Inhalt

Tim im Kongo (vorliegend in der kolorierten Fassung von 1946) erzählt die Abenteuer des jungen Reporters Tim und seines treuen Hundes Struppi, die in den Kongo reisen. Tim soll dort über das Leben in der damaligen belgischen Kolonie berichten. Schon bei ihrer Ankunft geraten sie in Schwierigkeiten, als Tim beinahe von einem aggressiven Krokodil angegriffen wird. Doch er meistert die Gefahr souverän, was den Grundton des Abenteuers setzt: Tim begegnet jeder Herausforderung mit Mut und Tatkraft.

Im Laufe der Geschichte lernt Tim das Leben in der Kolonie kennen. Er interagiert mit den Einheimischen, gerät in Konflikte mit den Tieren der Wildnis und wird in verschiedene Auseinandersetzungen hineingezogen. Unter anderem jagt er Löwen, Krokodile und Nashörner, was, der Kolonialzeit entsprechend, die Überlegenheit der Europäerinnen und Europäer über die afrikanische Natur darstellen soll. Er lernt den Missionar der Kolonie kennen und springt als Lehrkraft ein. Zur Belohnung werden Tim und Struppi zur Elefantenjagd eingeladen. Doch diese gerät beinahe schief, erst durch die Hilfe just eines Schimpansen können sie das Tier erlegen. Im Laufe des Abenteuers entdeckt Tim, dass ein Diamantenschmuggel im Gange ist. Eine Gruppe amerikanischer Krimineller, angeführt von einem Mann namens Tom, versucht, die Reichtümer des Kongo für ihre illegalen Aktivitäten auszubeuten. Tim stellt sich gegen die Bande und deckt ihre Machenschaften auf. Dabei kommt es zu mehreren spannenden Verfolgungsjagden und Konfrontationen. Am Ende gelingt es Tim, die Verbrecher zu überführen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Mit seiner unerschütterlichen Entschlossenheit glückt es ihm, den Schmuggel zu stoppen und die Ordnung wiederherzustellen. Schließlich wird Tim von einem Flugzeug vor einer wütenden Herde Büffel gerettet. Ein neuer Auftrag in Chicago zeichnet sich ab. Triumphierend kehrt er aus dem Kongo zurück. 

Kritik

In Tim im Kongo folgt die Geschichte einer klassischen Abenteuerstruktur: Der Protagonist Tim reist in eine ferne, exotische Welt und begegnet dort einer Reihe von Herausforderungen, die er heldenhaft meistert. Im Comic ist die Erzählweise linear und episodenhaft, was typisch für Comics der damaligen Zeit mit diesem Stil und Setting der Abenteuergeschichte ist. Die Handlung springt von einer Gefahr zur nächsten, was die Spannung aufrechterhält, aber wenig Tiefgang zulässt. Statt Reflexion oder emotionaler Vertiefung stehen actionreiche Wendungen im Vordergrund. Dadurch bleibt das Erzähltempo hoch, doch es fehlt an Momenten, die den Leser*innen ermöglichen, die Figuren oder die Hintergründe der Geschichte besser zu verstehen. Scott McCloud unterscheidet sechs grundlegende Arten von Bild-zu-Bild-Verknüpfungen, die die Erzählweise eines Comics bestimmen. Im Comic dominieren die Handlungs-zu-Handlungs- und Subjekt-zu-Subjekt-Verknüpfungen. Diese tragen zur schnellen, actiongeladenen Erzählweise bei, während Moment-zu-Moment- und Szene-zu-Szene-Verknüpfungen ebenfalls eine Rolle spielen, um kleinere Handlungsschritte und Ortswechsel darzustellen (vgl. Abb. 1 Panel 5 und 6). Insbesondere die 'action lines' und die dynamischen Figurenpositionen in den einzelnen Panels verleihen den Handlungen mehr Energie und Ausdruck (vgl. Abb. 1 Panel 4; Abb. 2 Panel 2 und 3).

hergé timimkongo abbAbb. 1: Hergé: Tim im Kongo, Band 2, Hamburg: Carlsen Verlag, 1997. S. 10.

Narrativ auffällig ist die starke Fokussierung auf Tim als den nahezu unfehlbaren Helden. Die Dialoge sind oft knapp und funktional, unterstützen aber die visuelle Handlung. Das Zusammenspiel von Bild und Text erzeugt so eine dynamische Erzählweise, die jedoch besonders in Kampf- und Actionszenen stark auf einfache Gut-Böse-Schemata setzt (vgl. Abb. 2).

hergé timimkongo abb2Abb. 2: Hergé: Tim im Kongo, Band 2, Hamburg: Carlsen Verlag, 1997. S. 35.

Die kräftigen Farben tragen im Comic zur lebendigen, aber auch exotisierenden Darstellung des Kongo bei, während die klare Trennung zwischen Figuren und Hintergrund die Handlung visuell leicht nachvollziehbar macht. Allerdings ist der Farbeinsatz in Bezug auf die Darstellung der Einheimischen problematisch, da er koloniale Stereotype verstärkt und eine Vereinfachung der kulturellen Realität des Kongo darstellt. Die einheimischen Figuren werden visuell oft stark überzeichnet und karikiert. Diese Darstellungen bedienen rassistische Stereotypen, die Afrikaner als naiv, unterwürfig und rückständig zeigen. Zudem lässt sich sagen, dass sich die Farbgebung auf klare Kontraste, symbolische Bedeutungen und die Schaffung einer abenteuerlichen Atmosphäre fokussiert. Dies führt zu einer Limitierung in Tiefe und Fantasie (vgl. Abb. 3).

hergé timimkongo abb3Abb. 3: Hergé: Tim im Kongo, Band 2, Hamburg: Carlsen Verlag, 1997. S. 64.

Des Weiteren ist Hergés klare und detaillierte Zeichentechnik, die sogenannte 'ligne claire', prägend. Diese klare Linienführung schafft eine hohe Lesbarkeit und führt Leser*innen zielsicher durch die Handlung. Besonders auffällig ist Hergés Fähigkeit, Bewegungen und Dynamik abzubilden, wodurch die Abenteueratmosphäre verstärkt wird. Die Panelrahmen sind im gesamten Comic gerade, mit schmalem schwarzem Rand, die Struktur verleiht, aber auch an Neuem und Extravaganz spart (vgl. Abb. 2 und 4). Aus einer aktuellen, postkolonial geschulten Perspektive wirkt die Geschichte recht schematisch und lässt wenig Raum für differenzierte Charakterentwicklungen (vgl. Abb. 4).

hergé timimkongo abb4Abb. 4: Hergé: Tim im Kongo, Band 2, Hamburg: Carlsen Verlag, 1997. S. 37.

Hergé bildet hier den kolonialen Zeitgeist der 1930er-Jahre ab, was aus heutiger Sicht als problematisch und diskriminierend angesehen wird. Die zentralen Themen wie der Kolonialismus und damit verbundene rassistische Ideologien scheinen demnach das Ergebnis verschiedener politischer, gesellschaftlicher und insbesondere kulturell-stereotypisierender Haltungen zu sein, die zur Entstehungszeit des Comics in Europa weit verbreitet waren. Tim wird als zivilisierter, überlegener Europäer dargestellt, der in einer ihm fremden, vermeintlich 'primitiven' Welt auftritt (vgl. Abb. 4). Dieses Machtgefälle zwischen dem weißen Helden und den einheimischen Bewohnern Afrikas wird sowohl in der Erzählweise als auch in der visuellen Darstellung reproduziert (vgl. Abb. 3).

Die kritische Betrachtung dieses Comics zeigt, wie sehr das Medium Comic gesellschaftliche Ideologien transportieren und verstärken kann. Verknüpfend dazu sei erwähnt, dass Comics sowohl populärkulturelle Produkte als auch Spiegel ihrer Zeit sind. Das Werk steht damit exemplarisch für die kolonialen Diskurse der 1930er-Jahre, die auch in der westlichen Popkultur verankert waren.

Fazit

Der rasant inszenierte, spannende und großartig gezeichnete Comicklassiker aus der Tim-und-Struppi-Reihe von Hergé zeigt einige hoch problematische kulturelle Stereotype. Insbesondere bei Kinder- und Jugendliteratur ist es unverzichtbar, diese regelmäßig auf diskriminierende Inhalte hin kritisch zu hinterfragen. Nicht nur, weil es zum demokratischen Bildungsauftrag gehört, weiße Kinder zu weltoffenen und diversitätssensiblen Menschen zu erziehen. Sondern auch, um Kinder of Colour davor zu schützen, durch Kinder- und Jugendliteratur rassistische Diskriminierung zu erfahren. Daher ist eine Altersempfehlung von 12 Jahren passend, da der Hintergrund und die Relevanz von Rassismus im Vorhinein erklärt und verstanden werden müssen.

Literatur

Abel, J. & Klein, C. (2015): Comics und Graphic Novels: Eine Einführung. Berlin: J.B. Metzler.

McCloud, Scott (1994): Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst. Hamburg: Carlsen.

Titel: Tim im Kongo
Autor/-in:
  • Name: Georges Prosper Remi alias Hergé
Originalsprache: Französisch
Originaltitel: Tintin au Congo
Übersetzung:
  • Name: Jens Roedler
Illustrator/-in:
  • Name: Hergé
Erscheinungsort: Hamburg (Original: Paris)
Erscheinungsjahr: 1997 (Original: 1946 [1930/31 als Fortsetzungsgeschichte in schwarzweiß in der belgischen Zeitschrift Le Petit Vingtieme erstveröffentlicht])
Verlag: Carlsen Comic
ISBN-13: 978-3-55173221-7
Seitenzahl: 64
Preis: 12,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
Hergé: Tim im Kongo