt. Nicht nur das positive Ende trägt dazu bei, sondern auch das friedvolle Sterben des geliebten Vierbeiners, der kurz vor seinem Tod als Zeichen der Aufmunterung die Familie ansieht und mit dem Schwanz wedelt.
Ein Bilderbuch in Pastelltönen, das ebenso unaufgeregt wie die Farben die Geschichte des Todes eines geliebten Haustieres erzählt und dabei die entsprechende Sensibilität an den Tag legt.
Literatur
Lopéz, Inés: Alicia Acosta, 'Peque y yo': "Quería reflejar los miedos y dudas que pasan por la cabeza de los niños y niñas cuando tienen una pérdida". In: 20minutos.es. Erstveröffentlichung: 19.10.2022. URL: https://www.20minutos.es/noticia/5066719/0/alicia-acosta-autora-de-peque-y-yo-reflejar-miedos-dudas-cabeza-ninos-ninas/. Zugriffsdatum: 21.08.2024.
- Name: Alicia Acosta
- Name: Ursula Bachhausen
- Name: Mercè Galí