Inhalt

Den Kleinen Strubbel lernen wir gleich früh morgens kennen, wenn er beschwingt vom Vogelgezwitscher, das durch das Fenster in sein Kinderzimmer dringt, erwacht. Rasch ist er angezogen, frühstückt mit Appetit, lässt sich liebevoll von seiner Mutter verabschieden und verlässt das Haus. So weit, so normal.

Einen kleinen Rucksack geschultert begegnet er auf seinem Weg einem riesigen Schmetterling, den er unbedingt fotografieren muss. Und so schnappt er sich seinen Fotoapparat und jagt dem flatternden Falter hinterher, ohne auf die Beschaffenheit des Weges zu achten und – plumps – ist er auch schon in einem tiefen Loch verschwunden! Damit nimmt der Trubel im Gemüsebeet seinen Lauf: Strubbel folgt –ähnlich wie Alice im Wunderland – dem unterirdischen Tunnel, in dem seine Fallgrube mündet, begegnet einem Regenwurm und mehreren im Erdreich verwurzelten Rübchen, um sich schließlich aus dem Boden an die Erdoberfläche zu wühlen. Die Gegend, in der er nun gelandet ist, ist ihm völlig unbekannt; es handelt sich ja auch um das titelgebende Gemüsebeet. Was Strubbel hier zu sehen bekommt, lässt ihm die Haare zu Berge stehen: Eine Wespe mit finsterer Miene verfolgt zunächst einen Marienkäfer und schließlich eine Ameise, mit der eindeutigen Absicht, sie mit Hilfe ihres furchteinflößenden Stachels zu verletzen. Und als der fliegende Aggressor keinen Erfolg hat, wird auch noch Strubbel selbst zum Ziel des Angriffs! Doch der Marienkäfer – oder besser: die Marienkäferin – zögert nicht lange und befreit Strubbel aus seiner misslichen Lage, indem sie die Wespe mit einer Keule niederstreckt. Von da an ist klar: Strubbel hat eine neue Freundin gefunden und mit ihr lernt er auch die anderen Bewohner*innen des Gemüsebeets kennen, so z.B. die Blattlaus, die Ameise und die Schnecke. Sie verbringen eine wunderbare Zeit mit Pflanzen-Sightseeing, Wurzelhüpfen, Schneckenhaus-Schaukeln, Johannisbeer-Wettessen, Gießkannen-Duschen und Malen. Doch es gibt da noch jemanden, der im Gemüsebeet wohnt und nicht annähernd so zufrieden ist, wie die anderen Bewohner*innen. Die Rede ist von der jagdlustigen Wespe, die es nach wie vor auf Strubbel abgesehen hat. Oder hat sie vielleicht ein ganz anderes Problem? Genau das wird sich im weiteren Verlauf der Geschichte zeigen, in der Strubbel noch einen gewaltigen Stich kassiert, schweres Heimweh bekommt und alle gegen einen aufhetzt, um schließlich festzustellen, dass bestimmten Problemen mit Ehrlichkeit und Empathie besser beizukommen ist als mit Empörung und Wut. Am Ende des erlebnisreichen Tages kehrt Strubbel glücklich nach Hause zurück, genießt sein Abendessen und die Fürsorge seiner Eltern, um schließlich glücklich einzuschlafen – zwar ohne Schmetterlingsfoto, aber mit lauter gemalten Selbstportraits seiner neuen Freunde im Gemüsebeet.

Kritik

Strubbel erlebt seine Abenteuer auf rein visuell nachvollziehbare Weise – sowohl in Trubel im Gemüsebeet als auch in allen anderen Bänden der Reihe. Der Verzicht auf Schriftsprache macht es erforderlich, die Narration allein aus den Bildelementen zu erschließen; insofern fordert der Comic zur genauen Betrachtung sowohl der Einzelpanels als auch der Sehfläche auf. Die Textlosigkeit fördert aber nicht nur das genaue Hinschauen, es eröffnet vor allem bereits noch nicht lesekundigen Kindern die Möglichkeit, eigenständig eine Geschichte zwischen zwei Buchdeckeln zu rezipieren. Trotzdem ist es wichtig, sich zunächst im Tandem mit dem Comic auseinanderzusetzen. So können erwachsene Mitleser*innen das interessierte Kind dabei unterstützen, die richtige Abfolge der Panels zu berücksichtigen und die Einzeleinheiten in den Panels auch tatsächlich zu registrieren und zu verarbeiten. Im gemeinsamen Betrachten und Sprechen über das Sichtbare (und über das, was man sich hinzudenken muss), entwickelt sich aus einer übersichtlichen Bildfolge eine spannungsreiche und emotional aufgeladene Erzählung. Alle damit in Verbindung stehenden Aktionen – also das Erkunden der Leserichtung, das genaue Hinschauen und Registrieren von visuellen Einzelheiten wie auch das Versprachlichen und eventuelle Aushandeln der Eindrücke von Sehfläche, Einzelpanel und Bildfolge – unterstützen dabei nicht nur die genaue Wahrnehmung und das Nachvollziehen einer Narration, sondern auch den Lese-Lernprozess bzw. bereiten sie ihn vor.

Auf den ersten Blick sind alle Bände aus der Kleiner Strubbel-Reihe vor allem eins: ziemlich bunt. Auf einen genaueren zweiten zeigt sich, dass dieser Farbreichtum weder Selbstzweck ist noch alleinig Köder, um kleinen Kindern ein bebildertes Buch schmackhaft zu machen. Vielmehr ist er Ausdruck der Weltsicht und des Erlebnisreichtums des Protagonisten Strubbel und leitet kontrastreich durch die Narration. Letzteres erschließt sich allerdings erst, wenn man sich die Seitenarchitektur des Comics vergegenwärtigt: Fast alle Seiten sind konventionell gestaltet und weisen ein Panelgrid von drei mal zwei Panels auf. Die einzelnen Panels sind also stets (mit wenigen Ausnahmen) von gleicher Größe und es befinden sich auf jeder Einzelseite jeweils sechs, die der Leserichtung entsprechend rezipiert werden können bzw. sollten. Durch den gleichmäßigen, geradezu monoton anmutenden Seitenaufbau wird der Blick der Leser*innen automatisch auf die Panelinhalte gelenkt. Da der Kleine Strubbel ohne Schrifttext daherkommt, werden mit Blick auf die Gesamtseite weitgehend gleichbleibende oder aber stark variierende Panelinhalte als erstes wahrgenommen. Dieser Eindruck wird wesentlich durch die Farbgebung unterstützt bzw. aufrechterhalten (vgl. Abb. 2).

bailly fraipont kleinerstrubbeltrubelimgemüsebeet abbAbb. 1: Bailly/Fraipont: Kleiner Strubbel, Band 1, Berlin: Reprodukt 2019, S. 10

Alle sechs Panels zeigen Boden, Himmel und den Kleinen Strubbel. Auf vier Panels ist ein Schmetterling (oder Teile von ihm) zu sehen. Abgesehen von einer Abweichung bei der Darstellung des Bodens, der im ersten Panel durch den Übergang von Gras auf Erde ein räumliches Vorankommen markiert, wird die Aufmerksamkeit durchgehend auf Strubbel gerichtet, der Haltung und Mimik im Panelverlauf ändert. Der gelbe Schmetterling vor dem Hintergrund des blauen Himmels wiederum stellt das Ereignis dar, das sämtliche dieser kleinen Änderungen motiviert. Er steht also nicht nur generell im farblichen Kontrast, sondern macht durch seine in Gänze auffällige Gestaltung (Größe, durch eine Speedline angedeutete Bewegung) implizit nachvollziehbar, warum ihn der Kleine Strubbel unbedingt fotografieren möchte.

Nicht nur eine weitgehend gleichbleibende Panelstruktur und ein gezielter Einsatz von Farbe zählen zu den Wiederholungsstrukturen, die die gesamte Kleiner Strubbel-Reihe kennzeichnen: So bildet z.B. die Titelillustration eines jeden Bandes Strubbel innerhalb seines Abenteuer-Raums zusammen mit einer zentralen Figur daraus ab (vgl. Cover). Vor- und Nachsatzpapier wiederum geben in kleinen Vignetten Einblick in viele weitere, aber nur zweifarbig gehaltene Begegnungen aus anderen Bänden; sie visualisieren allesamt die Geste des Händegebens und symbolisieren insofern das Aufeinandertreffen zweier Welten, was Grundidee eines jeden Abenteuers ist, das Strubbel erlebt. Darüber hinaus werden in jedem Band auf der ersten und der letzten Seite des Binnentexts Morgen- und Abendrituale dargestellt: Auf der ersten Seite wird das Aufstehen, das Sich-Fertig-Machen für den Tag, Frühstück, Verabschiedung und das Verlassen des Hauses gezeigt. Auf der letzten wiederum werden Begrüßung beim Heimkommen, Abendessen und das Zu-Bett-Gehen in variierenden Konstellationen dargestellt. Das jeweilige Abenteuer ist demnach stets in einen gesicherten familialen Kontext eingebunden, wodurch die bekannte, aber immer wieder reizvolle Opposition zwischen Vertrautem und Fremdem entsteht, die nicht nur Trubel im Gemüsebeet, sondern alle Kleiner Strubel-Bände ausmacht.

Fazit

Alltag meets Abenteuer – so lässt sich das Erfolgsgeheimnis der Comic-Serie, die schon für die kleinsten Bildergeschichten-Fans ‚lesbar‘ ist, zusammenfassen. Trubel im Gemüsebeet wie auch alle anderen Bände der Reihe eignen sich für Kinder ab drei Jahren, laden aber auch ältere Betrachter*innen zur Erst- und Wiederholungslektüre ein.

Literatur

Abel, J. & Klein, C. (2015): Comics und Graphic Novels: Eine Einführung. Stuttgart: Metzler.

McCloud, Scott (2001): Comics richtig lesen. Die unsichtbare Kunst [1994]. Hamburg: Carlsen.

Titel: Kleiner Strubbel – Band 1: Trubel im Gemüsebeet
Autor/-in:
  • Name: Céline Fraiport
  • Name: Pierre Bailly
Originalsprache: Französisch
Originaltitel: Petit Poilu – Pagaille au Potager
Übersetzung:
  • Name: Volker Zimmermann
Illustrator/-in:
  • Name: Céline Fraiport
  • Name: Pierre Bailly
Erscheinungsort: Berlin (Original: Belgien/Marcinelle)
Erscheinungsjahr: 2013, 3. Auflage 2019 (Original 2008)
Verlag: Reprodukt
ISBN-13: 978-3943143-59-1
Seitenzahl: 32
Preis: 12,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 3 Jahre
Bailly, Pierre/Fraipont, Céline: Kleiner Strubbel – Trubel im Gemüsebeet