Inhalt
Sara (Cameron Diaz) und Brian (Jason Patric) Fitzgerald verbringen die Kindheit ihrer Tochter Kate (Sofia Vassilieva) und ihres Sohnes Jesse (Evan Ellingson) größtenteils im Krankenhaus. Kate ist an Leukämie erkrankt. Ihre Aussichten sind schlecht und kein Angehöriger kommt als Spender für das kleine Kind in Frage. Der leitende Arzt, Doktor Chance (David Thornton), schlägt den verzweifelten Eltern vor, ein weiteres Kind zu bekommen, welches mit Hilfe einer künstlichen Befruchtung als Spenderin für Kate in Frage kommen könnte.
Anna (Abigail Breslin) kommt zur Welt. Schon kurz nach ihrer Geburt spendet sie Kate Blut aus ihrer Nabelschnur. Die folgenden Jahre verbringen die beiden Schwestern viel Zeit im Krankenhaus. Anna werden über die Jahre Blut, Zellen und Rückenmark entnommen, um das Leben ihrer Schwester zu retten. Während sich das Leben der Familie, insbesondere der Mutter Sara, um das Überleben ihrer ältesten Tochter dreht, kämpfen Jesse und Anna mit ihren eigenen Problemen.
Anna entscheidet sich dazu, einen Anwalt aufzusuchen. Zusammen mit Campbell Alexander (Alec Baldwin), einem Fernsehanwalt, klagt die Heranwachsende das Recht auf ihren eigenen Körper und damit einhergehend auf Selbstbestimmung ein und möchte fortan über medizinische Eingriffe selbst entscheiden. Sara, die ihre Arbeit als Anwältin für die Familienkrise pausiert, kehrt zurück ins Gericht, um sich selbst zu verteidigen. Für Kate würde das Urteil zugunsten Annas den Tod bedeuten. Sie leidet unter akutem Nierenversagen und ist nun auf die Niere ihrer Schwester angewiesen. Für Anna beginnt ein Kampf für das eigene Leben gegen das Leben ihrer Schwester.
Kritik
Als literarische Vorlage für das erfolgreiche Familiendrama dient Jodi Picoults gleichnamiger Roman Beim Leben meiner Schwester (My Sister´s Keeper, 2004). Fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Werkes wurde die Geschichte der Familie Fitzgerald, unter der Regie von Nick Cassavetes, filmisch adaptiert. Das in Los Angeles gedrehte Drama erhielt im Jahr der Veröffentlichung den Teen Choice Award 2009.
Cassavetes, der früher selbst als Schauspieler vor der Kamera stand, stammt aus einer Filmdynastie. Sein Vater, John Cassavetes, war ebenfalls Regisseur, seine Mutter, Gena Rowlands, war Schauspielerin. Cassavetes Geschwister sind ebenfalls in der Filmbranche tätig. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen Alles aus Liebe (1997), John Q – Verzweifelte Wut (2002), Wie ein einziger Tag (2004), Alpha Dog – Tödliche Freundschaften (2006) und Die Schadenfreundinnen (2014).
Die Besetzung von Beim Leben meiner Schwester mit Hollywoodstars wie Cameron Diaz und Alec Baldwin trugen maßgeblich zur Vermarktung des Justizdramas bei. Beide spielen Schlüsselfiguren im Film, die asymmetrisch koexistieren. Diaz, in der Rolle als Mutter und eigentlicher Vormund Annas und der Fernsehanwalt Campbell Alexander, der den Vormund Annas vor Gericht übernimmt. Die Verschiebung der elterlichen Fürsorge kann als Sinnbild für den Film verstanden werden, in dem die Rollen der Akteure ineinander verschwimmen. Diaz bezeichnet den Film in einem Interview mit RoveOnline als „a very human story that lot of people can relate to“.
Zu Beginn des Filmes scheint ein Hollywood-Familiendrama absehbar: Vater, Mutter und drei Kinder. Ein tolles Haus. Ein Hund. Der Inbegriff des amerikanischen Traums. Doch schon im ersten Akt wird mit dieser Illusion gebrochen: Jede Figur der Familie Fitzgerald wird durch einen Monolog eingeführt, der die Gedanken und Gefühle der einzelnen Familienmitglieder offenlegt. Dadurch wird eine (imaginative) Nähe zu allen Hauptfiguren aufgebaut. Der Film eröffnet mit Annas Monolog und ihre Leidensgeschichte scheint den Plot des Films auszumachen. Jedoch folgen auf ihren Sprechakt Vater Brian, Mutter Sara, Bruder Jesse und zuletzt die todkranke Kate. Somit wird die ursprünglich monoperspektivische Geschichte Annas durch die anderen Perspektiven in ein komplexes Gewebe aus Parallelsichten eingeordnet. Dadurch wird jede Figur nahbar und das Handeln in gewisser Weise erklärbar. Die Multiperspektivität von Beim Leben meiner Schwester bietet dem Filmpublikum die Möglichkeit, sich mit allen Filmfiguren zu einem gewissen Grad zu identifizieren beziehungsweise Empathie und/oder Sympathie für die Figuren zu empfinden.
Regelmäßige Analepsen brechen die chronologische Struktur des Filmes auf. Sie geben Einblicke in die Leidensgeschichte von Kate, aber auch in die von Anna und Jesse. Sie erklären das Zustandekommen der gegenwärtigen Situation. Der stetige Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit lässt eine Gleichzeitigkeit des eigentlich Ungleichzeitigen zu. Zuletzt enden die Rückblenden im Jetzt und im Tod der ältesten Tochter.
Mutter Sara ist wohl die komplexeste Figur des Dramas: Auf der einen Seite ist sie die fürsorgliche, trauernde Mutter, die ihr altes Leben als Anwältin zurückgelassen hat, um Tag und Nacht für ihre kranke Tochter da zu sein. Auf der anderen Seite ist sie hoch emotional und grenzüberschreitend und übersieht das Leid ihrer anderen beiden Kinder; so leidet etwa Jesse an einer Lernschwäche. Viele Szenen lassen an der Rolle der guten, wohlwollenden Mutter zweifeln. Diese Ambivalenz ist ein zentrales Motiv in der Figurenzeichnung.
Die Emotionalität des Dramas wird durch die vorherrschende High-Key-Beleuchtung visualisiert. Sie steht oft konträr zu den Themen und kann als Ausbruch aus den Gedanken aufgefasst werden, die um das Thema Tod kreisen. Die Düsternis des Todes wird durch die Beleuchtung in gewisser Weise aufgehoben. Auch die emotionale musikalische Untermalung taucht den Film in eine teilweise rührselige Atmosphäre und ist sehr präsent. Besonders hervorstechend sind dabei die Szenen der Familienausflüge an den Santa Monica Pier und den Strand. Sie stehen für die Hoffnung und die guten Zeiten der Familie und werden als Einschübe in die sonst so tragische Geschichte eingebettet. Es ist der letzte Moment, den die Familie gemeinsam außerhalb des Krankenhauses verbringt. Die Sonne scheint und taucht den Strand in ein warmes Licht. Jesse und Anna toben lachend vor den stürmischen Wellen des Meeres, während Kate ihnen voller Warmherzigkeit dabei zusieht. Das Lyrics der ergreifenden Ballade „Feels like home“ von Edwina Hayes, die extradiegetisch zu hören ist, unterstreichen die Atmosphäre: „It feels like home to me, it feels like home to me. It feels like I’m all the way back where I belong.“ Der Text wirkt wie die Worte Kates, die wieder bei ihrer Familie, ihrem zu Hause, ist. Solche Ausschnitte lassen einen Moment des Durchatmens für die Rezipierenden zu und sind zugleich die wohl emotionalsten Momente des Dramas.
Im Hollywood-Standardmodus wäre in dem Familiendrama eine erwartbar verlaufende Leidensgeschichte einer todkranken Teenagerin erzählt worden. Die ist jedoch nicht der Fall: Der Film Beim Leben meiner Schwester ist vielschichtig, in ihm überlagern sich verschiedene Handlungsebenen und Perspektiven. Das Leben steht im Vordergrund und der Kampf für das eigene Leben ist dominant. Am Ende des Filmes vereint jedoch der Tod die Familie, denn die filmische Adaption nimmt ein dramaturgisch anderes Ende als die literarische Vorlage:
Im Roman stirbt Anna nach dem Gerichtsprozess bei einem Autounfall und Campbell Alexander, der die Vormundschaft für das Mädchens übernommen hatte, willigt ein, Annas Organe zu spenden. Anna stirbt. Kate lebt. Dabei verschiebt sich die Botschaft in der Romanvorlage: Der Unfalltod Annas kann als reaktionärer Hollywood-Moralismus aufgefasst werden. Anna wird durch den Unfall dafür bestraft, für sich selber gekämpft zu haben. Die zentralen Fragen des Stoffes verändern sich allerdings durch die Anpassung nicht: Sowohl in der literarischen Vorlage als auch im Film geht es um die ethische Frage der Kindeszeugung zur Heilung von Geschwisterkindern und die Frage danach, welchen Grad von Autonomie diese dann einfordern dürfen. Kinder, die zur Heilung eines anderen Geschwisterkindes geboren werden, werden auch „Rettungsgeschwister“ genannt. Nach dem Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik hat die Human Fertilisation and Embryology Authority 2002 das erste Designerbaby autorisiert, was mit dem Entstehungsjahr des Werkes My Sister‘s Keeper von 2004 in Beziehung gesetzt werden kann. Eine moralische Diskussion, die sich bis in die Gegenwart erstreckt.
Fazit
Mit seiner emotionalen Geschichte zweier Schwestern, deren Liebe die beiden über den Tod hinwegbegleitet, trifft Beim Leben meiner Schwester direkt ins Herz. Der Film wird ab 12 Jahren empfohlen: Durch die behandelten Themen ist Beim Leben meiner Schwester für Rezipierende emotional durchaus herausfordernd, zudem verlangt die anachronische Erzählweise gewisse narrative Vorerfahrungen der Zuschauenden.
Literaturverzeichnis
RoveOnline: Cameron Diaz interview on ROVE – My Sister's Keeper. 13.07.2009. https://www.youtube.com/watch?v=TZuvQa23vhA (abgerufen am 12.04.2023)
- Name: Nick Cassavetes
- Name: Jeremy Leven
- Name: Nick Cassavetes