Inhalt

Alanna, die wagemutige Heldin aus Tamora Pierces` erstem Band der gleichnamigen Romanreihe, wird schon zu Handlungsbeginn in kaltes Wasser gestoßen: Bei einem Ausritt in die Wildnis wird sie von einem nahenden Unwetter überrascht und schlägt ihr Lager unter einem großen Baum auf. Dort findet sie zunächst einen streunenden Kater, der dieselbe violette Augenfarbe hat wie sie selbst. Als wäre dies noch nicht ungewöhnlich genug, erscheint gleich darauf eine mysteriöse Fremde an ihrem Lager, die sich als die Muttergöttin höchstpersönlich herausstellt. Schnell wird nicht nur klar, dass Alanna eine ihrer Auserwählten ist, sondern auch, dass die Göttliche sie besser kennt als das Mädchen sich selbst: Von drei großen Ängsten kündet die Weissagende ihr, welche die junge Reckin in Bälde zu überwinden habe. Zugleich aber macht sie Hoffnung, dass all diese Bedrohungen für ihr Gegenüber zu bewältigen seien und ohnehin nichts an einer Konfrontation damit vorbei führe.

Alanna macht sich schließlich auf den Heimweg ins Schloss, wo ihre letzte Phase der Ausbildung zum Ritter beginnt. Noch immer muss sie sich dabei als Junge namens Alan tarnen. Es wird eine turbulente Zeit für das Kämpferherz, denn die unheilvolle Verschwörung, die schon im letzten Band spürbar wurde, wird jetzt immer bedrohlicher: Mehrmals muss Alanna Anschläge auf ihr Leben hinnehmen und nur unter Aufwendung all ihres Könnens gelingt es ihr, dem ihr zugedachten Ende oft nur knapp zu entrinnen. Auch in ihrem näheren Umfeld häufen sich bald merkwürdige Vorkommnisse, denn der mysteriöse Feind, der schon damals seine Finger nach ihr und ihren Freunden ausstreckte, wird jetzt zunehmend ungeduldiger und nimmt immer weniger Rücksicht auf drastische Maßnahmen, um sein Ziel zu erreichen. Zudem sind die Vorbereitungen auf die allerseits gefürchtete Ritterprüfung für das Mädchen alles andere als harmlos. Darüber hinaus muss sie ihre erlernten Ritterfertigkeiten erstmalig in einem echten Krieg und in einer Schlacht beweisen, denn nicht nur aus dem Inneren des Reiches droht Gefahr.  

Und wie von der Göttin prophezeit, stellt sich Alanna bald schon eine weitere Herausforderung in den Weg, gepaart mit einer schwierigen Entscheidung: Der Diebeskönig Georg, ein guter Freund und Informant aus dem ersten Band, erfuhr schon dort von ihrem wahren Geschlecht und zeigt jetzt Gefühle für sie. Dasselbe gilt für den Kronprinzen Jonathan, den die Kämpferin ebenfalls schon früh zu ihren Freunden zählte und der auch als einer der ersten von ihrem Geheimnis erfuhr. Alanna steckt in der Zwickmühle: Soll sie ihrem Vorsatz, ein Leben lang frei und ungebunden zu bleiben, weiterhin treu bleiben oder soll sie die Gefühle für einen der beiden Männer erwidern, gar Georgs Ehefrau werden, wie er ihr anbietet?  Und obwohl es der Kriegerin anfangs gelingt, beide Männer abzuweisen, muss sie bald darauf feststellen, dass sich eine bislang unbekannte Zuneigung in ihr regt.

Die Situation eskaliert schließlich, als Alanna es schafft, das um sie waltende Böse zu enttarnen und in einem waghalsigen Manöver zu konfrontieren. Dabei muss sie nicht nur all ihr Können anwenden und ihr Leben aufs Spiel setzen, sondern auch ihre lang geplante Zukunft riskieren, denn ihre wahre Geschlechtsidentität kommt öffentlich zum Vorschein...

Kritik

Der zweite Band von Tamora Pierce`s Alanna- Reihe beginnt genauso spannend und verheißungsvoll, wie der erste endete: Schon im ersten Kapitel bekommt es Alanna wieder mit einer göttlichen Macht zu tun, die sie ganz direkt (ähnlich wie bei einem göttlichen Orakelspruch aus der griechischen Mythologie) mit nahenden Bedrohungen konfrontiert. Diese erweisen sich dann auch als stetig präsent, denn eine riskante Herausforderung nach der anderen wirft sich der jungen Streiterin entgegen, sodass an eine geregelte Ausbildung für sie fast nicht mehr zu denken ist.

Zwar wirkt das ganze Geschehen wie schon im ersten Teil recht gehetzt, die Spannung bleibt aber bis ganz zum Schluss des Bandes erhalten: Man ist als Leserin/Leser neugierig, wie sich die ganze Situation noch entwickeln wird. Spannungsschmälernd wirkt sich allerdings der Umstand aus, dass sowohl Motive als auch Täter relativ schnell enthüllt werden. Das ist recht enttäuschend, denn gerade hier hätte das Zusammenspiel zwischen dem Nervenkitzel aus offenen Konfrontationen und der unheimlich-intrigenreichen Stimmung aus den mysteriösen Vorkommnissen in Alannas Umfeld noch mehr zur Atmosphäre des Romans beigetragen. Schade ist auch, dass es bezüglich besagter Verschwörung keine echten Überraschungen oder unerwarteten Wendungen gibt – wem der erste Band bekannt ist, dem dürfte ohnehin schnell klar werden, wer der eigentliche Erzwidersacher ist.

Interessant wie unterhaltsam sind allerdings Alannas ungewollte Konfrontationen mit dem anderen Geschlecht: Georg zeigt sich in der Hinsicht rollentypisch als ein Draufgänger, der weder Zeit noch Mühen scheut, um das Herz der jungen Hauptfigur für sich zu gewinnen. Jonathan hingegen hat es zunächst, oberflächlich betrachtet, bei ihr einfacher, den anfänglichen Widerstand zu brechen, da er nicht nur ein guter Freund und Gefährte, sondern auch noch ihr persönlicher Vorgesetzter ist und die Anschläge, die auch auf ihn gerichtet sind, Alanna regelmäßig zu Fürsorge bewegen. Doch auch bei ihm ist sich das Mädchen im Unklaren, ob sie sich auf seine Werbung einlassen soll, denn ihrem festen Vorsatz, später als ritterliche Abenteurerin in die Welt hinaus zu ziehen, stünde eine feste Beziehung im Weg. Auch versucht sie krampfhaft sowohl ihre Gefühle für Jonathan als auch für Georg zu leugnen und es ist für die Leserinnen und Leser amüsant, wenn man in Widerspruch dazu ihre Eifersucht durchschaut, als sie erfährt, dass der Kronprinz mit einem anderen Mädchen anbändelt.

Leserliche Neugierde kann auch Alannas Kater Trusty erwecken, der neben den violetten Augen noch andere, außergewöhnliche Fähigkeiten zu haben scheint. Beispielsweise ist er offenbar in der Lage, mit Alanna telepathisch und wie ein Mensch zu kommunizieren, sodass er ihr oft Ratschläge und seine Meinung zum Besten geben kann. Auch seine Herkunft erscheint noch nicht ganz geklärt: Da er auf mysteriöse Weise an Alanna gebunden ist, ihr bei Gefahren immer beisteht und obendrein fast zeitgleich zur Muttergöttin in ihr Leben tritt, scheint er eine Art Geschenk von dieser zu sein, doch ergeben sich noch einige, vielversprechende Fragen: Hat es mit ihm vielleicht mehr auf sich, als es zunächst den Anschein hat und spielt er vielleicht noch eine bislang ungeahnte Rolle? Spricht Alanna wirklich mit ihm? Ist es vielleicht vielmehr die Muttergöttin, die ihr über ihn regelmäßig Botschaften sendet oder sind es eventuell sogar Einbildungen bzw. Halluzinationen? Beide Möglichkeiten würden der Figur Alanna Parallelen zur französischen Nationalheldin Jeanne D´arc und ihren göttlichen „Visionen“ beifügen.

Insgesamt wirken die Entwicklungen in diesem Teil der Romanreihe jedoch letztlich ernüchternd abgeschlossen und ihr Ausgang eher wenig überraschend. Selbst der Krieg, der gegen Mitte der Handlung ausbricht, erweist sich gerade für Alanna als recht ereignisarm und hätte allgemein noch wesentlich ausführlicher und umfangreicher das Geschehen beherrschen können. Die neuen Figuren wirken, wie schon im ersten Band, als Persönlichkeiten (mit einigen Ausnahmen) relativ blass und stereotyp. Über den Krieger Thor zum Beispiel erfährt man kaum etwas zu seiner Herkunft. Er erweist sich vielmehr als ein weiterer Mentor und Trainer für Alanna. Weil tiefergehende Gespräche untereinander zwischen ihnen ausbleiben, scheint beide nur eine eher oberflächliche Freundschaft zu verbinden. Auch die Widersacher der Handlung wirken als Figuren weiterhin nicht sonderlich komplex gestaltet:  Ihre Motive wirken klischeebelastet, ihre Handlungen und deren Ausgang bleiben zwar relativ vorhersehbar, aber zumindest in dem Sinne kindgerecht, dass sie vereitelt werden, ohne größere Schäden anzurichten. Der ausländische Ritter Dain von Melor sowie der fiese Jem Tanner beispielsweise erinnern zudem in ihrem Verhältnis zu Alanna zu sehr an den adligen Mitschüler Ralon aus dem ersten Band, der es von Anfang an auf das Mädchen abgesehen hatte und es provozierte, wo er nur konnte. Sie erscheinen somit austauschbar.

Dennoch gibt es, wie erwähnt, auch Ausnahmen und Beispiele für eine tiefere und authentische Figurengestaltung. Aus dieser sticht eindeutig Alanna selbst hervor, deren Gedankenwelt Leserinnen und Lesern wie im ersten Band ausführlich dargestellt wird. Durch diese interne Figurenfokalisierung erfährt man nicht nur von ihren Hoffnungen und Träumen, sondern auch von ihren Ängsten und Abneigungen. Ähnlich wie im Vorgänger erweist sie sich auch in diesem Band als tapfere und entschlossene, aber nicht in lebensmüder Art draufgängerische, junge Frau, die ihre Meinung häufig auch Autoritätspersonen gegenüber offen darlegt und auch bei mächtigen Feinden kein Blatt vor den Mund nimmt. Von daher kann sie nicht nur, aber gerade bei vielen Leserinnen Sympathien und Identifikationen erwecken, sodass sie sich auch als Vorbild eignet.

Fazit

Der zweite Band der Alanna-Reihe ist trotz einigem verschenkten Potenzial recht unterhaltsam zu lesen: Die merkwürdigen Vorkommnisse wecken Spannung, Alannas weiterer Werdegang und ihre Entwicklung erscheinen nachvollziehbar, nicht auserzählte Konflikte aus dem vorherigen Teil werden zufriedenstellend gelöst und das offene Ende weckt Lust auf mehr. Weil der Roman recht flüssig zu lesen ist und die Ereignisse der Handlung nicht allzu komplex sind, kann der zweite Teil für Leserinnen und Leser ab etwa 10 Jahren empfohlen werden.

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Titel: Alanna, Das Lied der Löwin Band 2 - Im Bann der Göttin
Autor/-in:
  • Name: Pierce, Tamora
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2012
Verlag: Heyne
ISBN-13: 978-3453314375
Seitenzahl: 988
Preis: 14,99 €
Altersempfehlung Redaktion: Unter 2 Jahre
Pierce, Tamora: Alanna, Das Lied der Löwin Band 2 - Im Bann der Göttin