Inhalt und Gameplay

Zagreus (kurz: Zag) ist der Sohn des Unterweltgottes Hades und der Göttin der Nacht Nyx. Zumindest wurde ihm das sein Leben lang erzählt. Jedoch machen sich Zweifel in ihm breit und er begibt sich auf die Suche nach seiner wirklichen Mutter und macht sich dafür auf den Weg an die Oberfläche. Hierfür kämpft er sich durch das Reich seines Vaters und reist durch den Tartaros, den Aphodiliengrund und das Elysion. Auf seinem Weg nach oben eilt ihm seine olympische Verwandtschaft zur Hilfe und sendet göttlichen Beistand im Kampf gegen die Kreaturen der Unterwelt. Zags Vater Hades ist jedoch nicht einverstanden mit seinem Fluchtversuch und kommandiert hochkarätige Unterweltbewohner*innen, seinen Sohn aufzuhalten. Mit jedem Tod – und gestorben wird oft – wird Zag den Unterweltfluss Styx hinab zurück in das Haus des Vaters befördert. Er entsteigt dem Blutfluss, läuft vorbei am väterlichen Schreibtisch (Abb. 1), um nach einigen Gesprächen im Salon erneut mit seinem Ausbruch zu beginnen. Dabei erfährt er immer mehr über die verworrenen Umstände seiner Geburt und den ewigwehrenden Disput zwischen Unterwelt und Olymp.

Super Giant Games Hades Abb 1Abb. 1: Zag steht vor dem Schreibtisch seines Vaters. Hades (2020).

Hades ist ein Roguelike-Hack 'n' Slay-RPG und die meiste Spielzeit verbringen die Spieler*innen mit Metzeln, Ausweichen und Sterben. Obgleich man nach jedem Tod erneut von vorn beginnt, werden im Laufe der Zeit einige permanente Charakterverbesserungen sowie weitere Waffen erspielt, die so ein stetiges Vorankommen ermöglichen. Die zu durchlaufenden Räume und die zu bekämpfenden Kreaturen variieren wiederum bei jedem Neustart ein wenig. Spezielle kriegerische Fähigkeiten, Waffenupgrades und Boni in Form von göttlichen Gaben müssen indes bei jedem Durchlauf aufs Neue erspielt werden. Durch die Kombination der unterschiedlichen Fähigkeiten ergibt sich somit eine Vielzahl an unterschiedlichen Characterbuilds, die keine Langeweile aufkommen lassen.

Super Giant Games Hades Abb 2Abb. 2: Im Tartaros kämpft Zag gegen elende Kreaturen. So übersichtlich wie auf diesem Screensot ist das Spielgeschehen jedoch selten. Hades (2020).

Kritik

Gemeinhin ist das Sterben in Games ein narratives Problem. Die Spielfigur stirbt und respawnt. Das ist magisch oder auch unlogisch, je nach Betrachtungsweise. Doch besonders im Roguelike-Genre gehört der Tod zum spielerischen Alltag dazu. Jason Tocci setzt sich bereits 2008 in einem Essay mit dem Sterben in Videospielen auseinander. Er stellt fest, dass der In-Game-Tod in der Regel als eine unnötige Unterbrechung der Erzählung erscheint, hervorgerufen durch die spieletypische Struktur von Versuch und Irrtum, Sterben und Wiederholen (Tocci 2008, 187). Im Fall von Hades erscheint der Tod der Hauptfigur jedoch weniger als Unterbrechung der Game-Erzählung. Vielmehr ist das ewige Sterben und Neubeginnen konstitutiver Teil der Handlung. Tocci spricht in diesem Fall von "Diegetic Explanations for Rebirth" (Tocci, 193), also einer logischen Erklärung der Wiedergeburt im Rahmen der Spielwelt. Obgleich solche fiktional kohärenten Erklärungen für den Tod selten sind, wie Tocci feststellt, erscheint Hades hier als ein Paradebeispiel.  

Das Game schafft es also auf eine außerordentliche Weise, die Spielhandlung mit der Spielmechanik zu verbinden. Diese Form der ludonarrativen Konsonanz (vgl. Madeheim 2021, 140) lässt den Spieltod nicht als lästige Unterbrechung der Spielhandlung erscheinen. Im Gegenteil: Das ständige Sterben der Spielfigur ist nicht nur logischer Bestandteil der Spielwelt, es ist zudem essenziell, um die Handlung voranzutreiben.

Der permanente Neubeginn und der ewiggleiche Kampf gegen dieselben Widersacher werden wiederum auch von den anderen Figuren treffend thematisiert. So hält etwa Zwischenboss Mageria (eine der drei Erinyen bzw. Furien) nach dem wiederholten Antritt gegen Zag fest, dass es eben die Aufgabe der unsterblichen Gottheiten sei, immer wieder gegeneinander zu kämpfen. Ihr Tod als Gott bzw. Göttin bedeutet lediglich, über den Styx wieder in die Unterwelt befördert zu werden. Und so ist es nicht verwunderlich, dass Zag bei seinen stetigen Fluchtversuchen nicht nur zu Sisyphos eine freundschaftliche Beziehung aufbaut, sondern auch zu dessen Stein (Abb. 2). Die Parallele zur Erzählung des korinthischen Königs, der zur Strafe auf alle Ewigkeit einen riesigen Stein einen steilen Berg hinaufrollen muss, nur um ihn kurz vor Schluss wieder hinabrollen zu sehen, ist hier mehr als treffend gewählt.

Super Giant Games Hades Abb 2Abb. 3: Der erste Besuch bei Sisyphos und dessen Stein. Hades (2020).

Beim Spielen von Hades tauchen die Spieler*innen tief ein in die Welt der antiken Mythologie, die auf sehr ansprechende Weise abgebildet wird. Jedoch werden nicht nur Kenner*innen des antiken Stoffes hier ihre Freude haben. Mit 'Zagreus' greift das Entwicklungsstudio indes auf eine mythologische Figur zurück, die weitestgehend unbekannt ist und sich je nach herangezogener antiker Quelle unterschiedlich konstituiert. Ein kurzer Blick ins Who's who in der antiken Mythologie (2014) zeigt eine divergente Quellenlage. Aischylos etwa benennt Zagreus als den Sohn des Hades (Aischylos: Fr. 228). Andere Quellen jedoch verweisen auf eine andere Elternschaft (Nonnos: Dionysiaka VI 155–278). Das Game spielt wiederum hervorragend mit der unterschiedlichen Quellenlage, wenn Zag in den zahlreichen Gesprächen die Umstände seiner Geburt erörtert und hierbei ebenfalls auf andere mögliche Versionen seiner selbst anspielt. Darüber hinaus erweist sich die Spielwelt samt ihrer Bewohner*innen nicht nur als stimmiges Setting, das Game vermittelt zudem auch reichlich Wissen über die antike Mythologie. So stellt die Figur Achilles nach einiger Zeit ihren Kodex zur Verfügung: ein ausführliches Informationswerk über Welt und Figuren. Dort finden die Spielenden knapp zwanzig chthonische und olympische Gottheiten sowie andere wichtige Figuren der antiken Mythologie wie etwa den Musikanten Orpheus, Theseus und Asterios oder auch Kerberos, den dreiköpfigen Unterwelthund.

Fazit

Das Game Hades ist ein außerordentlicher Vertreter des Roguelike-Genres, das es auf bravouröse Weise versteht, das genreimmanente Vielsterben der Spielfigur zum elementaren Bestandteil der Spielhandlung zu machen. Mit der Mythenwelt der griechischen Antike als Rahmen der Spielhandlung samt seiner Verarbeitung hin zu einer ironischen Coming-Out-Of-Age-Erzählung präsentiert Hades seinen Spieler*innen ein gelungenes Gesamtwerk, in dem sich actiongeladene Metzelabenteuer und spannendes Familiendrama die Waage halten. Geeignet ist es ab zwölf Jahren. 

Literatur

Fink, Gerhard: Who's who in der antiken Mythologie. 19. Aufl. München: dtv 2014. 

Hades. Supergiant Games. MacOS 2020.

Madeheim, Marvin: Games, bildliches Erzählen und visuelle Literalität. GRIS im Unterricht. In: "Loading…" Game Studies Interdisziplinär. Hrsg. v. Tamara Bodden, Marvin Madeheim u. Annegret Montag. Paderborn: Fink 2021. S. 135–148. 

Tocci, Jason: "You Are Dead. Continue?": Conflicts and Complements in Game Rules and Fiction. In: Eludamos. Journal for Computer Game Culture 2 (2008) 2. S. 187–201.

Titel: Hades
Plattformen: Sony Playstation 5 , Sony Playstation 4, Mac OS, Microsoft Windows (PC), Nintendo Switch, Microsoft Xbox Series s/x, Microsoft Xbox One
USK: 12 Jahre
Entwicklungsstudio: Supergiant Games
Erscheinungsjahr: 2020
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
Supergiant Games: Hades