Inhalt
Der erste Band von My Hero Academia stellt Izuku Midoriya vor, einen Schüler, der in einer Welt lebt, in der 80 % der Menschen sogenannte "Macken", also Superkräfte, besitzen. Schon als kleines Kind träumt Izuku davon, ein großer Held zu werden, doch mit vier Jahren stellt sich heraus, dass er im Gegensatz zu den meisten anderen Kindern keine Macke entwickelt. Diese Diagnose bricht ihm das Herz, da er erkennt, dass sein Traum, wie sein großes Vorbild All Might zu werden, unerreichbar scheint. Die Tatsache, dass er keine Macke besitzt, setzt ihm enorm zu: Er wird von seinen Mitschülern gemobbt und gedemütigt, vor allem von seinem früheren Freund Katsuki Bakugo, der ihn als schwach und nutzlos betrachtet. Sogar seine eigene Mutter, die ihn zwar liebt, kann ihm keine Hoffnung schenken, stattdessen entschuldigt sie sich weinend dafür, dass aus ihm wohl kein Held werden wird, was Izuku nur noch tiefer in die Verzweiflung stürzt. Alles ändert sich, als Izuku eines Tages auf sein Idol, den mächtigsten Helden der Welt, All Might, trifft. Trotz seines Mangels an Superkräften zeigt Izuku in einem Moment großer Gefahr außergewöhnlichen Mut, als er versucht, Bakugo vor einem Schurken zu retten. All Might erkennt in diesem selbstlosen Handeln das Potenzial eines wahren Helden und beschließt, Izuku seine eigene Kraft, die legendäre Macke "One For All" zu übertragen. Diese mächtige Fähigkeit ist jedoch eine immense Bürde für Izuku, da sein Körper nicht dafür geschaffen ist, die Kraft zu kontrollieren. Jede Nutzung dieser Macht droht ihn schwer zu verletzen. Trotz dieser enormen Herausforderung beginnt Izuku, sich auf seinen neuen Weg vorzubereiten, indem er hart trainiert, um die Kraft von All Might allmählich zu meistern. Mit der Übertragung von One For All und der Aufnahme an der Eliteheldenschule UA High wird Izukus Traum, ein echter Held zu werden, greifbarer. Doch der Weg dorthin ist steinig: Er muss nicht nur lernen, die unkontrollierbare Kraft zu beherrschen, sondern auch seine eigenen Ängste und Zweifel überwinden, während er sich immer wieder neuen Gefahren und Herausforderungen stellt.
Kritik
Die erste Begegnung mit My Hero Academia Band 1 von Kohei Horikoshi ist wie das Eintauchen in eine Mischung aus klassischer Superhelden-Erzählung und typischem Shōnen-Manga. Von der ersten Seite an fühlt sich die Geschichte gleichzeitig vertraut und spannend an. Für Fans von Superhelden-Comics ist das Setting mit den Macken (Superkräften) sofort zugänglich, während Manga-Leser und -Leserinnen den typischen Weg eines Außenseiters, der seinen Traum verwirklichen will, erkennen werden. Zum Vergleich betrachte man drei weitere starke und weltweit beliebte Charaktere aus der Manga- und Anime-Welt: Naruto Uzumaki aus Naruto, Monkey D. Ruffy aus One Piece und Goku aus Dragon Ball teilen alle den Traum, die Größten und Besten zu werden, und starten ihren Weg dorthin als Außenseiter oder anfangs Unbedeutende.
 Abb. 1: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 30.
Abb. 1: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 30.
Die Handlung von Band 1 stellt den ängstlichen und schüchternen Protagonisten Izuku Midoriya ins Zentrum, der trotz seiner großen Leidenschaft für Helden keine eigenen Kräfte besitzt. Besonders eindrücklich wird seine Faszination für die Heldenfigur in der Szene auf Seite 30 inszeniert (vgl. Abb. 1), als er zum ersten Mal All Might begegnet. Die visuelle Darstellung macht deutlich, wie stark Midoriya diesen Helden idealisiert. Die Ehrfurcht, die Midoriya ausstrahlt, wird nicht nur durch seinen Gesichtsausdruck vermittelt, sondern auch durch die Panel-Anordnung und das Größenverhältnis der Figuren. All Might, der in einem Panel den größten Platz einnimmt und einmal in einem Panel rahmenlos übergroß dargestellt wird, dominiert den Raum und symbolisiert die schier unerreichbare Macht. Das rahmenlose Panel, das All Might zeigt, vermittelt außerdem Zeitlosigkeit, indem es den entscheidenden Moment der ersten Begegnung zwischen All Might und seinem größten Fan Izuku in einem zeitlosen Raum präsentiert, der den Einfluss und die Inspiration, die All Might für zukünftige Generationen hat, unabhängig von Zeit und Ort verdeutlicht (vgl. Abel & Klein 2015, S. 91). Diese Inszenierung erinnert an die visuelle Ikonographie westlicher Superheldencomics, in denen Heldengestalten oft als überlebensgroße Symbole stilisiert werden. Zugleich zeigt sie, wie der Manga seine Panels strategisch nutzt, um visuelle Spannung aufzubauen. Durch die gezielte Platzierung großer Panels für besonders dramatische Momente entsteht eine fast filmische Dynamik und Leser und Leserinnen können diesen Moment als solchen lesen.
 Abb. 2: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 35.
Abb. 2: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 35.
Der Zugang zur Handlung wird ebenso durch Panelgrößen und -anordnungen und durch die Sprech- oder Gedankenblasen über Midoriyas innere Monologe und Gedankenwelt ermöglicht. Besonders die beiden Splash-Panels auf Seite 35, in denen Midoriya sich fragt, ob er jemals in die Fußstapfen seines Idols treten kann, zeigen das Ausmaß seiner Unsicherheit (vgl. Abb. 2). Das Manga thematisiert menschliche Unsicherheiten, die sowohl junge als auch ältere Leser und Leserinnen ansprechen können.
 Abb. 3: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 26.
Abb. 3: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 26.
Was My Hero Academia im Kontext von Comics im Allgemeinen auszeichnet, ist seine effektive Nutzung von Action-Sequenzen und der Wechsel zwischen ruhigen, nachdenklichen Momenten und explosiven Kämpfen. Beispielsweise wird auf Seite 26 einer der ersten großen Kämpfe des Mangas inszeniert: Ein Schurke, der sich in einen gewaltigen, amorphen Schleim verwandelt, greift Midoriya an (vgl. Abb. 3). Die vielen Panels die sowohl Moment-to-Moment als auch Action-to-Action Sequenzen zeigen und die schmalen Gutter sorgen für ein Verständnis der rasant vergehenden Zeit zwischen den einzelnen Ereignissen (vgl. Abel & Klein 2015, S. 85).
 
 Abb. 4: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 14 & 92.
Abb. 4: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 14 & 92.
Ein zentrales Element, das das Manga auszeichnet, ist das fast ausschließlich "korrelative" (Abel & Klein 2015, S. 99) Verhältnis von Bild und Text, trotz der ungleichen Verteilung. Dialoge sind oft kurz und prägnant, während die Zeichnungen die Stimmung und Dynamik der Szene transportieren. Trotzdem kann das Verständnis der gesamten Geschichte nur im Zusammenspiel von Bild und Text erfolgen. Auf einigen, jedoch wenigen Seiten (wie z. B. auf den abgebildeten Seiten 30 und 26) versteht sich die Situation rein auf bildlicher Ebene, auch ohne die Soundwörter. Auch zeigt die Seite 35 auf bildlicher Ebene zwar die Emotionen, die Midoriya zum Gesagten fühlt, aber ohne Text wüssten die Leser und Leserinnen nicht, weshalb er sich in dem Moment so fühlt oder wie seine Gedanken sind. Ein besonders interessantes Merkmal ist die Art der Sprachblase, wenn Midoriya etwas vor sich hin murmelt. Hier wurde der Rand der Sprechblase aus dem winzigen Wort "MURMEL" gezeichnet/kreiert (vgl. Abb. 4). Durch die verschiedenen angewandten Sprechblasen (zackig, wolkenförmig, wellig, rechteckig etc.) liest sich das Manga überwiegend in der entsprechenden Betonung. An einigen Stellen führen die Sprechblasen jedoch zu Verwirrung, da nicht direkt durch die Form klar wird, ob es sich um Gedanken, Gesagtes oder um eine 'Sprecherstimme' handelt. Erst durch den darin enthaltenen Text kann man sich mehr oder weniger denken, welche Funktion sie jeweils übernehmen. Zu den vielfältigen Sprechblasenformen kommen die unterstützenden, enorm oft auftretenden Soundwörter, die den Lesern und Leserinnen das Gefühl ermöglichen, in den Ort des Geschehens einzutauchen und diesen zu 'hören'. Die Mimik und Gestik der Figuren ermöglichen ebenso ein Mitfühlen, so, als wäre man selbst die Figur.
 Abb. 5: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 61.
Abb. 5: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 61.
Was die Zeichnungen in My Hero Academia besonders auszeichnet, ist Horikoshis klare und dynamische Linienführung. Die Charaktere sind deutlich voneinander abgrenzbar und besitzen individuelle, teils überzeichnete Merkmale, die ihre Persönlichkeit widerspiegeln. All Might, beispielsweise, hat extrem kantige Gesichtszüge und breite Schultern, die ihn wie eine Karikatur eines traditionellen Superhelden wirken lassen (vgl. Abb. 5). Diese Überzeichnung passt zur übertriebenen Natur der Superheldenwelt und verstärkt den Kontrast zu den schüchterneren, rundlicheren Zügen von Midoriya. Horikoshi spielt hier nämlich gekonnt mit Schattierungen und Kontrasten und Linien, insbesondere in den Kampfszenen, um Dramatik und dramatische Bewegungen zu erzeugen.
 Abb. 6: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 52 & 53.
Abb. 6: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 52 & 53.
Das Licht-Schatten-Spiel und die Fließlinien auf den Seiten 52-53, als All Might seinen Schlag vorbereitet, lassen den Moment erneut lebendig und hautnah erlebt erscheinen (vgl. Abb. 6). Diese Inszenierung erinnert an typische Actionsequenzen klassischer Superheldencomics, in denen überzeichnete Körperhaltungen, starke Kontraste und lautmalerische Soundwörter den Moment emotional aufladen.
Eine weitere bemerkenswerte Besonderheit in der Farbgestaltung ist die Wahl der Farbe für die Rinnsteine.
 Abb. 7: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 24 & 25.
Abb. 7: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen 2016. S. 24 & 25.
Im gesamten Manga erscheinen diese in Weiß, abgesehen von Rückblenden und Momenten, in denen sich Midoriya an vergangene Situationen erinnert. Wenn die Erzählung anschließend wieder in die Gegenwart zurückkehrt, verläuft der schwarze Rinnstein zurück in seine ursprüngliche Farbe (vgl. Abb. 7). Diese bewusste Farbwahl ermöglicht es den Leser und Leserinnen, klar zu erkennen, dass hier ein Zeitsprung stattfindet, und erleichtert das Verständnis des narrativen Wechsels.
Das Manga My Hero Academia Band 1 wurde von insgesamt 150.000 Anime-Fans auf Platz 16 von 50 bewertet, was zeigt, dass er recht beliebt und bekannt ist (vgl. Hirsch 2021). Auf der Website Myanimelist, auf der sich Anime- und Manga-Fans austauschen und Bewertungen hinterlassen können, stieß ich auf zwei der meist bewerteten Rezensionen zum Manga. Die erste Rezension hebt hervor, dass der Manga durch seine starke Charakterentwicklung und sein konsistentes, detailreiches Artwork überzeugt. Besonders der Hauptcharakter Midoriya und sein Rivale Bakugou werden als tiefgründig und spannend beschrieben. Midoriya wird als intelligenter Protagonist dargestellt, der die Kämpfe strategisch angeht und sich von anderen typischen Shōnen-Helden unterscheidet. Der Rezensent bewertet die Handlung mit einer 7, da sie noch Potenzial zur Entfaltung hat, während die Kunst und der Genuss beim Lesen jeweils mit einer 10 bewertet werden. Insgesamt gibt dieser Rezensent dem Manga eine 9 von 10, wobei er überzeugt ist, dass die Serie weiter wachsen wird. Die zweite Rezension hingegen ist deutlich kritischer. Der Leser sieht My Hero Academia als klischeehaft und vorhersehbar an, besonders im Vergleich zu anderen Shōnen-Serien wie Naruto oder Hunter x Hunter. Die Handlung wird als überladen mit typischen Highschool-Klischees empfunden und die Charaktere wirken für diesen Rezensenten eher stereotypisch. Besonders die Rivalität zwischen Midoriya und Bakugou sowie die Kämpfe werden als langweilig und wenig innovativ beschrieben. Die Kämpfe seien weniger actionreich und fokussierten sich zu sehr auf Strategie, was dem Rezensenten missfiel. Die Rezension schließt mit einer enttäuschenden Bewertung von 4 von 10 ab.


 Abb. 8: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen. S. 165-167.
Abb. 8: Horikoshi: My Hero Academia. Hamburg: Carlsen. S. 165-167.
Ich persönlich finde das Manga interessant gestaltet. Trotz der Klischees und der eher westlich anmutenden Welt, durch die Highschool-Umgebung oder All Might, der an Superman erinnert, bietet es eine interessante Mischung. Verglichen mit dem Anime finde ich, dass das Manga viel mehr kleine Details enthält, die in der Serie leicht übersehen werden können. Es ist eine andere Art der Rezeption, aber durch das Umblättern und Zurückblättern erhält man ein tieferes Gefühl für die Geschichte. Die Seiten 165-167 zeigen bspw. die Anstrengung und extreme Konzentration, die Midoriya bei einer Prüfung aufbringen muss, um seine neu erlangte Kraft zu kontrollieren (vgl. Abb. 8). Dieser Eindruck wurde durch sein wiederholtes Murmeln und die Fließlinien sowie fotografischen Schlieren verstärkt, was die Intensität dieser Szene im Manga besonders deutlich macht. Diese Mischung aus gutem Artwork, tiefgründigen Charakteren und differenzierten Details macht das Manga zu einer interessanten Leseerfahrung.
Fazit
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass My Hero Academia Band 1 durch die Kombination aus einfacher Lesbarkeit und tiefgründiger Erzählweise auch für ältere Leser und Leserinnen interessant sein könnte. Die Redaktion empfiehlt das Manga zwar für Kinder ab 10 und bis zum Alter von 99 Jahren, jedoch erscheint eine Nutzung ab etwa 12 Jahren sinnvoll, da es Monster und Verletzungen zeigt. Die Schwarz-Weiß-Darstellung trägt dazu bei, diese Szenen in ihrer Wirkung abzumildern, ohne den dramatischen Gehalt der Handlung zu verringern, so wie beispielsweise Midoriyas gebrochener Finger.
Im schulischen Kontext, besonders im Deutschunterricht, könnte das Manga interessant sein, da es sich gut für eine Interpretation oder einer Analyse von Comics eignet, beispielsweise durch die Panelstruktur, die Sprechblasen und die Bild-Text-Verknüpfung. Solche Merkmale erlauben es, die Geschichte auf verschiedenen Ebenen zu verstehen und zu analysieren.
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Horikoshi, Kohei (2016): My Hero Academia. Vol. 1 Izuku Midoriya Origin. Hamburg: Carlsen.
Sekundärliteratur
Abel, Julia & Klein, Christian (2015) Comics und Graphic Novels: Eine Einführung. Berlin: J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung.
Quellen:
Hirsch, Robin (2021): Ranking: 150.000 Fans wählen die Top 100 besten Manga, Anime2You, [online] https://www.anime2you.de/news/448598/ranking-150-000-fans-waehlen-die-top-100-besten-manga/ [abgerufen am 09.10.2024].
MyAnimeList (o.D.) Boku no Hero Academia reviews. [Online] https://myanimelist.net/manga/75989/Boku_no_Hero_Academia/reviews [abgerufen am 10.10.2024].
- Name: Horikoshi, Kohei
- Name: Bartholomäus, Gandalf
- Name: Horikoshi, Kohei
 
										