Abb. 1: Cover Yps Nr. 1284. (2. Heft). ©2025 Egmont Ehapa Media
Inhalt
Die Ausgabe 1284 erschien am 04. September 2025 und besteht aus zwei Publikationen mit einem neu produzierten Gimmick. Ein großformatiges Heft sammelt unter dem Stichwort "50 Jahre Yps" vor allem Retrospektiven zur Kultur der 1980er Jahre. Die eigentliche Heftnummer 1284 präsentiert sich neben diesem Hochglanzformat schlichter und gerade deshalb nostalgischer. Sie sammelt viele Nachdrucke alter Comicreihen, die in Yps produziert wurden. Bei dem beigefügten Gimmick handelt es sich um den so genannten "Entscheidungshelfer", eine magnetische Dartsscheibe mit Lebensanweisungen, die man treffen kann, wörtlich wie auch im übertragenen Sinn.
Kritik
Meine Familie und ich staunten nicht schlecht, als die neue Yps-Ausgabe vom Verlag überraschend bei uns hereinschneite. Beim Blättern und Stöbern fielen vor allem die unterschiedlichen Herangehensweisen an die Hefte auf. Unsere Tochter erkundete das Comicmagazin neugierig und lauschte dabei den Erzählungen ihrer Mutter, die selbst einst regelmäßig Yps gelesen und auch gesammelt hatte. Ich indes betrachtete sowohl die redaktionellen Heftinhalte wie auch die Comics mit dem prüfenden Blick eines Kulturwissenschaftlers, der sich das aktuelle 80er-Revival, das die Mediengesellschaft gerade durchlebt, zu erklären versucht. Da also ein einfacher Blick offensichtlich nicht reicht, um die neue Yps-Ausgabe zu erklären, schreiben wir diese Rezension als Mehrgenerationen-Projekt gemeinsam.
Unsere Tochter (8 Jahre) geht mit der Rolle der kindlichen Forscherin an die beiden Hefte heran und ist zunächst einmal sichtlich bemüht darum zu verstehen, was sie da eigentlich in den Händen hält. Schnell kommt der Vergleich mit den vielen Disney- und Monster-High-Heften auf, die sie regelmäßig am Kiosk kauft, weswegen auch das Gimmick die erste und auch langlebigste Aufmerksamkeit erhält. So lädt der überraschend wertig produzierte Entscheidungshelfer sowohl unsere Tochter als auch uns und einige zu Besuch kommende Freunde nachhaltig zum Spielen ein. Alsbald entdeckt unsere Tochter allerdings die starken Magneten in den Pfeilen und ergeht sich fortan darin, den Facettenreichtum magnetischer Spielereien zu ergründen.
Das redaktionelle Heft ist mit seinen zahlreichen Retrospektiven zu Themen der 1970er und 1980er Jahre, wenig interessant für sie. Zwar erkennt sie einige Themen, etwa den Artikel zu He-Man und G.I. Joe durchaus aus ihrer Alltagskultur wieder. Auch mit dem Artikel über den Adidas-Sneaker kann sie etwas anfangen. Die übrigen Berichte, in denen Redaktionsmitglieder und bekannte Gesichter wie der Ex-MTV-Moderator Markus Kavka, Komiker Oliver Kalkofe oder Regisseur Bully Herbig zu Einzelthemen der anvisierten Zielgruppe Stellung beziehen, sind für sie aber weniger relevant. Einzig die leider immer noch ein wenig bemüht wirkende und mäßig lustige Einzelseite aus dem neuen Band Asterix in Lusitanien fesselt ihre Aufmerksamkeit kurz.
Für meine Frau und mich sieht das anders aus: Schnell öffnen wir das redaktionelle Heft und finden so Einiges, das auch uns in unserer Kindheit bewegt hat. Das Heft ist in besonderem Maße darum bemüht, in den Beiträgen und den kleineren Anspielungen die zentralen Stichworte der Medienkultur der Kindheit anzusprechen: Vom Rubik-Würfel über den Weißen Hai, Zurück in die Zukunft, dem besagten Sneaker bis hin zum 70er-Memory zum Ausschneiden ist das gesamte Heft auf Retro getrimmt. Dadurch zerfällt unsere gemeinsame Lektüre in zwei getrennte. Meine Frau findet in dem einerseits sehr von männlichen Protagonisten und Perspektiven geprägten Heft wenig Identifikationspotential. Andererseits zieht sie einen Vergleich zwischen ihren alten Heften und diesem neuen und befindet, dass in Yps neben der Alltagskultur und den Comics oft auch andere Themen, etwa Naturwissenschaft, eine Rolle gespielt haben. Damals ließen die Urzeitkrebse grüßen, heute ist es der Kriminalbiologe Mark Benecke, der den Wissenschaftstricks der alten Hefte 'kriminalistisch' nachgeht. Ich wiederum fühle mich in der Ausgabe ein wenig in meinem kindlichen Ich gefangen, das von nahezu allen Themen und Schlagworten der Ausgabe auch als Yps-Laie angefixt wird. Zugleich steigt in mir das Bild meiner Eltern auf, die in den 2000er Jahren mit einem Mal damit anfingen, Wiederholungen von Schlagersendungen mit Dieter Thomas Heck anzuschauen oder Auftritte von Nana Mouskouri auf volle Lautstärke zu stellen, weil ihnen die Welt neuerdings als fremd und chaotisch erschien. Die Frage, die sich mir aufdrängt, lautet, ob man eigentlich sein Leben lang ein Kind bleiben will. Doch diese Frage wird schnell davon verdrängt, dass unsere Tochter das zweite Heft mit den Comicauszügen entdeckt.
Ihr allein schon beim Blättern der Ausgabe zuzusehen, ist eine wahre Freude. Denn anders als das redaktionelle Hochglanzheft, das alte Ästhetiken der Jugendzeitschriften frech und an vielen Stellen auch neu interpretiert, ist das Comicheft durchweg in der Qualität der alten Ausgaben gedruckt. Es besteht aus einem rauen, leicht rissigen Papier, auf dem die Farben leicht ausgeblichen und die Linien manchmal unscharf wirken. Mit dem Rätselspaß auf der letzten Seite und dem durchgehenden Times-New-Roman-Schick der Begleittexte erzeugt das Comicheft den Eindruck, dass man es auf dem Flohmarkt gefunden hat. Selbst die Anleitung für die Dartsscheibe könnte so auch in den alten Heften vorgekommen sein. Eigentlich hätte ich erwartet, dass unsere Tochter das Heft gerade deswegen langweilig findet. Stattdessen blättert sie nicht ganz abgeneigt durch die Comics. Immer wieder stutzt sie, hält an, liest etwas und blättert dann weiter. Sie stoppt allerdings nicht bei den süßen Geschichten über das Yps-Känguru und auch nicht bei Yinni und Yan, dem Yps-Fernsehteam, sondern völlig unvorhergesehen bei Captain York, dem Zeitforscher. Obwohl nämlich gerade dieser Comic einer der ältesten neu abgedruckten Beiträge der Ausgabe ist und vom Layout her stark an die Abenteuercomics der 1940er bis 1960er erinnert, findet sie diesen besonders ansprechend, weil er, wie sie sagt, nach einem Erwachsenencomic mit Action aussieht. Außerdem mag sie die beiden vorwitzigen Affen, die Captain York begleiten. Auch der Auszug aus dem neueren Captain-Future-Comic fesselt sie kurz und auf Nachfrage stellt sie fest, dass dieser eher wie die Serien aussieht, die sie aktuell schaut. Mit der pastellig wirkenden, leicht ausgeblichenen Farbgebung und den Zeichnungen, die irgendwo zwischen aktuellem SciFi-Comic und der alten Captain-Future-Animeserie angesiedelt sind, fällt dieser Comic hier deutlich aus dem Rahmen. Leider allerdings liefert der Auszug eine Fragen aufwerfende Exposition. Einen echten Kaufgrund als interessierter Laie sieht man darin allerdings nicht. Die übrigen Drucke subsumiert sie unter dem Begriff der "lustigen Comics", die sie in meist deutlich schlechterer Qualität auch aus Apothekenzeitschriften und Beigaben kennt und die sie direkt zur Witzeseite führen. Als ich sie frage, was ihr an dem Heft besonders gefällt, meint sie, dass da ganz unterschiedliche Comics abgebildet sind und sie je nach Interesse und Bedarf verschiedene Leseangebote für verschiedene Stimmungen erhält. Die eigentliche Kürze der Einzelgeschichten ist dabei für sie als Leseanfängerin ein sichtbarer Vorteil.
Meine Frau und ich wiederum gehen auch über den Comics unseren Betrachtungen nach. Sie blättert das Heft mit einiger Irritation durch, weil sie sich einigermaßen vergeblich an die Comics der alten Ausgaben zu erinnern versucht. Für sie spielten sie anscheinend keine besonders große Rolle, kann sie sich doch weder an Pif, den "lustigsten Hund der Welt" noch an Ben’s Bande gut erinnern. Für sie waren die Comics eben vor allem Seitenfüller zwischen den für sie interessanten Artikeln und Rätseln. Ich indes bin als Comicforscher einigermaßen erstaunt über die vor allem zeichnerische Qualität der Einzelcomics – und zwar sowohl der eingekauften Serien als auch der eigens produzierten Comics. Erstaunlich daran ist vor allem, dass die eigens produzierten Comics, wenn nicht ganz, dann doch mit dem sichtbaren Anspruch auf ein Verfolgerrennen mit den eingekauften Serien in der Regel aus Frankreich und Italien konkurrieren können. Zwar bedienen sich Yinni und Yan, aber auch Ben’s Bande stilistisch sichtbar bei bekannteren frankobelgischen Formaten. Vergleicht man die Qualität dieser Comics noch mit dem, was in den besagten Kinderzeitschriften unserer Tochter abgedruckt ist, muss man die Bemühungen der damaligen Yps-Redaktion um ein wertiges Kinder- und Jugendprodukt honorieren.
Fazit
50 Jahre Yps kann einer Familie sichtbaren Spaß bereiten, sie zum Erkunden und Reflektieren einladen und sie dabei zuweilen auch mit einer vereinnahmenden Nostalgie einfangen. Dies ist bei denjenigen regelrecht erwünscht, die das aktuelle Heft für erwachsengewordene Kinder kaufen. Ohne Nostalgie funktioniert das Format trotz darüberhinausgehender Qualitäten im Print, dem Layout und auch einigen Comics allerdings leider nur bedingt. Man denke nur daran, was wäre, könnte man mit ähnlichem Elan auch an ganz neue Medienprojekte herangehen…
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- Name: Risken, Jörg (Chefredaktion)
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