Inhalt
Die Monografie gliedert sich in acht Kapitel. In der Einleitung erklärt die Autorin nicht nur den Aufbau der Arbeit, sondern begründet auch die Relevanz des Themas vor dem Hintergrund der hochaktuellen Frage, welche Auswirkungen die Reproduktion rassistischer Stereotype in Medien auf Betroffene hat. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob Kinder rassistische Stereotypisierung in den TKKG-Hörspielen im eigenen Rezeptionsprozess wahrnehmen und wenn dies zutreffend: wie sie diese beschreiben. Im zweiten Kapitel folgt eine begriffliche Auseinandersetzung mit (Anti-Schwarzem-)Rassismus und rassistischen Machtverhältnissen. Die Autorin begründet außerdem die Verwendung von Selbstbezeichnungen und politischen Konzepten wie „Schwarz“ und „Person of Colour“. Akue-Dovi bezieht sich dabei auf moderne Rassismusdefinitionen aus dem angloamerikanischen Raum, die Rassismus als ideologischen Diskurs und Ausdruck von Machtbeziehungen beschreiben (vgl. Miles 2000, 2014).
Im dritten Kapitel stellt die Autorin die Entwicklung von Kinder- und Jugendhörspielen im deutschen Sprachraum in den letzten 100 Jahren sowie die Hörspielreihe TKKG vor. Im vierten Kapitel erfolgt dann eine rassismuskritische Auseinandersetzung mit eben jener Hörspielreihe, welche auf der Definition von Rassismuskritik aufbaut und an die aktuelle Debatte um Rassismus in Kinder- und Jugendliteratur anknüpft. Akue-Dovi illustrierte diese Debatte u.a. anhand der Positionen von Benz (2010), Ogette (2018), Brilling/Sharif 2014) und Haruna (2014). Die Autorin stellt heraus, wie in den TKKG-Hörspielen von Stigmatisierungs- und Zuschreibungsmechanismen Gebrauch gemacht wird, nach denen nicht-weiße Figuren auf Grund ihres Aussehens verdächtigt und schließlich als Täter*innen entlarvt werden. Im fünften Kapitel erfolgt die Herleitung der Forschungsfrage: „Wie nehmen Schwarze Kinder und Jugendliche die Reproduktion von rassistischen Stereotypen und Vorurteilen in der Kinderhörspielreihe TKKG wahr?“ (S. 44).
Nachfolgend erläutert Akue-Dovi im sechsten Kapitel die methodische Vorgehensweise zur Beantwortung der Fragestellung: die Erhebungsmethode erfolgt mittels einer Gruppendiskussion, an der vier Schwarze Kinder zwischen 8 und 13 Jahren teilgenommen haben, die sich aus einer Begegnungsstätte für Schwarze, afrikanische und afrodiasporische Menschen kannten. Die Teilnehmenden hörten Ausschnitte aus drei ausgewählten TKKG-Folgen: Folge 2 Der blinde Hellseher (1981), Folge 6 Angst in der 9a (1981) und Folge 33 Wer raubte das Millionenpferd (1984). Daraufhin wurden sie anhand eines Leitfadens zu Auffälligkeiten, Stereotypen, Vorurteilen und ihren Gefühlen diesbezüglich, sowie Überlegungen zur Intention des Autors und zu eigenen Wünschen an zukünftige Hörspiele befragt. Die Ergebnisse werden im siebten Kapitel mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Akue-Dovi bildet dazu acht Kategorien, die unter anderem Bezug auf den Hörspielkonsum, die Autorintention, die Lebensrealität der Teilnehmenden und die Wahrnehmung von rassistischen Stereotypen, Vorurteilen und Ungleichbehandlung Bezug nehmen. Die Darstellung der Daten erfolgt anhand von Ankerzitaten aus der Gruppendiskussion, anhand derer die Autorin die verschiedenen Kategorien illustriert.
Aus der Auswertung der Diskussionen in Kapitel 7 leitet die Autorin die Erkenntnis ab, dass „einige der Teilnehmenden die Reproduktion von rassistischen Stereotypen und Vorurteilen in den Hörspielszenen wahrnehmen“ (S. 84). Die Teilnehmenden benennen diese direkt oder indirekt über die „Beschreibungen von Ungleichbehandlungen entlang rassismusrelevanter Markierungen“ (ebd.). Der älteste Teilnehmer Paul (13 Jahre) verfügt bereits über Vor- und Faktenwissen zum Thema Rassismus: Er benennt verallgemeinernde Bezeichnungen für nicht-weiße Personengruppen als vorurteilshaft oder definiert auf Nachfrage der anderen Teilnehmenden den Begriff ‚Rassismus‘. Die Teilnehmenden Jordan (13 Jahre) und Jana (8 Jahre) erkennen genauso, dass Figuren in den Hörspielen aufgrund ihrer Herkunft pauschal verdächtigt werden und bewerten dies negativ. Die Teilnehmende Lara (9 Jahre) hält sich in der Diskussion eher zurück und benennt rassistische Stereotype oder Vorurteile nicht.
Im achten Kapitel und Fazit stellt die Autorin die Forschungserkenntnisse differenziert dar, verweist auf Grenzen ihrer Untersuchung und benennt offene Fragen. Aus der Erkenntnis, dass die befragten Kinder die rassistische Stereotypisierungen wahrnehmen, auf ihre eigene Lebensrealität beziehen und den Wunsch nach Figuren äußern, mit denen sie sich identifizieren können, leitet die Autorin im Fazit Schlussfolgerungen für einen diskriminierungssensiblen Umgang mit Kindermedien ab. Dass die Reproduktion von Rassismus in Kindermedien potenziell verletzende Auswirkungen auf von rassistischer Diskriminierung betroffene Kinder haben kann und dass sich an die „Kinderbuchdebatte“ die Notwendigkeit von Inhalten, die Schwarze und Kinder of Colour genauso repräsentiert wie weiße Kinder, anschließt, wird in der Argumentation der Autorin sehr gut ersichtlich.
Kritik
Kindermedien und Rassismuskritik. Wie Schwarze Kinder die Reproduktion von Rassismus in TKKG-Hörspielen wahrnehmen ist eine klar strukturierte und präzise, wissenschaftlich argumentierende Monografie. Vor dem Hintergrund, dass diese auf Grundlage einer Masterarbeit entstanden ist, übersteigt besonders die sehr umfangreiche qualitative Untersuchung die Anforderungen einer Qualifikationsarbeit wie dieser bei Weitem. In Erweiterung der Analyse wäre es aufschlussreich, die Stichprobe zu vergrößern oder auch eine Diskussion mit Kindern in verschiedenen Altersstufen durchzuführen.
Besonders positiv fällt auf, dass die Autorin großen Wert auf eine diskriminierungssensible und forschungsethisch korrekte Herangehensweise legt. So reflektiert Akue-Dovi vor der Darlegung der eigentlichen Erhebungs- und Auswertungsmethode ausführlich forschungsethische Prinzipien zur Befragung von Minderjährigen. Ebenso erfolgt eine begründete Selbstpositionierung als Schwarze Wissenschaftlerin: Die Gruppendiskussion folgt dem Prinzip, einen sicheren Raum für Schwarze Kinder zu schaffen, an welchem sie gemeinsam mit einer Schwarzen Interviewerin „kollektive Erfahrungen in Bezug auf Anti-Schwarzen Rassismus“ (S. 5) austauschen können. Die Auswahl der Szenen aus den TKKG-Hörspielen erfolgt verantwortungsvoll und klammert bewusst Hörspielszenen aus, „die brutale und verletzende sowie stark belastete Sprache und Begriffe“ (S. 53) wie das N-Wort beinhalten.
Fazit
Abschließend lässt sich feststellen, dass Kindermedien und Rassismuskritik. Wie Schwarze Kinder die Reproduktion von Rassismus in TKKG-Hörspielen wahrnehmen auf einer theoretischen Ebene eine präzise Übersicht über moderne Rassismustheorie als auch über Rassismuskritik in Kinder- und Jugendmedien, speziell in TKKG-Hörspielen, gibt. Darauf aufbauend setzt sich die Monografie auf Grundlage einer qualitativen Untersuchung mit der Wahrnehmung Schwarzer Kinder von rassistischen Sequenzen in TKKG-Hörspielen auseinander und bestätigt darin die Verletzungsmacht von der Reproduktion rassistischer Stereotype in Kinder- und Jugendmedien für nicht-weiße Kinder.
Literaturverzeichnis
Benz, Wolfgang (Hrsg.): Vorurteile in der Kinder- und Jugendliteratur. Berlin: Metropol, 2010.
Brilling, Julia und Bahareh Sharifi: Kinderliteratur jenseits von Vorurteilen und hegemonialer Weltbilder. https://heimatkunde.boell.de/de/2014/02/24/ich-mache-mir-die-welt-wie-sie-mir-gefaellt-kinderliteratur-jenseits-von-vorurteilen-und (zuletzt abgerufen am 17.06.2023).
Haruna, Hadija: Worte verfestigen Bilder und Sprache macht Rassismus: Eine Handlungsanleitung für einen kritischen Sprachgebrauch. Dokumentation der Fachtagung „Sprache – Macht – Rassismus. Düsseldorf: Diakonie, 2014.
Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. Weinheim, Basel: Beltz, 2015.
Miles, Robert: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie. Hamburg: Argument, 2014.
Miles, Robert: Bedeutungskonstitution und der Begriff des Rassismus. In: Theorien über Rassismus. Hrsg. von Nora Räthzel. Hamburg: Argument, 2000, S. 17-33.
Ogette, Tupoka: exit RACISM: Rassismuskritisch denken lernen. Münster: UNRAST, 2018.
- Name: Adolé Akue-Dovi