Inhalt
Der Urlaub für die drei Freundinnen Paulina, Silvie und Leo beginnt turbulent, als sie fast ihren Zug Richtung Ostsee verpassen. "Wäre ich doch bloß nicht gerannt. Dann hätte ich ihn nämlich verpasst, den Zug von Hannover nach Doornhagen." (S. 9) Diesen Vorwurf macht sich Paulina mehrmals im Buch, denn der Urlaub, der aufregend beginnt – Leo verknallt sich schon im Zug in Calvin, der als Schwarzfahrer an die Ostsee will, und Paulia verliebt sich am Strand erst in den Hund Muffin, dann in dessen Herrchen Hannes –, wandelt sich schnell zu einem Alptraum. Nicht nur, dass die Mädchen in der örtlichen Tageszeitung von gestohlenen Ratten aus dem nahegelegenen Forschungslabor erfahren, auch der aufdringlicher Reporter Lars Nordweg lässt sich kaum abschütteln und scheint die Mädchen geradezu zu verfolgen: Wollte er zunächst nur eine Geschichte für die Zeitung schreiben, die sich um den Urlaub der Mädchen dreht, betäubt er Leo später mit Liquid Ecstasy, um sie gefügig zu machen.
Nach dem Hafenfest, zu dem die Mädchen abends gemeinsam gehen, beschließt Leo, nicht mit Paulina und Silvie zurück zum Zelt zu gehen, sondern bei Calvin zu bleiben. Silvie und Paulina machen sich auf den Weg und nehmen den Bus zum Campingplatz. Am nächsten Morgen ist Leo immer noch nicht aufgetaucht und vor allem Paulina beginnt sich Sorgen zu machen. Zu Recht, wie sich herausstellt: Leo ist ermordet worden. Zusammen mit Hannes machen sie sich auf die Suche nach Leo bzw. folgen zunächst Calvins Spur, der sich als Dieb entpuppt und Ratten aus einem Labor in Lagedorn gestohlen hat.
Mit diesem Diebstahl wird ein weiterer Handlungsstrang verknüpft, der sich um die Tochter des Laborleiters dreht. Offensichtlich versucht sie, Pannen im Labor zu vertuschen, was nur schlecht gelingt. Der Diebstahl der Ratten, der hier primär im Vordergrund steht, ist besonders prekär, sind doch unter den gestohlenen Tieren auch ein paar mit Erregern infiziert, die versehentlich im Stall zu gesunden Tieren gesperrt wurden.
Und schlussendlich kommt auch der Täter mehrfach im Laufe der Handlung zu Wort, nach dem die Polizei fieberhaft fahndet. Dessen innerer Antrieb zu seinen Taten lässt keinen Zweifel daran, dass er dem Labor um jeden Preis schaden will. Dafür wird er auch notfalls einen zweiten Mord in Kauf nehmen, denn plötzlich wird auch Paulina entführt…
Kritik
Petra Schwarz ist mit ihrem zweiten Buch Sommerpest – der Titel lässt erahnen, dass es um das Pestvirus geht, das der Täter in der Öffentlichkeit verbreiten will – ein Thriller gelungen, dem durchaus das Attribut 'Pageturner' zuzuordnen ist. Gekonnt verbindet sie nicht nur die einzelnen Handlungsstränge miteinander, sondern baut durch die Anordnung der einzelnen Teile vor allem gegen Ende des Romans enorm Tempo und Spannung auf. Dies gelingt ihr, indem sie die erzählten Passagen von der gefangenen Paulina, den Ermittlungen der Polizei und Hannes, der sich sehr um Paulina sorgt, miteinander verknüpft. Hinzu kommen die inneren Eindrücke und Empfindungen des Täters, die zudem in einer serifenlosen Schriftart eingefügt werden, die das Geschehen dramatisieren. Alle Passagen werden immer kürzer und laufen immer schneller aufeinander zu, bis sich die einzelnen Handlungen miteinander verbinden. Diese rasante Erzählweise erinnert an schnelles filmisches Erzählen, bei dem kurze Einstellungen durch schnell aufeinanderfolgende Schnitte aneinandergereiht werden und Tempo in der Erzählung erzeugen. Schließlich erfährt der Leser auch, dass es sich bei dem Täter um einen ehemaligen Mitarbeiter des Labors handelt, der gefeuert wurde für einen Fehler, den eigentlich die Tochter des Laborbesitzers begangen hat und sich nun an ihr und dem gesamten Labor rächen will. Leo und schließlich auch Paulina sind nur Bauernopfer für den Täter, der sich selbst und seine Ziele um jeden Preis schützen will.
Im Gegensatz zu ihrem ersten Buch Schwanengrab, wo vor allem die Nebenfiguren zum Teil sehr schematisch angelegt waren, überzeugen hier sowohl Haupt- als auch Nebenfiguren. So scheint Lars Nordweg zunächst zwar der freundliche Reporter zu sein, jedoch wandelt er sich im Laufe der Handlung: Er wird überführt, Leo Liquid Ecstasy in ihr Getränk gegeben zu haben am Abend des Sommerfestes. Und die Beziehung zur Tochter des Laborleiters hat er nur aufgebaut, um an Informationen über den Rattendiebstahl und die Probleme im Labor zu gelangen.
Auch die Protagonistin Paulina, aus deren Perspektive das Geschehen vornehmlich erzählt wird, ist glaubhaft konstruiert durch ihre Sorgen um Leo ebenso wie Hannes, in den sie sich verliebt und der dann doch etwas klischeehaft vom Urlaubsflirt zum festen Freund wird, mit dem Paulina auch nach dem Urlaub noch zusammen ist. Vor dem Hintergrund des dramatischen Geschehens – dem Mord an Leo – erscheint es narrativ aber notwendig, dass Schwarz der Protagonistin eine Stütze an die Seite gibt, die ihr beständig zur Seite steht und mit ihr das Geschehen durchsteht.
Spannung erzeugt Schwarz schließlich durch die Einschübe, die die Gedanken des Täters wiedergeben und so den Leser unmittelbar an dessen Innenleben teilhaben lässt, während der Täter selbst als Person nur recht sporadisch auf- und damit hinter den anderen Akteuren zurücktritt. Umso größer sind die Überraschung und das Entsetzen, wenn der Leser erfährt, wer der wahre Täter ist.
Wie in Schwanengrab nimmt sich Schwarz auch in ihrem zweiten Buch eines Themas an, das zumindest in der jüngsten Vergangenheit mehrfach öffentlich diskutiert wurde: Gebrauch von Drogen – hier Liquid Ecstasy – und Alkohol, kombiniert mit leichtgläubigem Verhalten (gegenüber anderen Menschen) und darauffolgenden unüberlegten Taten, die zumindest für Leo drastische Konsequenzen haben. Die implizite Mahnung des Buches, sowohl im Alltag als auch in Ausnahmesituationen achtsam zu sein und sich nicht Hals über Kopf in Abenteuer zu stürzen, wird dem Leser unaufdringlich, aber dennoch nachhaltig mitgegeben, so dass das Buch seine Wirkung auch nach der Lektüre nicht verfehlen dürfte.
Fazit
Petra Schwarz ist mit Sommerpest ein logisch durchdacht und konsequent nach vorn getriebener Thriller gelungen, der einen Mann in den Mittelpunkt stellt, der buchstäblich über Leichen geht, um seine Rachsucht zu befriedigen. Das 'Drumherum' (Setting, Akteure) bietet dem Täter, dessen psychische Instabilität zum Ausdruck kommt durch dessen eingeschobene Gedanken, genügend Raum, um 'unterzutauchen' und unerwartet zuschlagen zu können, so dass auch der Leser von der Lektüre gepackt und mitgerissen wird. Aufgrund der gewählten Thematik – Entführung, Mord, Forschung an und geplante Verbreitung von Pestviren sowie Drogenmissbrauch – ist das Buch für Leser ab 14 Jahren zu empfehlen.
- Name: Schwarz, Petra