Inhalt

In dem Ferienlager 'Seebühl am Bühlsee' lernen sich Luise Palfy (Isa Günther) und Lotte Körner (Jutta Günther) kennen und stellen verwundert fest, dass sie sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Allerdings besteht die Ähnlichkeit nur optisch, denn charakterlich scheint die Eine das Gegenstück der Anderen zu sein. Während Lotte sich gehorsam dem Willen der Erwachsenen fügt, ist Luise ungehorsam und widerspricht gerne.

Nach anfänglicher Rivalität finden die beiden heraus, dass sie Zwillinge sind, die von ihren Eltern nach der Scheidung getrennt wurden. Die Eltern ließen sich scheiden und behielten je einen der Zwillinge: Lotte lebt bei der Mutter in München, Luise bei dem Vater in Wien. Der sehnlichste Wunsch der Zwillinge ist es, die auseinander gerissene Familie wieder zu vereinen.

Also tauschen sie die Rollen: Luise fährt als Lotte zu ihrer Mutter, Lotte als Luise zu ihrem Vater. Zunächst fällt der Schwindel nicht auf und beide freuen sich darüber, Vater bzw. Mutter endlich kennenzulernen. Als Lotte aber erfährt, dass der Vater vorhat, eine andere Frau zu heiraten, wird sie aus Kummer schwer krank. Währenddessen hat Luise in München der Mutter das Verwechslungsspiel gestanden. Diese reagiert aber verständnisvoll und ist froh darüber, endlich den zweiten ihrer Zwillinge kennenzulernen, ebenso auch der Vater, als er erfährt, dass Luise in Wirklichkeit Lotte ist.

In Wien trifft die ganze Familie an Lottes Krankenbett aufeinander. Die Eltern erkennen, dass sie noch Gefühle füreinander hegen und erfüllen den Wunsch der Töchter, es noch einmal miteinander zu versuchen. Sie heiraten erneut und bleiben mit den Zwillingen als glücklich vereinte Familie in Wien.

Abb. 1: Screenshot aus Das doppelte Lottchen (1950). Verleih: Carlton Film.Abb. 1: Screenshot aus Das doppelte Lottchen (1950). Verleih: Carlton Film.

Kritik

Der Film wird gerahmt durch die Erzählstimme Erich Kästners aus dem Off, die mehrere Funktionen übernimmt. Eine davon ist die Einführung des Settings und der Protagonisten. Daneben steht der erzählerische Kommentar, der Bezug zur Gedanken- und Gefühlswelt der Kinder und Erwachsenen nimmt.

Die Erwachsenenwelt wird meist mit ironischen Kommentaren versehen, wie: "Ein Glück, dass der Pepperl' (der Hund des Hofrats) gescheiter ist als der Herr Hofrat" (dieser entdeckt das Verwechslungsspiel nämlich sofort, weil er Lottes Geruch nicht zuordnen kann). Die Innenansicht der Kinderwelt allerdings wird mit viel Gefühl und Verständnis verbalisiert. Aus dieser Gegenüberstellung entwächst ein Kontrast, der für den kindlichen Zuschauer folgende Schlussfolgerung zulässt: Die eigentlichen Dummen sind die Erwachsenen. Luise und Lotte sorgen dafür, die richtige Ordnung wieder herzustellen, indem sie Vater und Mutter einander näher bringen.

Von Bakys Verfilmung zeigt eine besondere Wertschätzung kindlicher Gerissenheit, unterstützt durch den schauspielerischen Einsatz des Zwillingspaars Isa und Jutta Günther in der Rolle der Luise und Lotte. Beide entsprechen äußerlich den Beschreibungen des Kinderromans, sind brav und züchtig gekleidet, haben es aber sprichwörtlich 'faustdick hinter den Ohren'. Die Verkörperung des gegensätzlichen Charakters des Zwillingspaars gelingt ihnen durch den Einsatz von Stimme, Gestik und Mimik.

Jutta Günther (Lotte) lässt sich an ihrem Gesichtsausdruck beispielsweise kaum den Schmerz anmerken, als Luise sie unter dem Tisch ins Schienbein tritt. Dies steht symptomatisch für ihren Charakter: Sie handelt stets wohl überlegt und versucht äußerlich die Haltung zu wahren. Nicht so ihre (Film-)Schwester Isa Günther: Sie brüllt häufig statt zu reden und gestikuliert wild mit ihren Händen, etwa als sie Anni Habersetze, einem frechen Mädchen, Prügel androht. Im Vergleich können die beiden den Unterschied zwischen sittsamer Gehorsamkeit und wilder Ungezügeltheit gut herausarbeiten.

Kästner gilt als erster deutscher Nachkriegsautor, der offen über das Thema Scheidung schreibt. Das Thema des Films, und die Art und Weise, wie Kästner mit diesem umgeht, ist allerdings auch für die heutige Zeit relevant. Dies zeigt sich auch darin, dass der Stoff von vielen weiteren Regisseuren der jüngeren Kinogeschichte adaptiert wurde. Dazu zählen u. a. die deutsche Verfilmung Charlie und Louise (1994) von Joseph Vilsmaier sowie die US-amerikanische Variante der Regisseurin Nancy Meyers Ein Zwilling kommt selten allein (1998), die Lindsay Lohan berühmt machte. Die Figuren der Lotte und Luise bleiben also auch für die heutige Kindergeneration als Identifikationsfiguren erhalten, denn sie spiegeln das Grundmotiv kindlicher Sehnsucht, in einer intakten Familie leben zu wollen, wider.

Die enge Zusammenarbeit mit Kästner trägt dazu bei, dass von Bakys Film die werkgetreuste Adaption des Buches darstellt. Dies ist wenig verwunderlich, schließlich hatte Kästner Das doppelte Lottchen unter dem Titel  Das große Geheimnis ursprünglich als Filmstoff entwickelt. Aufgrund eines von den Nationalsozialisten verhängten Schreibverbots musste er die weitere Arbeit für den mit von Baky geplanten Film jedoch zeitweise ruhen lassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete Kästner das Filmtreatment in einen Roman um, der schließlich durch von Baky verfilmt wurde.

Abb. 2: Screenshot aus Das doppelte Lottchen (1950). Verleih: Carlton Film.Abb. 2: Screenshot aus Das doppelte Lottchen (1950). Verleih: Carlton Film.

Fazit

Der authentische Erzählstil des Kinderbuchautors, der sich besonders durch ein hohes Einfühlungsvermögen in die kindlichen Protagonisten auszeichnet, wird durch die Nähe zur Vorlage beibehalten. Das Ende des Films feiert das Idealbild der Familie und verkörpert das – zugegeben – etwas altmodische 'Heile-Welt-Bild' eines Heimatfilms der 50er Jahre. Aber es setzt für die kindlichen Zuschauenden doch ein großes Zeichen, weil ihre Wünsche zumindest im Film erfüllt werden. Ende gut, alles gut!

Titel: Das doppelte Lottchen
Regie:
  • Name: von Báky, Josef
Drehbuch:
  • Name: Kästner, Erich
Erscheinungsjahr: 1950
Dauer (Minuten): 105
Altersempfehlung Redaktion: Unter 2 Jahre
FSK: 0 Jahre
Format: DVD/Blu-ray
Das doppelte Lottchen (Josef von Baky, 1950)