Inhalt
Der britische Film aus dem Jahre 2002 handelt vom Leben des jugendlichen Liam (Martin Compston), der kurz vor seinem 16. Geburtstag steht. Liam lebt gemeinsam mit seiner Schwester Chantelle (Annmarie Fulton) und ihrem kleinen Sohn Calum (Calum McAlees) in einer schottischen Arbeitersiedlung. Er träumt davon, ein besseres Leben für sich und seine Familie zu schaffen.
Seine Mutter Jean (Michelle Coulter) sitzt gerade im Gefängnis. Sie muss eine Strafe für ihren mit Drogen dealenden Freund Stan (Gary McCormack) absitzen. An seinem 16. Geburtstag soll Liams Mutter aus dem Gefängnis entlassen werden. Um zu vermeiden, dass diese nach der Entlassung wieder in die Hände von Stan und seinem Partner, Liams Großvater Rab (Tommy McKee), gerät, will Liam ein neues Zuhause für sich und seine Mutter finden: Er hat einen kleinen Wohnwagen entdeckt. Als er sieht, dass er zum Verkauf steht, ist er fest entschlossen, das nötige Geld für den Kauf aufzutreiben. Dafür stiehlt er den Drogenvorrat des Geliebten seiner Mutter und beginnt, zusammen mit seinem besten Freund Pinball (William Ruane) mit Drogen zu dealen. Doch dadurch geraten die Jungs in Schwierigkeiten und es kommt zu einer Konfrontation mit dem Drogenboss Douglas (Jon Morrison).
Während Liam zu Beginn des Films den Polizisten noch Streiche spielt und einem von ihnen den Schutzhelm stiehlt, wird die Stimmung im Verlaufe des Films immer bedrückender. Geblendet von Geld und dem Traum eines ruhigen Familienlebens, erkennt Liam die Wirklichkeit und die Gefahren erst viel zu spät. Trost kann zum Ende nur das Abschiedsbild geben, welches Liam allein am Strand zeigt. Und so hat Liam an seinem 16. Geburtstag, an dem für viele der Ernst des Lebens erst so langsam beginnt, beinahe alles schon hinter sich.
Kritik
Ken Loachs Filme kreisen immer wieder um Geschichten von Menschen aus der sozialen Unterschicht, die beim Versuch, ein bisschen Lebensglück zu finden, an gesellschaftlichen Strukturen scheitern. Seine Figuren sind unterdrückt, hoffnungs- und chancenlos, gefangen in einem Kreislauf. Der Protagonist Liam in Sweet Sixteen versucht vergeblich, seine kaputte Familie zu retten. Die Mittel, die ihm dabei zu Verfügung stehen, sind allerdings begrenzt. Von freier Entscheidung kann hier kaum die Rede sein. Die soziale Prägung seines Umfelds ist zu stark, um aus dem Kreislauf seiner Familie ausbrechen zu können. Der Regisseur präsentiert uns so einen Protagonisten, der, was schmerzhaft anzuschauen ist, unaufhaltsam in die Irre geführt wird.
Lange und überwiegend nahe Einstellungen, die Verwendung einer Handkamera suggerieren den Eindruck des Dazugehörens. Der fast schon dokumentarische Stil macht den Film lebensnah. Die Trostlosigkeit des Lebens der Einwohner*innen des Glasgower Vororts Greenock gewinnt durch die Laiendarsteller*innen zusätzlich eine bedrückende Natürlichkeit. Die düstere Stimmung wird durch eine schon fast unnatürlich wirkende Low-Key Beleuchtung verstärkt. Mit Sweet Sixteen zeigt Loach uns so eine unverblümte und grausame Wirklichkeit der britischen Arbeiterschicht.
Im Mittelpunkt des Sozialdramas steht die Auseinandersetzung mit der Erwachsenenwelt und mit Liams Elternhaus. Damit einhergehend muss sich Liam der Frage stellen, welchen Platz er in diesem begrenzten Kosmos einnehmen möchte und kann. Er sieht sich verantwortlich für das Wohlergehen und die Zukunft seiner Mutter. Er beginnt, Geld zu verdienen und ein Zuhause für sich und seine Familie aufzubauen. Eigentlich alles Aufgaben seiner Mutter und nicht die eines 15-jährigen Jungen. Neben Fragen der Identitätsfindung behandelt Sweet Sixteen auch gängige Themen der Adoleszenz, wie Drogenerfahrungen, Freundschaft, Gewalt, Konflikte und Scheitern. Der Film kann daher insgesamt auch als Coming-of-Age-Jugendfilm gesehen werden, da Liam mit grundlegenden Fragen des Heranwachsens und starken Emotionen konfrontiert wird.
Fazit
Sweet Sixteen ist ein beklemmendes und hoffnungsloses Sozialdrama, das die Zuschauer*innen bis zum letzten Bild in seinen Bann zieht. Auf ausgeschmückte Schönheit verzichtet Ken Loach komplett. Stattdessen wirkt der Film umso authentischer, besonders dadurch, dass er nicht im Studio, sondern an Originalschauplätzen gedreht wurde.
Der Film ist ab 12 Jahren freigegeben. Aufgrund des gezeigten Drogenkonsums und eines Mordes sowie einiger blutiger und gewalttätiger Szenen ist ein Filmscreening aus pädagogischer Sicht erst ab 14 Jahren zu empfehlen.
Anmerkung: Die Rezension ist im Seminar "Einführung in die Kinder- und Jugendfilmkritik. Fokus: Klassiker des Jugendfilms" (WiSe 2023/2024, Institut für deutsche Sprache und Literatur II, Arbeitsstelle für Kinder- und Jugendmedienforschung (ALEKI), Universität zu Köln, Dozierender: Dr. Frank Münschke) entstanden. Die Rezension wurde auch auf der Seite der Film-Les(e)bar der ALEKI veröffentlicht.
- Name: Ken Loach
- Name: Paul Laverty