Inhalt

Zafer lebt extrem zurückgezogen, sitzt den ganzen Tag nur am Rechner, seine sozialen Kontakte erschöpfen sich quasi in den Begegnungen mit dem Pizzaboten, denn er ernährt sich ausschließlich von Pizza und Multivitaminsaft. Sein Geld verdient er als Bildretuscheur für Filmproduktionen – eine langweilige, sich stets wiederholende Tätigkeit, die der jugendliche Protagonist sich durch kleine Spielereien versüßt. Von Auftraggebern unbemerkt lässt er beispielsweise Produktlogos verschwinden oder setzt einfach Symbole oder kleine Monsterfiguren in seine Bildbearbeitungen ein. Doch eines Tages gerät seine monotone, düstere Lebenswelt aus den Fugen, als er einen anonymen Auftrag erhält: Zunächst geht es um die Veränderung von Auto-Nummernschildern in Überwachungsvideos. Ohne moralische Bedenken nimmt Zafer den Auftrag an und erhält dafür seinen Lohn. Und er zögert auch kaum, als er einen weiteren Auftrag erhält: Er soll einen Mann aus dem Video einer Überwachungskamera entfernen und in ein anderes installieren. Erst nach und nach wird ihm klar, was er da getan hat. Durch seine Bildbearbeitung wird einem Mann, der sich Prospero nennt, ein Mord an einem Journalisten angehängt. Nur Zafer weiß, dass er gar nicht in der Tiefgarage war, die ein Video der Überwachungskamera zeigt. Panisch versucht Zafer herauszufinden, wer sich hinter dem Decknamen "Laurin" verbirgt, den sein anonymer Auftraggeber benutzt hat. Mit Zafers Aufbruch ins Freie korrespondiert ein Wechsel der Erzählinstanz. Der bislang namenlose Ich-Erzähler, der intern fokalisiert aus Zafers Sicht erzählt hat, entpuppt sich als Emily, eine junge Straßenmusikerin, in die Zafer sich auf den ersten Blick verliebt. Und damit nicht genug der Verstrickungen: Emily ist auch selbst in die Geschichte um den Journalistenmord und einen Großkonzern, der überall Überwachungskameras installiert hat, involviert. Es beginnt ein Kampf um Leben und Tod, der mehrere überraschende Wendungen bereithält.

Kritik

Das Besondere an Margit Ruiles spannendem Jugendthriller ist zweifelsohne vor allem die Erzählperspektive und das damit verbundene Spiel mit der Fokalisierung, welches dem Leser schon gleich am Anfang Rätsel aufgibt:

Ich fange nicht mit mir an. Das kann ich nicht. Denn dieses Ich, das ich jetzt bin, wundert sich über die Figur, die sie war. Die beiden sind nicht deckungsgleich. Ich drehe mich um und schaue zurück auf jemanden, den ich gut kenne. Sehr gut kenne. Nennen wir ihn – Zafer. (S. 7)

Erst nach etwa der Hälfte des 288 Seiten starken Romans gibt das erzählende Ich seine Identität als Teil der Diegese preis und entpuppt sich als Zafers Liebe Emily. Auf diese Weise korrespondiert die histoire mit dem discours, beide Ebenen bedingen sich und sind miteinander verwoben. Leider wirkt die spannende Handlung auch etwas konstruiert, gerade in Bezug auf die Liebesbeziehung von Zafer und Emily, die wie ein seltsamer Fremdkörper in diesem Technikthriller wirkt, in dem es doch vorrangig um Datenmissbrauch und den Umgang mit öffentlicher Überwachung geht. Viele Handlungsstränge sind hier miteinander verwoben, es bleibt lange unklar, wer gut und wer böse ist, letztlich folgt aber doch alles dem typischen Schema von Technikthrillern (wie z.B. Ursula Poznanskis Layers) – dazu zählt auch das überraschende Ende. Zu dieser im Rahmen der Narration durchaus funktionierenden Mischung gehört z.B. noch Emilys Bekanntschaft mit einer alten Frau, die schon in jungen Jahren der Hacker-Szene angehörte, ebenso ihre Beziehung zu Prospero, der die titelgebende Organisation "Dark Noise" ins Leben gerufen hat, die sich dem Kampf gegen den Überwachungsstaat verschrieben hat. Erzählt wird die Story zuweilen in kurzen, stakkatoartigen Sätzen, die an filmisches Erzählen erinnern und der Handlung einen hohen Grad an Unmittelbarkeit verleihen:

Zafer schwebte. Er war eine Weile zwischen den Welten. In einer weißen Blase. Alles schien leicht und einfach. Sein Kopf war getroffen, aber das machte nichts aus. Nichts machte mehr etwas aus. Er war einfach nur müde und durfte alles vergessen. (S. 135)

Auch aus dieser Unmittelbarkeit, die sich wohl in Verbindung bringen lässt mit der Herkunft der Autorin von der Filmhochschule speist sich die Spannung des Romans. Damit wird er seiner unterhaltenden Funktion sicher auf allen Instanzen gerecht.

Fazit

Ein unterhaltsamer und spannender Technikthriller mit ungewöhnlicher Erzählperspektive, der jugendliche Leser ab etwa 14 Jahren, die Interesse am Thema und eine hohe Lesemotivation mitbringen, zum Schmökern und Abtauchen in eine rasante und schnell erzählte Handlung einlädt. 

Titel: Dark Noise
Autor/-in:
  • Name: Ruile, Margit
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2017
Verlag: Loewe
ISBN-13: 978-7855-8446-0
Seitenzahl: 288
Preis: 14,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Ruile, Margit: Dark Noise