Inhalt

Die Haupthandlung von Luca Guadagninos Film spielt im Sommer 1983 in Norditalien: Der Jugendliche Elio (Timothée Chalamet) verbringt wie jedes Jahr den Sommer mit seinen Eltern in deren Ferienanwesen. Der amerikanische Doktorand Oliver (Armie Hammer) ist für mehrere Wochen zu Besuch – er assistiert Elios Vater, einem Professor für Archäologie.

Zwischen Elio und Oliver entwickelt sich ein Spiel zwischen Anziehung und Ablehnung, zwischen Nähe und Distanz. Der Film fokussiert sich dabei auf Elios Entwicklung und seine Suche nach seiner (sexuellen) Identität. Elio und Oliver kommen sich im Laufe des Films auch körperlich immer näher und verbringen – kurz bevor Oliver wieder zurück in die USA reist – einige Tage zu zweit in Bergamo. Dort können sie, befreit von allen gesellschaftlichen Konventionen, ihre Liebe voll ausleben.

Am Ende der filmischen Erzählung kommt es zu einem Zeitsprung: Ein paar Monate nach der Haupthandlung und nach Olivers Abreise meldet sich dieser telefonisch bei Elio und seinen Eltern: Er wird demnächst heiraten. Elio, der äußerlich zuerst unbeeindruckt wirkt, lässt schließlich seinen Gefühlen freien Lauf und weint in der letzten Einstellung minutenlang. Mit diesem Bild, in dem sich der Schmerz und die Erkenntnis gleichsam manifestieren, entlässt der Film die Zuschauerinnen und Zuschauer.

Kritik

Der 17-jährige Elio wird als kulturell interessierter, intelligenter und gleichzeitig ruhiger Charakter eingeführt. Er verbringt seine Freizeit auf dem Sommeranwesen seiner Eltern damit, Musik zu transkribieren und trifft sich ab und an mit anderen Jugendlichen. Oliver hingegen tritt wie ein Filmstar auf und ihn umweht eine Aura der Verführung. Es ist kein Zufall sein, dass sein Körperbild Ähnlichkeiten mit den anmutigen antiken Bronzeskulpturen, die im Vorspann des Films zu sehen sind, aufweist. Zudem wird er häufig in Untersichten eingefangen – dadurch wirkt er unnahbar und gleichzeitig begehrenswert.

Zu Beginn der Erzählung wird das gegenseitige Interesse der beiden Hauptfiguren unter anderem durch die Blickdramaturgie und auch durch – scheinbar zufällige – Berührungen visualisiert. Während bei den ersten Begegnungen Oliver die körperliche Nähe zu Elio sucht, übernimmt Elio immer mehr die Initiative und wird selbstbewusster. Aus der anfänglichen Imitation des Filmstars wird ein forsches Provozieren, das immer wieder durch die Angst vor Zurückweisung und der Unsicherheit der eigenen Sexualität gebrochen wird. Eine zentrale Schwellensituation stellt dabei die Plansequenz an einem Kriegerdenkmal dar: Es ist ein Spiel zwischen Nähe und Distanz, hier findet der bisherige Filmverlauf bzw. die Figurenkonstellation seine Entsprechung. Am Ende der Sequenz konfrontiert Elio Oliver mit der gegenseitigen Zuneigung. Kurz darauf kommt es zum ersten intimen Körperkontakt, einige Tage später schlafen die beiden miteinander. Der Kurztrip nach Bergamo stellt den Höhepunkt der Liebesbeziehung dar. Nach der Verabschiedung am Bahnhof ruft Elio seine Mutter an, die ihn abholen soll – Elio weint am Telefon und später im Auto bitterlich. Der gereifte Teenager wird temporär wieder zu einem Kind.

Es geht in Call Me by Your Name um das Hochgefühl der Liebe und gleichzeitig um den Schmerz des Loslassens. Elio hält in der letzten Einstellung inne, lässt seinen Emotionen freien Lauf – der Zuschauer ist ganz nah bei ihm und muss das minutenlange Ringen mitaushalten; unterlegt mit der extra für den Film geschriebenen und melancholischen Musik des Singer-Songwriters Sufjan Stevens. Elio ist am Ende des Films keine glücklichere Figur als zu Beginn, aber eine deutlich reifere.

Call Me by Your Name steckt voller Symbolik: So wirkt das Anwesen der Familie wie der Garten Eden – alles blüht und reift. Ausgelöst durch die High-Key-Beleuchtung und die satten Farben. In diesem Raum kann Elio reifen und hier kann von den „verbotenen“ Früchte gekostet werden. Ebenfalls auffällig sind die unzähligen Wasser-Metaphern, am nachdrücklichsten sind diese in der Berg-Sequenz eingebunden: Elio und Oliver wandern einen Berg hinauf, sie fühlen sich frei. Unten ist noch ein kleiner Bach zu sehen, oben ein Wasserfall – das Wasser und die Flüssigkeiten im Film (davon gibt es sehr viele) stehen – dieser Schluss liegt zumindest nahe – für die Leidenschaft der beiden und für sexuelle Begierde.

Bei Call Me by Your Name handelt es sich um eine Verfilmung des gleichnamigen Romans (2007) von André Aciman. Die Suche nach passenden Hauptdarstellern war dabei herausfordernd und die Wahl fiel durchaus überraschend auf Arnie Hammer und Timothée Chalamet: Hammer spielte in seinen bisherigen Rollen vor allem traditionell-männlich konnotierte Figuren, Timothée Chalamet übernahm bis dahin in erster Linie Nebenrollen. Durch Call Me by Your Name konnte Chalamet seinen Durchbruch feiern – mittlerweile und spätestens durch die Hauptrolle in Denis Villeneuves Dune (2021) gehört er zu den prominentesten Jungschauspielern Hollywoods.

2020 hat André Aciman mit Find Me die Fortsetzung von Call Me by Your Name veröffentlicht und auch die Verfilmung des Romans ist scheinbar in Planung – laut Aussagen von Luca Guadagnino möchte er wieder die Regie übernehmen und auch mit dem gleichen Cast arbeiten.

Fazit

Insgesamt bietet sich Luca Guadagninos Coming-of-Age-Film sowohl für ein jugendliches als auch für ein erwachsenes Publikum an. Spannung erzeugt der Film dabei vor allem über die Figurenkonstellation und die inneren Wahrnehmungen der Figuren. Dafür ist ein genauer Blick auf die Zwischentöne notwendig – ansonsten kann an dem Film quasi vorbeigeschaut werden. Wenn sich die Zuschauerinnen und Zuschauer allerdings auf das ruhige Erzählen und die symbolisch aufgeladene Atmosphäre einlassen, entfaltet Call Me by Your Name eine ganz besondere Faszination.

 
Titel: Call Me by Your Name
Regie:
  • Name: Luca Guadagnino
Originalsprache: Englisch
Drehbuch:
  • Name: James Ivory
Erscheinungsjahr: 2017
Dauer (Minuten): 133
Altersempfehlung Redaktion: 12 Jahre
FSK: 12 Jahre
Format: Kino
Call Me by Your Name (Luca Guadagnino, 2017)