Inhalt

Ein Bus fährt von einem Ort zum anderen. Es ist noch dunkel. Sitz an Sitz schauen die Fahrgäste miesgelaunt und stur geradeaus. Niemand spricht, stattdessen scheinen alle damit beschäftigt zu sein, die anderen bestmöglich zu ignorieren. Einige Blicke wirken genervt, andere traurig. Glücklich ist hier niemand. Mit dem Zustieg eines neuen Fahrgastes ändert sich jedoch mehr und mehr die Stimmung. Dieser sieht mit seinem großen violetten Hut nicht nur lustig aus, er bringt zudem ordentlich gute Laune mit. Und auch wenn die Stimmungskanone zunächst noch misstrauisch und abfällig beäugt wird, gelingt es dem Zugestiegenen, die anderen Fahrgäste immer mehr mit seiner Fröhlichkeit anzustecken, bis schließlich die gesamte Fahrgemeinschaft lacht und ausgelassen miteinander plappert.

Kritik

Bereits mehrfach ausgezeichnet, z.B. als „Buch des Monats“ der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur, hat Bus sowohl in der Fachpresse als auch beim Publikum große Anerkennung gefunden. Mit einer kraftvollen Bildsprache und einem feinen Gespür für emotionale Nuancen gelingt es Röckl, ein Stimmungsbild urbaner Anonymität aufzuzeigen – und es zugleich durch eine kleine Geste ins Gegenteil zu verkehren.

Die Szene ist vermutlich allen bekannt, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Es ist früh am Morgen, die Menschen sind noch müde, jeder und jede bleibt für sich. Gespräche werden nicht gesucht, sondern aktiv vermieden. Erzählstrukturell wird diese morgendliche Fahrt vor allem mithilfe von doppelseitigen Einzelbildern erzählt, die den Bus in der Innen- und Außenansicht darstellen. Vereinzelt sind aber auch Einzelbildseiten vorzufinden, die in einem Fall mit einem freien Panel kombiniert werden. Etwa, um darzustellen, wie die Hauptfigur an der Haltestelle steht, dem Bus zuwinkt, einsteigt und kritisch gemustert wird. Neben dieser einmalig komplexeren Erzählweise ist das Bilderbuch durch seine monoszenischen Doppelseiten sehr zugänglich gestaltet und besticht durch sein wimmelbuchartiges Nebeneinander der individuellen Gemütszustände und dem sukzessiven Aufbrechen der Vereinzelung.

Roeckl Bus Innen 1Abb. 1: Der neue Fahrgast betritt den Bus (Röckl 2024, o. S.).

In der morgendlichen Routine des gemeinsamen Busfahrens erscheint Röckls gut gelaunte Hauptfigur wie ein Fremdkörper (vgl. Abb. 1), dessen Wirkungsmacht und Strahlkraft jedoch nicht sprachlich, sondern formalästhetisch realisiert wird. So setzen die Illustrationen auf starke Kontraste: Die Passagiere sind als clowneske Figuren meist vollflächig mit expressivem Strich gemalt, jeder und jede für sich genommen ist eine individuelle Persönlichkeit, die jedoch im Kontext des Busses in kollektiver Mürrischkeit versinkt. Sie sitzen im starren Raster der Sitzreihen frontal ausgerichtet. Die Anordnung der Sitze erinnert zwar eher an den Blick in ein Publikum, transportiert das Gefühl von allgemeiner Glücklosigkeit dafür aber umso deutlicher. Der anthropomorphe Bus erscheint wiederum als blau-graues Horrorgefährt mit starrem Blick, das jedoch zum Ende hin ebenfalls nicht nur heller, sondern auch sichtlich fröhlicher ist (vgl. Abb. 2).

Kontraste sind ebenfalls auf Ebene der farblichen Gestaltung deutlich erkennbar: In der violett-blauen Farbpalette sticht das komplementäre Gelb des gut gelaunten Passagiers leuchtstark hervor. Hinzu kommen die organisch geschwungenen Sprechblasen, die sich über das starre Sitzraster legen und die Szenerie beleben. 

Die Veränderungen im Miteinander der Fahrgäste zeigen sich auf subtile Weise. Während diese anfangs trübsinnig in sich versunken sind, zeigt sich ihre Wandlung vor allem in ihrer Mimik. Augenbrauenbögen werden weicher, Mundwinkel heben sich und langsam entstehen fröhlich-angeregte Gespräche. Parallel hierzu wird es auch draußen heller, der Tag bricht an, was natürlich metaphorisch verstanden werden darf. Das komplementäre Gelb des Fahrgastes erhellt nun den gesamten Himmel. Sonnengelb erzeugt dieser mit dem satten Grün der Umgebung einen farbenfrohen Kontrast zur traurigen Dunkelheit der Nacht. Insbesondere Röckls Malweise, die gedeckte, pastellige Vollflächen mit zarten Texturen und pastos-aufgetragenen Komplementärfarben kombiniert, erzeugt eine Strahlkraft, die den Stimmungswandel auch auf materieller Ebene transportiert. Jede Seite ist ein malerisches Feuerwerk und ein visueller Genuss.

Roeckl Bus Innen 2Abb. 2.: Im Rückfenster ist die Sonne aufgegangen, Bus und Passagiere sind bester Laune (Röckl 2024, o. S.).


Fazit

Mit Bus entwirft Christina Röckl ein Bilderbuch, das ohne Worte eine klare Botschaft vermittelt: Freundlichkeit und Lebensfreude sind ansteckend. Durch ihre expressive, farbintensive Darstellungsweise erzeugt sie eine Erzählung, die sich immer wieder neu entdecken lässt. Besonders für Kleinkinder ab drei Jahren eignet sich das Buch hervorragend, um spielerisch über Emotionen, soziale Dynamiken und zwischenmenschliche Kommunikation ins Gespräch zu kommen – oder aber, Klein und Groß erfreuen sich schlichtweg an der farbenfrohen Bildgewalt.

Titel: Bus
Autor/-in:
  • Name: Christina Röckl
Illustrator/-in:
  • Name: Christina Röckl
Erscheinungsort: Mannheim
Erscheinungsjahr: 2024
Verlag: Kunstanstifter
ISBN-13: 978-3-948743-23-9
Seitenzahl: 36
Preis: 22,- EUR
Altersempfehlung Redaktion: 3 Jahre
Röckl, Christina: Bus