Inhalt

Sali (Kostja Ullmann) steht kurz vor seinem Abitur, als plötzlich verschwommene Flecken in seinem Sichtfeld auftauchen. Diese entpuppen sich als Symptome einer rapiden Netzhautablösung. Um zumindest fünf Prozent seiner Sehkraft erhalten zu können, muss Sali sofort operiert werden. Ein Schock für den Schüler, der schon immer davon geträumt hat, nach seinem Abitur eine Ausbildung zum Hotelfachmann zu absolvieren. Doch auch mit seiner stark eingeschränkten Sehfähigkeit will er sich nicht unterkriegen lassen: Er schafft sein Abitur und bewirbt sich bei vielen Hotels auf einen Ausbildungsplatz. Diese lehnen ihn jedoch aufgrund seines Handicaps alle ab und auch das Arbeitsamt weist ihn nicht gerade sanft darauf hin, dass er seine Träume über Bord werfen soll. Damit will Sali sich aber nicht zufrieden geben und bewirbt sich beim Bayerischen Hof in München – diesmal jedoch ohne seine Sehbehinderung anzugeben. Es folgt die Schilderung einer rasanten Ausbildungszeit, geprägt von Höhen und Tiefen, vor allem aber gespickt mit viel Hoffnung und Humor.

Kritik

Der Zuschauer kann Mein Blinddate mit dem Leben wortwörtlich abwechselnd durch die Augen zweier Figuren mitverfolgen. Mal zeigen die Filmbilder die Welt so, wie Menschen mit normalem Sehvermögen sie sehen können, mal zeigen sie die Welt so, wie Sali sie sieht: eine zur Unkenntlichkeit verschwimmende Fläche mit schwachen Konturen und ineinander übergehenden Farben. Auf diese Weise vermittelt der Film authentisch Salis Situation und ermöglicht es den Zuschauern, sich selbst ein Bild davon machen, welche Schwierigkeiten diese Art des Sehens im Alltag verursacht. Zugleich sieht man Sali auch mit den Augen anderer Figuren, die seine Unfähigkeit, richtig zu fokussieren, Blickkontakt herzustellen und Hindernisse sowie Barrieren zu erkennen, nicht sofort bemerken. Genau diese Details fokussiert aber die Kamera, um die Zuschauer darauf aufmerksam zu machen.

Sali orientiert sich indes vor allem über Gerüche und Geräusche. Töne werden  deshalb verstärkt und viel intensiver eingespielt, wenn man die Welt aus Salis Augen sieht. Befindet er sich jedoch in Stresssituationen, überlappen sich die Klänge und man kann einzelne Geräusche nicht mehr herausfiltern. Sehr interessant ist zudem die Einführung Lauras (Anna Maria Mühe), Salis großer Liebe. Sali nimmt sie das erste Mal in der Küche des Hotels wahr. Allein am Klang ihrer Stimme macht er fest, dass sie es ist, der er sein Herz schenken muss. Mühes Stimme besitzt tatsächlich so großen Wiedererkennungswert, dass man selbige immer wieder unter den anderen ausmachen kann. Der Zuschauer betrachtet Laura jedoch zunächst immer nur aus Salis fast blinder Sicht. Dadurch wird auch die Spannung geschürt, wie sie letztendlich aussieht. Erst als Sali sie das erste Mal zusammen mit einem sehenden Menschen an seiner Seite fokussiert, wird Laura aus einer klaren Sicht gezeigt. Ihre Bedeutung für den weiteren Verlauf der Handlung (und für Sali) wird so geschickt kenntlich gemacht.

Somit wird das Thema Behinderung sehr realistisch aufgegriffen und umgesetzt. Doch nicht nur die verschwommene Sicht Salis gibt den Rezipienten einen authentischen Einblick in sein Leben. Auch der Umstand, dass Sali die Ausbildung ohne die Hilfe anderer niemals schaffen würde, stellt sein Handicap ungeschönt dar. So erhält er vor allem Unterstützung von seinem Ausbilderfreund Max (Jacob Matschenz), der ihm oft nach Dienstschluss hilft, sich im Hotel zurechtzufinden und Fertigkeiten wie das Cocktailmixen mit nur vier Sinnesorganen zu perfektionieren. Dies gelingt Sali jedoch nach einigem Üben sehr gut, da sein Gedächtnis auch die kleinste Information sofort abzuspeichern scheint. Allerdings ist dies nur eingeschränkt von Vorteil, was anhand eines Beispiels sehr realitätsnah veranschaulicht wird: Als Sali spontan seine Fertigkeiten an der Wurstschneidemaschine demonstrieren soll, passiert das Unvermeidliche. Er schneidet sich in den Finger und sein Ausbilder in der Küche wird auf Sali aufmerksam. Unverhofft erhält Sali schließlich auch von diesem Unterstützung: Stillschweigen gegenüber dem Manager des Hotels. Somit wird deutlich, dass Sali kein Ausnahmetalent ist, sondern nur mit Unterstützung und einer Prise Glück seine Ausbildung bestehen kann.

Um die ergreifende Note des Films etwas abzudämpfen, wird Mein Blinddate mit dem Leben mit viel Humor gesalzen. Verantwortlich hierfür ist Salis Freund Max, der die Ausbildung zusammen mit ihm durchläuft. Max sorgt mit seiner unkonventionellen Art, viel Schlagfertigkeit, Sarkasmus und Zynismus nicht nur für amüsante Szenen, sondern heitert auch Sali ein ums andere Mal auf. Doch auch die Missgeschicke, die Sali aufgrund seiner eingeschränkten Sehfähigkeit widerfahren, laden zum Schmunzeln ein. 

Der einzige Schwachpunkt des Filmes ist die Darstellung einer schnellen Entwöhnung von Drogen, denen Sali aufgrund der enormen Belastung verfällt. Nachdem er im Film seinen persönlichen Tiefpunkt erlebt hat, scheinen die Drogenprobleme wie nie da gewesen. Da Mein Blinddate mit dem Leben aber einen ganz anderen Fokus setzt, kann über diese Schwachstelle leicht hinweggesehen werden.

Die Figur Sali zeigt den Zuschauern des Films so auf eine lustig-ernsthafte Weise, dass man an sich selbst glauben, aber auch seine Grenzen kennen muss. Natürlich ist Sali auf Unterstützung angewiesen, aber er entwickelt bemerkenswerte Fähigkeiten, sich ohne seine Sehfähigkeit im Hotel und in der Öffentlichkeit zu orientieren. Sali verdeutlicht jedoch auch, dass Ehrlichkeit vielleicht nicht immer hilfreich oder förderlich ist, aber in gewissen Situationen einfach unumgänglich ist. Es gilt, abschätzen zu lernen, wann die Wahrheit und wann eine Lüge vonnöten ist.

Hervorgehoben werden sollte an dieser Stelle die schauspielerische Leistung Kostja Ullmanns. Er schafft es auf eine beeindruckte Weise, den Zuschauer durch seine unfokussierten Augen und unsicheren Gang wirklich glauben zu lassen, er wäre stark seheingeschränkt. Auch die Wandlung von einem selbstsicheren und starken jungen Mann zu einer zeitweise gebrochenen und überlasteten Persönlichkeit stellt er gekonnt und glaubwürdig dar.

Fazit

Mein Blinddate mit dem Leben beschäftigt sich zwar mit einem sehr ernsten Thema, bei dem es dem einen oder anderen kalt den Rücken hinunterläuft, demonstriert Kindern und Jugendlichen ab zwölf aber auch, dass Aufgeben niemals als erste Option in Frage kommen sollte. 

Titel: Mein Blinddate mit dem Leben
Regie:
  • Name: Rothemund, Mark
Drehbuch:
  • Name: Ziegenbalg, Oliver
  • Name: Toma, Ruth
Erscheinungsjahr: 2017
Dauer (Minuten): 111
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
FSK: 0 Jahre
Format: Kino