Martin Grzimek erzählt das Leben Tristans von der Geburt bis zum Tod in einem überaus spannenden Entwicklungsund Gesellschaftsroman, angesiedelt im höfischen Milieu, ergänzt durch fiktive Figuren und fiktive Ereignisse. Frauen, Ritter, Knappen, Könige und Königinnen, vor allem echte Kerle mit echten Gefühlen erleben jede Menge Abenteuer.Die Geschichte des Jünglings, der für seinen Onkel, König Marke, nach Irland segelt, um die schöne Isolde als Königin nach Britannien zu holen. Die beiden jungen Menschen trinken versehentlich einen Liebestrank, der sie auf ewig aneinander bindet und ihr Leben am Hof König Markes zu einem gefährlichen Spiel werden lässt.
Tristan verkörpert nicht den Ritter im klassischen Sinne, sondern wächst heran zu einem einfühlsamen jungen Mann, mit Ängsten und Nöten, mit Träumen und Leidenschaften, mit ersten sexuellen Erfahrungen und dem Bekenntnis zur großen Liebe. Schon als Junge überrascht er mit vielen Talenten, die er durch seinen Lehrer, den Mönch Courvenal, entfalten kann. Er genießt eine höfische Erziehung in Schwertkampf, Gesang, Lautenspiel und Sprachen und entwickelt eine sensible Persönlichkeit.
Eine Reise nach Irland, wo Tristan als Sänger ve, so heißt es, werde von einem gleichaltrigen Mann entführt, und bringe Unglück über ihr Land. Die Königinmutter veranlasst die Suche nach dem möglichen Entführer, aber immer wieder entkommt Tristan seinen Verfolgern. Neben Bildungsreisen, Gebietskämpfen und den Fragen nach Herkunft und Wahrheit wird die verbotene Liebe zum zentralen Thema des Epos.
Der Autor hat wichtige Eckpunkte des Mythos wie Drachenszene und Liebestrank beibehalten, den etwa 15 Figuren aber zahlreiche neue Nebenfiguren hinzugefügt. Er hat einen Tristan geschaffen, der durch die Begegnungen mit Menschen und ihren Kunstfertigkeiten, durch das Studium der Bücher und die Auseinandersetzung mit Magie seinen Charakter bildet. Im Laufe seines Lebens lernt er seinen Gefühlen zu vertrauen und so hält er den Zwiespalt aus, sich in eine Frau zu verlieben, die er nicht lieben darf. In dreihundert knappen Kapiteln entfaltet sich der ereignisreiche, kultivierte, aber auch zuweilen mittelalterlich brutale Alltag Tristans. Jedes Kapitel enthält zwei Handlungsstränge, die wie Kettenglieder ineinandergreifen. Kapitel um Kapitel steigen Spannung und Vergnügen. Die neunhundert Seiten verfliegen mit eindrucksvollen Bildern und atmosphärischen Szenarien, in die Tagebucheintragungen und Rückblicke einzelner Figuren eingestreut sind.
Lateinisches und mittelhochdeutsches Vokabular, aber auch erfundene Wörter, die sich auf das nicht überlieferte Sprachengewirr des Mittelalters beziehen, dokumentieren Farbe und Vielfalt des Lebens in Parmenien, Britannien, Irland und den anderen europäischen Ländern, die Courvenal und Tristan bereisen. So entstand neben einer Familiengeschichte eine Gesellschaftsstudie über höfisches Leben, und gleichzeitig ein Entwicklungsroman, in dessen Mittelpunkt der kluge, sensible Tristan steht. Psychologisch ausgeleuchtet als Kind mit seinen Zieheltern, als Jugendlicher auf seiner Bildungsreise und als junger Mann, dessen einzigartige Liebe zu Isolde als das Reine und Schöne dem grobschlächtigen Leben dieser Zeit entgegensteht. (ab 14 Jahre und Erwachsene)
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Diese Rezension erschien ursprünglich in der Süddeutschen Zeitung Nr. 154 am 6. Juli 2012. Veröffentlichung auf KinderundJugendMedien.de mit Erlaubnis der Redaktion der Kinder- und Jugendliteraturseite der Süddeutschen Zeitung.
- Name: Grzimek, Martin
