Inhalt

Betrachtet man zunächst den Klappentext von Komm, wir zeigen dir unsere Kita, so findet sich hier ein gezeichnetes Gruppenfoto der Pinguin-Gruppe, die in ihrer Gesamtheit im Mittelpunkt des Werks steht – keines der Kinder wird als Hauptfigur herausgehoben. Die Namen der Pinguin-Kinder und Erzieher:innen werden hier einmal vollständig aufgeführt – in der Geschichte selbst erfolgt keine nähere Charakterisierung, viele Nebenfiguren treten ganz ohne Namen in Erscheinung.

Der Kita-Tag in der „Kita Kunterbunt“ beginnt mit einer authentisch-lebendigen Bringsituation am Morgen: Kinder werden von ihren Müttern und Vätern – möglicherweise auch anderen Bezugspersonen – in den Vorraum der Kita gebracht und zeigen dabei auf der Text- und Bildebene ganz unterschiedliche Emotionen: „Aber ich will nicht, dass du gehst“ (S. 1) heißt es in der Sprechblase eines weiblich gelesenen Kindes, während ein anderes Kind freudig der Erzieherin Aynur in die Arme läuft (vgl. ebd.). Im Gruppenraum zeigen sich den Leser:innen dann zahlreiche kleine, wimmelbuchartige Alltagsmomente einer Kita: Es wird vorgelesen, zum Morgenkreis gerufen, gebastelt und gebaut, aber auch gestritten (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Ein Morgen im Gruppenraum (Kitzing 2021)

Diese ganz unterschiedlichen Beschäftigungen und Emotionen zeigen die Kinder der Pinguin-Gruppe auch im Turnraum: Hier spielen einige isoliert, andere gemeinsam, manche klettern mutig und besonders hoch, andere sind zurückhaltend und vorsichtig – es gibt sowohl sichtbare Momente der Freude, als auch Tränen (vgl. S. 5-6).

Bei dem gemeinsamen Mittagessen trifft die Pinguin- auf die Mäuse-Gruppe, wodurch weitere Kinder und Erzieher:innen hinzukommen; erneut finden zahlreiche kleine und große Alltagsmomente textuell und bildlich ihren Platz: Es wird gekocht, gegessen und gekleckert, ein gemeinsamer Tischspruch aufgesagt, mit den Händen gegessen und ein Teller fallen gelassen. Im Anschluss an das Mittagessen machen die Kinder sich auf verschiedenste Art im Bad fertig, danach werden manche schlafend gezeigt, während andere in der Leseecke ein Buch anschauen.

Kitzing Kita Innen 2.pngAbbildung 2: Auf dem Weg zur Mittagsruhe (Kitzing 2021)

Die Geschichte endet auf dem Außengelände der Kita: Auch hier lassen sich unterschiedliche Momente kindlichen Spielens und Interagierens entdecken – es wird Ball gespielt, geklettert, mit Fahrzeugen gefahren, erzählt und sogar gesungen. Die dargestellten Abholsituationen schließen inhaltlich den Bogen zum eingangs gezeigten Ankommen am Morgen, indem auch hier vielfältige Reaktionen auf das Ende des Kita-Tags gezeigt werden.

Kritik

Die Handlung von Komm, wir zeigen dir unsere Kita lässt sich vollständig über die Bildebene erschließen und wird lediglich von kurzen Textpassagen unterstützt. Als Erzählinstanz fungiert die Kitagruppe („Wir sind die Pinguin-Gruppe,“ S. 2; „Das ist unser Gruppenraum“, S. 3), wodurch sprachlich wie inhaltlich der Eindruck des Erzählens auf kindlicher Augenhöhe entsteht. Jede Doppelseite beinhaltet eine an die jungen Leser:innen adressierte Frage, die neben der angebotsreichen Bildebene einen zusätzlichen Dialog eröffnet (z. B.: „Habt ihr in eurer Kita auch einen Turnraum?“, S. 5; „Was hast du heute erlebt?“, S. 11). Die Illustrationen sind mit Sprechblasen versehen, die in kurzen Äußerungen Zugang zu den Gedanken und Gefühlen der Figuren bieten und von Vorlesenden als Einstieg in ein weiterführendes Gespräch genutzt werden können. Auf jeder Doppelseite gibt es viel zum (immer wieder) Entdecken, ohne dass sie dabei wimmelbuchartig überladen sind.

Da keine Figur als dezidierte:r Protagonist:in herausgehoben wird, offenbart sich für kindliche Leser:innen ein vielfältiges Identifikationsangebot. Der Name der „Kita Kunterbunt“ wird auf der Bildebene zum Programm: Vielfalt und ‚bunt sein‘ zeigen sich bei Kindern, Erzieher:innen und Eltern unter anderem in Kleidung, Haar- und Hautfarbe sowie in der Darstellung von Spieltätigkeiten, die nicht den traditionellen Geschlechterrollen entsprechen (vgl. Abbildung 1: Im Gruppenraum spielt ein männlich gelesenes Kind mit einem Wäscheständer). Man sieht Kopftücher, Brillen, ein abgeklebtes Auge, unterschiedliche Körperformen und ein Kind im Rollstuhl – auf der Textebene bleibt all dies unkommentiert, eben selbstverständlich. Selbst die sich durch die Werke von Kitzings ziehenden anthropomorphen Tierfiguren – ein kleines Nilpferd im rosa Tutu sowie eines freundlich aussehendes, aufrecht laufendes Krokodil – werden zu keiner Zeit von den übrigen Figuren kommentiert oder gar in Frage gestellt und sind damit Ausdruck maximaler Diversität.

Die Vielfalt der dargestellten Handlungen lädt zum immer wieder Lesen und neu Entdecken ein – hierbei können ausgewählte Doppelseiten betrachtet oder das Bilderbuch vollständig (vor)gelesen werden. Auch bietet es sich an, den Fokus auf einzelne Figuren zu legen und sie gezielt durch ihren Kita-Tag zu begleiten. So entstehen vielfältige und immer wieder neue Gesprächsanlässe mit Kindern, die je nach Alter und eigenem Verhältnis zur Kita Momente herausgreifen können, die sie betrachten oder besprechen möchten.

Fazit

Komm, wir zeigen dir unsere Kita bietet einen bunten Einblick in den Kita-Alltag und damit in einen zentralen Aspekt kindlichen Erlebens. Es eignet sich im privaten Rahmen ebenso wie in pädagogischen Einrichtungen ideal, um z. B. Eingewöhnungen literarisch zu begleiten oder allgemein Gesprächsanlässe mit Kindern ab zwei Jahren über das am Tag Erlebte zu schaffen.

 

Weitere Bände

Im Jahr 2022 erschien der zweite Band der Serie mit dem Titel Komm, wir zeigen dir unseren Wald. Hier begleiten die Leser:innen die Pinguin-Gruppe, die sich in ihrer Zusammensetzung nur wenig verändert hat, bei einem Ausflug in den Wald. Die gelebte Vielfalt zieht sich auch hier durch die sprachlich vermittelte Geschichte, ebenso wie die bildliche Darstellung literarisch sonst wenig repräsentierter Alltagsmomente: So wird z. B. ein Baby öffentlich gestillt und gewickelt (vgl. S. 3), während ein älteres Ehepaar mit Rollator auf einer anderen Doppelseite durch das Bild läuft (vgl. S. 5). Die kurzen Textpassagen auf jeder Doppelseite sowie die Sprechblasen ähneln in ihrer Struktur denen des ersten Bands, bieten jedoch auf inhaltlicher Ebene einen etwas stärkeren sachlich-thematischen Input, der stets kindgerecht auf Augenhöhe vermittelt wird (vgl. z. B. S. 2: „Wisst ihr, dass man an den Ringen im Holz sehen kann, wie alt der Baum ist?“).

Diese Tendenzen setzen sich in dem 2023 erschienenen dritten Band Komm, wir zeigen dir unseren Bauernhof fort, in dem die Pinguin-Gruppe einen Ausflug auf den „Sonnenhof“ der Familie Schmitt-Celebi macht. Die verschiedenen Dimensionen von Vielfalt (u.a. Alter, Hautfarbe, Gender, Behinderung) werden auch in diesem Werk auf der Bild- und Textebene in der gewohnten Form (mit‑)erzählt. Über die zahl- und detailreichen Illustrationen, die kleine Momente der Interaktion genauso einfangen wie die übergeordneten Handlungen (vgl. z. B. den Aufenthalt auf dem Feld, S. 3-4), ergeben sich vielfältige Anlässe zum Erzählen, die u.a. auch in Kindertageseinrichtungen leicht zur Wortschatzerweiterung im Sinne einer alltagsintegrierten Sprachförderung verwendet werden können.

Hervorzuheben ist, dass es in diesem Band neben Sachinformationen (z. B. S. 4: „Damit die Pflanzen gut wachsen, werden sie mit Tiermist gedüngt. Im Sommer und Herbst kann dann geerntet werden“) erstmals auch einen stärker moralisch aufgeladenen Erzählmoment gibt: „Waren die Würstchen mal echt ein Tier?“ (S. 5), fragt Ayo seine Erzieherin Nadine. Und diese antwortet: „So ist es. Deswegen esse ich kein Fleisch, weil ich nicht möchte, dass Tiere getötet werden. Ich bin Vegetarierin“ (S. 5). Diese Ebene erschließt sich im Vorlesen rein auf textueller Ebene, sodass die Vorlesenden entscheiden können, inwiefern sie diesen inhaltlichen Input aufnehmen möchten.

Im jüngsten, 2025 erschienenen Band Komm, wir fahren ans Meer begleiten die Leser:innen die vertrauten Figuren der Pinguin-Gruppe auf eine Reise. Mit der Geschichte dieses ‚Kita-Urlaubs‘ schlägt die Bilderbuchserie nach den alltäglichen Handlungsorten Kita, Wald und Bauernhof einen neuen, stärker fiktiven Weg ein und zeigt Momente und Erlebnisse, die einigen kleinen Leser:innen (noch) nicht bekannt sein dürften. So planscht die Kitagruppe gemeinsam im Meer (vgl. S. 3-4), unternimmt eine Fahrt mit einem Fischkutter (vgl. S. 5-6), macht eine Wattwanderung (vgl. S. 7-8) und besucht eine Seehundstation (vgl. S. 11-12). Auch dieser Band schafft somit zahlreiche Erzählanlässe, erweitert den Wortschatz und das Weltwissen der Leser:innen und bietet über seine Texte und Bilder viele spannende Inhalte zum Entdecken. Jedoch könnten hier, bei aller Vielfalt und Inklusion, die auch dieser Band grundsätzlich auf der Text- und Bildebene repräsentiert, im Rahmen einer gemeinsamen Lektüre in einer Kita (soziale) Unterschiede verstärkt werden – beispielsweise über die an das kindliche Lesepublikum adressierte Frage „Warst du auch schon mal am Meer?“ (S. 1). Ein sensibles Vorlesen und ggf. der Fokus auf die (Wimmel-)Bilder könnte das gemeinsame Entdecken stärken und alle Kinder gleichermaßen adressieren.

Einzelne Figuren aus der hier besprochenen Serie finden sich auch in anderen Werken der Autorin wieder, sodass hierüber eine ganze literarische Welt entsteht, die den Leser:innen Einblicke in unterschiedliche Familienleben, Freundschaften und Geschwisterkonstellationen bietet – getragen von dem Gefühl, mit den Protagonist:innen bereits aus anderen Bilderbüchern vertraut zu sein.

Titel: Komm, wir zeigen dir unsere Kita
Autor/-in:
  • Name: Constanze von Kitzing
Illustrator/-in:
  • Name: Constanze von Kitzing
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2021
Verlag: Carlsen
ISBN-13: 978-3-551-17015-6
Seitenzahl: 14 Seiten
Preis: 14,- Euro
Altersempfehlung Redaktion: 2 Jahre
Kitzing, Constanze von: Komm, wir zeigen dir unsere Kita